Parodontitis und Diabetes sind eng verzahnt |
Sven Siebenand |
14.11.2019 17:00 Uhr |
Diabetiker sollten Zähne und Zahnfleisch besonders gut pflegen. Neben gründlichem Zähneputzen macht es Sinn, die Zahnzwischenräume täglich zu reinigen. Das trägt dazu bei, Entzündungen des Zahnfleisches zu verhindern, aus denen sich langfristig eine Parodontitis entwickeln kann. Soweit sollten es Diabetiker - auch mit Blick auf den Blutzucker - gar nicht erst kommen lassen. / Foto: Adobe Stock/L.S.
Diabetiker erkranken dreimal so häufig an einer Parodontitis, also einer Entzündung des zahntragenden Gewebes, wie Nicht-Diabetiker. Darüber informiert Professor Dr. Peter Eickholz von der Universität Frankfurt am Main in einer Pressemeldung der Initiative proDente. Erhöhte Blutzuckerwerte begünstigen Entzündungen. So kann eine Parodontitis leichter entstehen, stärker ausgeprägt sein und schneller voranschreiten.
Eine in »Diabetes Care« veröffentlichte Studie zeigte, dass Diabetiker mit einem HbA1c-Wert über 7 Prozent in fünf Jahren einen doppelt so hohen Verlust des Zahnhalteapparats (Parodontium) aufwiesen und doppelt so viele Zähne verloren wie Kontrollprobanden ohne Diabetes oder gut eingestellte Diabetiker. Durchblutungsstörungen können zudem zu einer schlechteren Immunabwehr und Wundheilung führen, sodass eine Parodontitis-Therapie bei schlecht eingestelltem Zucker nicht so gut anschlägt. Ist der Blutzuckerspiegel hingegen gut eingestellt, sinkt das Risiko für eine Parodontitis von Diabetikern auf das von Nicht-Diabetikern.
Umgekehrt kann eine unbehandelte Parodontitis die Insulinresistenz bei Diabetes fördern. Gelangen die Bakterien aus den Zahnfleischtaschen in den Körper – dies passiert bei unbehandelten Fällen schwerer Parodontitis regelmäßig – können sie auch dort Entzündungen auslösen. Das blockiert die Insulinrezeptoren. Zucker aus dem Blut kann nicht mehr so gut in das Gewebe aufgenommen werden, was die Blutzuckereinstellung wiederum erschwert. Die hohen Blutzuckerwerte schaden den Blutgefäßen, welche die Organe versorgen. Das Risiko für Folgeerkrankungen steigt.
»Bei fortgeschrittener Parodontitis ist sowohl das makro- als auch das mikrovaskuläre Risiko von Diabetikern erhöht«, betonte Professor Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger vom Zentrum Innere Medizin Fünf Höfe in München bei der Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft vergangene Woche in Leipzig. Im Vergleich zu einem Diabetiker ohne oder mit nur leichter Parodontitis sei das Risiko für einen Tod durch ischämische Herzerkrankung oder durch Nierenerkrankungen bei einem Diabetiker mit fortgeschrittener Parodontitis um den Faktor 2,3 beziehungsweise 8,5 erhöht.
Schumm-Drager regte eine stärkere Zusammenarbeit der Fachärzte an. »Durch eine enge Kooperation zwischen Zahnärzten und Diabetologen könnten Früherkennung des Diabetes sowie Prävention und vor allem frühzeitige effektive Therapiemaßnahmen der Parodontitis möglich werden.« Die Diabetologin betonte die Bedeutung von Screening-Parametern, die früh erkennen lassen, dass ein Patient gefährdet ist, eine Parodontitis zu entwickeln. Sie informierte, dass beispielsweise Matrix-Metalloproteasen (MMP), etwa MMP-8, verstärkt im Bereich der Entzündung im Mund ausgeschüttet werden und dieses Enzym als Marker zur Früherkennung und Verlaufskontrolle einer Parodontitis geeignet ist.
Es gebe einfach anwendbare, günstige Speicheltests, die innerhalb weniger Minuten ein Ergebnis anzeigen. Das sei auch in einer Hausarztpraxis oder beim Diabetologen durchführbar und zeige die Risikokonstellation bei dem Patienten auf. Auf Basis eines solchen Tests können dann gegebenenfalls zu einer zahnärztlichen Untersuchung geraten werden. »In skandinavischen Ländern wird dieser Test bereits von der Krankenversicherung bezahlt«, informierte Schumm-Draeger.