Personalisierung der Therapie schreitet voran |
Annette Rößler |
02.06.2021 13:14 Uhr |
Typische Beschwerden bei Angina pectoris sind Schmerzen und Engegefühl in der Brust bei Anstrengung. Doch auch Schmerzen im Hals, in der Schulter oder im Kiefer können Anzeichen sein. / Foto: Adobe Stock/RFBSIP
Eine neue Leitlinie der europäischen Fachgesellschaft der Kardiologen (ESC) prägte 2019 erstmals den Begriff »chronisches Koronarsyndrom« für die stabile KHK. Welche inhaltlichen Neuerungen die Leitlinie enthielt, fasste Professor Dr. Dietmar Trenk vom Herzzentrum Bad Krozingen bei seinem Vortrag im Rahmen des Online-Fortbildungskongresses Pharmacon@home zusammen.
Bei Patienten mit KHK sind die Koronargefäße des Herzens infolge einer Atherosklerose verengt. Bei Belastung beziehungsweise in fortgeschrittenem Erkrankungsstadium auch schon in Ruhe reicht die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels nicht aus und der Patient erlebt meist die typischen Beschwerden einer Angina pectoris: Engegefühl im (linken) Brustkorb, das in den linken Arm ausstrahlt, sich aber bei Ruhe innerhalb von fünf Minuten bessert. »Nicht vergessen werden darf, dass auch Schmerzen im Bereich von Hals, Kiefer, Schulter oder Arm Anzeichen einer Angina pectoris sein können«, betonte Trenk.
Problematisch an einer KHK sind einerseits die eingeschränkte körperliche Belastbarkeit des Patienten und andererseits das Risiko für thromboembolische Komplikationen, die infolge einer Plaqueruptur drohen. Da die Atherosklerose meist lebensstilbedingt ist, soll der Patient zu einer gesünderen Lebensweise motiviert werden – Raucherentwöhnung, Ernährungsumstellung und Bewegung lauten die Stichworte. Zusätzlich dazu erfolgt eine antiischämische, antithrombotische und lipidsenkende Pharmakotherapie.
»Medikamentöse Therapien müssen dabei den Vorlieben und Merkmalen des Patienten angepasst werden«, nannte Trenk einen Grundsatz der Leitlinie. Die Standardtherapie bestehe aus einem oder zwei Antianginosa sowie zusätzlichen Medikamenten zur Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Antiischämische Mittel der ersten Wahl seien Betablocker und/oder Calciumantagonisten sowie zur unmittelbaren Linderung von Angina-pectoris-Anfällen kurz wirksame Nitrate. ACE-Hemmer seien bei reiner KHK nur Mittel der zweiten oder dritten Wahl, würden aber bei Begleiterkrankungen wie Herzinsuffizienz, Bluthochdruck oder Diabetes empfohlen.
»Zur antithrombotischen Therapie ist ASS mit 75 bis 100 mg täglich in der Sekundärprävention gesetzt«, sagte Trenk. Bei ASS-Unverträglichkeit stelle Clopidogrel 75 mg einmal täglich eine Alternative dar. Die duale Plättchenhemmung, also die Kombination von ASS mit einem P2Y12-Antagonisten wie Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor habe sich in mehreren Metaanalysen in der Sekundärprävention als vorteilhaft in Bezug auf kardiovaskuläre Todesfälle, Herzinfarkte und Schlaganfälle erwiesen. »Wir erkaufen uns diesen Vorteil aber durch vermehrte Blutungen«, sagte Trenk.
Bezogen auf die Gesamtmortaliät stehe somit unter dem Strich kein Vorteil, sondern ein neutraler Effekt einer verlängerten dualen Plättchenhemmung. »Bei der Entscheidung über Intensität und Dauer der antithrombotischen Therapie müssen daher das ischämische Risiko und das Blutungsrisiko bei jedem Patienten individuell gegeneinander abgewogen werden«, betonte Trenk. Um das Risiko für gastrointestinale Blutungen zu senken, gebe es bei entsprechend disponierten Patienten eine 1A-Empfehlung für den Einsatz von Protonenpumpenhemmern.
Professor Dr. Dietmar Trenk ist gerne und häufig gesehener Referent der Pharmacon-Kongresse. / Foto: PZ/Alois Müller
Eine mögliche Alternative sei eventuell, statt eines P2Y12-Antagonisten einen niedrig dosierten direkten Faktor-Xa-Inhibitor zu ASS hinzuzunehmen. Dies habe die COMPASS-Studie gezeigt, in der Rivaroxaban in der Dosierung zweimal täglich 2,5 mg zusammen mit ASS sowohl bezüglich der ischämischen Ereignisse als auch im Endpunkt Gesamtmortalität besser abgeschnitten habe als ASS allein (»New England Journal of Medicine« 2017, DOI: 10.1056/NEJMoa1709118). Allerdings waren auch hier die Blutungen unter der Kombination erhöht. »Das ist ein interessantes Konzept, das aber in der Breite noch nicht viel eingesetzt wird, weil es bislang nur eine Studie gibt«, berichtete Trenk.
Die dritte Säule der Pharmakotherapie bei KHK ist die Lipidsenkung. Hier gebe es jetzt stringentere Zielwerte für das LDL-Cholesterol. Die Basis-Statintherapie soll laut Leitlinie bei Nicht-Erreichen des Zielwerts zunächst mit Ezetimib und dann auch mit einem PCSK9-Inhibitor eskaliert werden.