Palmer: Apotheken werden »kaputtgespart« |
| Alexander Müller |
| 14.11.2025 09:24 Uhr |
Boris Palmer, Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, hat sich zum Apothekensterben geäußert. / © Imago/Ulmer II
In der Altstadt von Tübingen haben laut Palmer in kurzer Zeit drei Apotheken geschlossen, eine vierte stehe vor dem Aus. »Die verbliebenen Betriebe geraten zunehmend unter Druck – wirtschaftlich und personell«, so Palmer gegenüber der PZ. Der heute parteilose Oberbürgermeister war 2023 nach langem Hin und Her bei den Grünen ausgetreten. Von 2001 bis 2007 war er Mitglied des Landtags in Baden-Württemberg.
Die anhaltenden Apothekenschließungen und die wachsenden Schwierigkeiten in der Versorgung waren für den heute parteilosen Oberbürgermeister von Tübingen Anlass, sich am Donnerstag auf seiner Facebook-Seite öffentlich zu äußern. »Das Thema ist längst im Alltag der Menschen angekommen. Es ist ein weiteres Problem für unsere Innenstädte«, so Palmer zur PZ.
Auf Facebook schrieb er: »Immer mehr Apotheken stehen vor dem Aus – und das ist brandgefährlich für uns alle.« Seit vielen Jahren hätten Apotheken keine angemessenen Preisanpassungen mehr für ihre Leistungen erhalten, während gleichzeitig die Kosten für Personal, Energie, Miete und Bürokratie ständig stiegen. »Was früher mal als ›sicherer Weg zum Reichtum‹ galt, ist heute für viele Apothekerinnen und Apotheker nichts anderes als Selbstausbeutung«, so Palmer.
Viele Apotheken müssten um ihre Existenz kämpfen – und immer mehr müssten schließen, so Tübingens Oberbürgermeister mit Verweis auf die seit Jahren sinkende Apothekenzahl. »Doch eine Apotheke ist nicht einfach irgendein Laden: Sie ist Teil der kritischen Infrastruktur, sorgt für Arzneimittelversorgung, Beratung, Notdienste und schnelle Hilfe im Ernstfall«, führt Palmer weiter aus.
Sein klarer Appell an die Regierung: »Wenn der Bundesgesetzgeber jetzt nicht endlich reagiert und die Vergütung der Apotheken an die Realität anpasst, drohen massive Versorgungslücken, längere Wege für Patientinnen und Patienten und Leerstände in unseren Städten. Das können wir uns nicht leisten – nicht gesundheitlich und nicht gesellschaftlich.« Und Palmer schließt seinen Beitrag mit: »Apotheken brauchen endlich faire Rahmenbedingungen. Für eine sichere Versorgung. Für unsere Städte. Für uns alle.«
Gegenüber der PZ konkretisierte Palmer seine Forderungen an die Regierung: »Die Grundvergütung anheben, Bürokratie reduzieren, klare Regeln bei Lieferengpässen schaffen und strukturschwache Standorte gezielt stabilisieren.« Denn die Vor-Ort-Apotheken sicherten die schnelle Arzneimittelversorgung, Beratung und Notdienste, gerade für ältere Menschen. Das werde aber durch wirtschaftliche Unterfinanzierung, Bürokratie und Lieferengpässe gefährdet.
Die Reformpläne von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) enthalten aus Palmers Sicht »sinnvolle Ansätze«, gingen aber am Kernproblem vorbei: »Ohne eine bessere finanzielle Basis (Packungshonorar) werden weitere Apotheken schließen. Es ist offensichtlich, dass man nicht ewig mit den gleichen Einnahmen die steigenden Ausgaben bezahlen kann. Hier wird kaputt gespart«, so Palmer.
Tatsächlich sind drei Schließungen für eine Stadt wie Tübingen mit gut 90.000 Einwohnern im Bundesschnitt verhältnismäßig viel. Palmer wurde als Oberbürgermeister vorgeworfen, mit seinem Konzept der autofreien Innenstadt als OB selbst dazu beigetragen zu haben, dass der Einzelhandel leidet. Studien zeigen allerdings, dass es keinen direkten Zusammenhang gibt, sondern die Umsätze im Gegenteil eher steigen, wenn mehr Fußgänger und Radfahrer unterwegs sind. Und: Die Region ist insgesamt stark vom Apothekensterben betroffen. So hat die Stadt Esslingen bundesweit mit den höchsten Rückgang an Apotheken zu verzeichnen.