PCOS erhöht Risiko für Typ-2-Diabetes |
Carolin Lang |
18.06.2021 14:00 Uhr |
PCOS ist durch einen leichten Überschuss an männlichen Hormonen charakterisiert. / Foto: Adobe Stock/Peakstock
»Eine von sieben Frauen im gebärfähigen Alter leidet an einem PCOS«, leitete Dr. Susanne Reger-Tan bei der gemeinsamen Online-Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) ihren Vortrag ein. Das Krankheitsbild ist durch einen leichten Überschuss an männlichen Hormonen charakterisiert. »Der Überschuss ist nur marginal, aber ausreichend, um deutliche Veränderungen herbeizuführen«, erklärte die Leiterin des Diabeteszentrums Diabetologikum des Universitätsklinikums Essen.
Diese Veränderungen zeigen sich nicht nur äußerlich durch eine »Vermännlichung«, sondern auch innerlich, da die Dysbalance der Geschlechtshormone zu Zyklusstörungen, einem selteneren Eisprung und folglich zu einem unerfüllten Kinderwunsch führen kann. Der Leidensdruck der Patientinnen sei häufig sehr hoch, so Reger-Tan. Darüber hinaus ist auch der Stoffwechsel betroffen, denn ein weiteres Charakteristikum des PCOS ist eine Insulinresistenz.
Als Folge leiden Frauen häufig an starkem hartnäckigen Übergewicht. »Da die Körperzellen träge auf Insulin reagieren, schüttet die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin aus und es kommt zu einer Hyperinsulinämie«, erklärte die Ärztin. Der Überschuss an Insulin im Blut stimuliert wiederum eine weitere Gewichtszunahme und verstärkt außerdem den Überschuss männlicher Hormone. »Das PCOS aggraviert sich mit der Insulinresistenz in einem Teufelskreis«. Sie räumte aber auch mit einem Vorurteil auf: »Es gibt auch schlanke Frauen mit PCOS.«
Betroffenen droht als Folge eine metabolische Erkrankung. Laut Reger-Tan ist das Risiko für Typ-2-Diabetes vierfach höher als bei gesunden gleichaltrigen Frauen. Das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes sei doppelt so hoch. Auch das Risiko für andere Schwangerschaftskomplikationen wie eine Schwangerschaftshypertonie oder Präeklampsie sei erhöht.
»Wir müssen uns als Ärzte dieses Risikos bewusst sein. Denn die Frauen kommen meist mit anderen Beschwerden zu uns. Zur Erstdiagnose gehört eine konsequente Diabetes-Diagnostik. Im Verlauf der Jahre sollten wir das Risiko reevaluieren«, betonte Reger-Tan.
Die Therapie sollte individuell angepasst und Beschwerde-orientiert sein und mögliche metabolische Komplikationen berücksichtigen, riet die Expertin. Hier gebe es neben der Optimierung der Lebensgewohnheiten mehrere medikamentöse Optionen:
»Für die PCOS gibt es leider keine einzige zugelassene Therapie. Alles, was wir einsetzen, befindet sich im Off-label-Use«, bedauerte Reger-Tan.
Metformin verbessere bei PCOS nicht nur die Insulinresistenz, sondern auch direkt die Androgenspiegel und erhöhe außerdem die Eisprungrate. Es werde bei Kinderwunsch vor allem für normal- bis leicht übergewichtige Frauen empfohlen. Für GLP-1-Rezeptor-Agonisten ist die antidiabetische und gewichtsreduzierende Wirkung bekannt. In kleineren Studien sei für einen Kandidaten außerdem nachgewiesen worden, dass dieser den Androgenspiegel senken und die Eisprungrate steigern könne. Für SGLT-2-Inhibitoren wurde in einer Studie gezeigt, dass der Körperfettanteil günstiger beeinflusst wird als unter Metformin.
»Die Erkrankung ist häufig, komplex und komplex zu behandeln«, fasste Reger-Tan zusammen. Zur Verbesserung der Versorgungsqualität will die DGE gemeinsam mit der DDG und anderen Fachgesellschaften eine nationale S3-Therapieleitlinie zu PCOS entwickeln.
Einen Facharzt für PCOS gibt es nicht. Reger-Tan rät Patientinnen daher, »einen Arzt aufzusuchen, der sich mit dem Krankheitsbild viel beschäftigt. Das kann ein Gynäkologe, Endokrinologe, Diabetologe oder auch ein Hausarzt sein.«
Über die PCOS Selbsthilfe Deutschland können Patientinnen außerdem Selbsthilfegruppen in verschiedenen Bundesländern ausfindig machen.