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Glucocorticoide sind besser als ihr Ruf

27.01.1997  00:00 Uhr

- Pharmazie

  Govi-Verlag Glucocorticoide sind besser als ihr Ruf
Pharmacon Davos   "Glucocorticoide sind die effektivsten antiinflammatorischen Wirkstoffe, die wir kennen", betonte Professor Dr. P. Rohdewald vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Münster in seinem Vortrag über antientzündlich wirksame Antiasthmatika. "Das Dumme ist nur, der Patient merkt das nicht, da die spürbare Wirkung nicht sofort einsetzt". Dies sei nur ein Grund, warum die Glucocorticoide in vielen Fällen gar nicht, zu spät oder nicht konsequent eingesetzt werden. Hinzu komme die - sowohl bei den Patienten als auch bei vielen Ärzten - offenbar unausrottbare Angst vor den unerwünschten Wirkungen dieser Substanzgruppe.

Aus Sicht Rohdewalds eine Fehleinschätzung der "Antiasthmatika der Wahl". Die unbestreitbar vorhandenen Nebenwirkungen wie Suppression der Nebennierenrindenfunktion und körpereigenen Cortisolproduktion, Osteoporose, Kataraktbildung seien in erster Linie das Resultat der systemischen Gabe von Glucocorticoiden - indiziert lediglich bei schwerem Asthma. Bei der Mehrzahl der Asthmatiker sei die inhalative Anwendung ausreichend, bei der die Wirkung überwiegend auf die Lunge begrenzt ist: Mit den neueren inhalativen Glucocorticoiden wie Fluticasonpropionat sei es gelungen, die Aufnahme in den Blutkreislauf weitgehend zu verhindern und damit die systemischen Effekte zu reduzieren.

Fluticasonpropionat kommt den Ansprüchen an ein lokal wirksames Glucocorticoid relativ nahe: Es ist sehr lipophil und hat deshalb eine hohe Affinität zum Lungengewebe, seine Affinität zu den Glucocorticoidrezeptoren dort ist deutlich höher als die älterer Substanzen wie Budenosid (Verhältnis Fluticasonpropionat zu Budenosid 2:1, Dosierungsverhältnis 1:3). Das ideale inhalative Glucocorticoid - ausschließlich lokale Wirkung in der Lunge, sofortige Inaktivierung des verschluckten Anteils durch Metabolisierung - gebe es bislang jedoch nicht, räumte Rohdewald ein. Sein Tip: Durch Anwendung eines Spacers läßt sich die Effektivität der Inhalation bei gleichzeitiger Reduktion der Nebenwirkungen deutlich steigern: 30 Prozent mehr Substanz am Wirkort, 80 Prozent weniger im System.

Glucocorticoide sind keine Notfallmedikamente, stellte Rohdewald klar. Ziel der Asthmatherapie sei nicht die Behandlung des Anfalls, sondern seine Verhinderung durch Unterbinden des zugrundeliegenden Entzündungsprozesses. Durch Wechselwirkung des Glucocorticoid-Rezeptorkomplexes mit der DNA oder Transkriptionsfaktoren bewirken sie einen Produktionsstop von Entzündungsmediatoren wie Prostaglandinen, Leukotrienen, Interleukinen, PAF oder Stickoxid. Gleichzeitig induzieren sie die Synthese einer Endonuclease, die zum Absterben von Entzündungszellen führt. Darüber hinaus verstärken Glucocorticoide die Wirkung ß-adrenerger Wirkstoffe, indem sie die Bildung ß-adrenerger Rezeptoren anregen. Weitere Effekte seien eine verminderte Schleimsekretion der Becherzellen, eine Blockade der Freisetzung von Entzündungsmediatoren aus dem Endothel und damit eine Normalisierung des Bronchialepithels sowie eine Reduktion der Einwanderung von Eosinophilen.

"Diese Vorgänge brauchen Zeit", gab Rohdewald zu bedenken. Viel wichtiger als eine Sofortwirkung sei die Unterbrechung des Circulus vitiosus beim allergisch-entzündlichen Asthma durch die Glucocorticoide. Die Chance zur Besserung des Asthams sei umso größer, je früher die Therapie beginne - wenn nötig, bereits im Kindesalter.

Die antiinflammatorische Wirksamkeit von Cromoglicat-Inhalaten (Dinatriumcromoglicat, Dinatriumneocromilat) sei den inhalativen Glucocorticoiden weit unterlegen, so Rohdewald weiter. Die insbesondere bei mildem Asthma eingesetzten Substanzen schützen durch Hemmung der Granulozytenaktivierung und Stabilisierung der Mastzellmembran vor Bronchokonstriktion, zur Akutbehandlung eines Anfalls sind auch sie nicht geeignet. Der Wert eines frühzeitigen Einsatzes bei Kindern sei fraglich, so der Referent. Die seit einiger Zeit auch für Theophyllin postulierte antientzündliche Wirkung sei im Vergleich zu dessen spasmolytischen Effekten eher vernachlässigbar und den inhalativen Glucocorticoiden ebenfalls deutlich unterlegen. Darüber hinaus bereite die geringe therapeutische Breite des ausschließlich systemisch anwendbaren Broncholytikums oft Schwierigkeiten.

PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Davos
   

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