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Wirkmechanismus

Paracetamol-Metabolit wirkt wie ein selektives Lokalanästhetikum

Paracetamol ist eines der weltweit am häufigsten eingesetzten Analgetika. Allerdings bleibt sein Wirkmechanismus umstritten. Jetzt zeigt eine neue Studie erstmals, dass der aktive Metabolit AM404 auch in peripheren sensorischen Neuronen gebildet wird und dort direkt spannungsabhängige Natriumkanäle (NaV) hemmt – insbesondere die schmerzspezifischen Subtypen NaV1.7 und NaV1.8.
Theo Dingermann
10.06.2025  13:32 Uhr

Seit Jahrzehnten wird Paracetamol zur Linderung leichter bis mäßiger Schmerzen verwendet. Allerdings ist der genaue Wirkmechanismus nach wie vor nicht abschließend geklärt. Man geht davon aus, dass der schmerzstillende Effekt zu einem nicht unerheblichen Teil in Gehirn und Rückenmark zustande kommt und hauptsächlich auf seinen Metaboliten AM404 zurückzuführen ist, der an Cannabinoidrezeptoren oder TRPV1-Kanälen in Neuronen des Zentralnervensystems (ZNS) wirkt.

In einer Arbeit, die aktuell im Fachjournal »PNAS« publiziert wurde, zeigen Forschende um Yossef Maatuf von der Hebrew University in Jerusalem, dass Paracetamol in der Leber zu 4-Aminophenol metabolisiert wird und dann in periphere Gewebe gelangt. Dort katalysiert die Fettsäureamid-Hydrolase (FAAH) auch in den peripheren sensorischen Ganglien (Trigeminusganglion und Spinalganglion) die Bildung von AM404. Dies konnten die Forschenden durch die Technik LC-MS/MS (Liquid-Chromatografie-Massenspektometrie/Massenspektometrie) an isolierten Trigeminusganglien eindeutig zeigen.

AM404 (1 µM) erzeugt einen TRPV1-vermittelten Kationen-Einstrom, jedoch im Gegensatz zu Capsaicin keine Aktionspotenziale. Stattdessen hemmt AM404 die neuronale Erregbarkeit in trigeminalen und spinalen sensorischen Neuronen konzentrations- und zeitabhängig (IC₅₀ ~4–8 nM).

In Verhaltensexperimenten konnten die Forschenden dokumentieren, dass eine lokale Injektion von AM404 in Rattenpfoten die Reaktion auf mechanische und thermische Reize effektiv hemmt. Dieser Effekt tritt nach 30 Minuten ein, erreicht nach einer Stunde das Maximum und ist lokal begrenzt.

Zielstrukturen sind vor allem die Natriumkanäle NaV1.7 und NaV1.8

Als Zielstrukturen für AM404 konnten die Forschenden die Natriumkanäle NaV1.7 und NaV1.8 identifizieren. An diesen Kanälen hemmt AM404 schnell und konzentrationsabhängig Na+-Ströme sowohl in Trigeminus- als auch Spinalganglien-Neuronen.

Diese Effekte ließen sich auch in heterologen Systemen, das heißt an Kanälen zeigen, die in Zellsystemen (ND7/23 und HEK293T) exprimiert wurden. Hier inhibiert AM404 den humanen NaV1.8-Rezeptor mit einer IC₅₀ von ~55 nM und den NaV1.7-Rezeptor mit einer IC₅₀ von ~22 nM bei −80 mV.

AM404 zeigt typische Eigenschaften eines Lokalanästhetikums (LA). Eine Mutation an der LA-Bindungsstelle (F1759A im hNaV1.8-Kanal) hebt die hemmende Wirkung von AM404 vollständig auf. Hingegen zeigen Paracetamol selbst, 4-Aminophenol und der toxische Paracetamol-Metabolit N-Acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI) keine oder gegenteilige Effekte an den NaV1.7/1.8-Kanälen und dies auch nur bei deutlich höheren Konzentrationen im mM-Bereich. Somit ist AM404 der einzige Metabolit mit spezifischer Hemmung dieser beiden Zielkanäle im nanomolaren Bereich.

Die Studie liefert überzeugende Belege dafür, dass der bekannte aktive Metabolit von Paracetamol AM404 peripher gebildet wird und dort durch direkte, selektive Hemmung schmerzspezifischer Natriumkanäle wirkt. Der Effekt ist mechanistisch vergleichbar mit Lokalanästhetika, zeigt jedoch eine höhere Selektivität. AM404 besitzt Potenzial als schmerzselektives, peripher wirkendes Analgetikum, möglicherweise mit nur wenigen zentralnervösen Nebenwirkungen.

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