Pharmazie
Glucocorticoide sind besser als ihr Ruf
Pharmacon Davos
"Glucocorticoide sind die
effektivsten antiinflammatorischen Wirkstoffe, die wir
kennen", betonte Professor Dr. P. Rohdewald vom
Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität
Münster in seinem Vortrag über antientzündlich
wirksame Antiasthmatika. "Das Dumme ist nur, der
Patient merkt das nicht, da die spürbare Wirkung nicht
sofort einsetzt". Dies sei nur ein Grund, warum die
Glucocorticoide in vielen Fällen gar nicht, zu spät
oder nicht konsequent eingesetzt werden. Hinzu komme die
- sowohl bei den Patienten als auch bei vielen Ärzten -
offenbar unausrottbare Angst vor den unerwünschten
Wirkungen dieser Substanzgruppe.
Aus Sicht Rohdewalds eine Fehleinschätzung der
"Antiasthmatika der Wahl". Die unbestreitbar
vorhandenen Nebenwirkungen wie Suppression der
Nebennierenrindenfunktion und körpereigenen
Cortisolproduktion, Osteoporose, Kataraktbildung seien in
erster Linie das Resultat der systemischen Gabe von
Glucocorticoiden - indiziert lediglich bei schwerem
Asthma. Bei der Mehrzahl der Asthmatiker sei die
inhalative Anwendung ausreichend, bei der die Wirkung
überwiegend auf die Lunge begrenzt ist: Mit den neueren
inhalativen Glucocorticoiden wie Fluticasonpropionat sei
es gelungen, die Aufnahme in den Blutkreislauf weitgehend
zu verhindern und damit die systemischen Effekte zu
reduzieren.
Fluticasonpropionat kommt den Ansprüchen an ein lokal
wirksames Glucocorticoid relativ nahe: Es ist sehr
lipophil und hat deshalb eine hohe Affinität zum
Lungengewebe, seine Affinität zu den
Glucocorticoidrezeptoren dort ist deutlich höher als die
älterer Substanzen wie Budenosid (Verhältnis
Fluticasonpropionat zu Budenosid 2:1,
Dosierungsverhältnis 1:3). Das ideale inhalative
Glucocorticoid - ausschließlich lokale Wirkung in der
Lunge, sofortige Inaktivierung des verschluckten Anteils
durch Metabolisierung - gebe es bislang jedoch nicht,
räumte Rohdewald ein. Sein Tip: Durch Anwendung eines
Spacers läßt sich die Effektivität der Inhalation bei
gleichzeitiger Reduktion der Nebenwirkungen deutlich
steigern: 30 Prozent mehr Substanz am Wirkort, 80 Prozent
weniger im System.
Glucocorticoide sind keine Notfallmedikamente, stellte
Rohdewald klar. Ziel der Asthmatherapie sei nicht die
Behandlung des Anfalls, sondern seine Verhinderung durch
Unterbinden des zugrundeliegenden Entzündungsprozesses.
Durch Wechselwirkung des Glucocorticoid-Rezeptorkomplexes
mit der DNA oder Transkriptionsfaktoren bewirken sie
einen Produktionsstop von Entzündungsmediatoren wie
Prostaglandinen, Leukotrienen, Interleukinen, PAF oder
Stickoxid. Gleichzeitig induzieren sie die Synthese einer
Endonuclease, die zum Absterben von Entzündungszellen
führt. Darüber hinaus verstärken Glucocorticoide die
Wirkung ß-adrenerger Wirkstoffe, indem sie die Bildung
ß-adrenerger Rezeptoren anregen. Weitere Effekte seien
eine verminderte Schleimsekretion der Becherzellen, eine
Blockade der Freisetzung von Entzündungsmediatoren aus
dem Endothel und damit eine Normalisierung des
Bronchialepithels sowie eine Reduktion der Einwanderung
von Eosinophilen.
"Diese Vorgänge brauchen Zeit", gab Rohdewald
zu bedenken. Viel wichtiger als eine Sofortwirkung sei
die Unterbrechung des Circulus vitiosus beim
allergisch-entzündlichen Asthma durch die
Glucocorticoide. Die Chance zur Besserung des Asthams sei
umso größer, je früher die Therapie beginne - wenn
nötig, bereits im Kindesalter.
Die antiinflammatorische Wirksamkeit von
Cromoglicat-Inhalaten (Dinatriumcromoglicat,
Dinatriumneocromilat) sei den inhalativen
Glucocorticoiden weit unterlegen, so Rohdewald weiter.
Die insbesondere bei mildem Asthma eingesetzten
Substanzen schützen durch Hemmung der
Granulozytenaktivierung und Stabilisierung der
Mastzellmembran vor Bronchokonstriktion, zur
Akutbehandlung eines Anfalls sind auch sie nicht
geeignet. Der Wert eines frühzeitigen Einsatzes bei
Kindern sei fraglich, so der Referent. Die seit einiger
Zeit auch für Theophyllin postulierte antientzündliche
Wirkung sei im Vergleich zu dessen spasmolytischen
Effekten eher vernachlässigbar und den inhalativen
Glucocorticoiden ebenfalls deutlich unterlegen. Darüber
hinaus bereite die geringe therapeutische Breite des
ausschließlich systemisch anwendbaren Broncholytikums
oft Schwierigkeiten.
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Davos
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