Overwiening seziert Honorarpläne |
Alexander Müller |
31.01.2024 13:30 Uhr |
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und die Berliner Apothekerin Anike Oleski (r.) diskutierten beim BMC-Kongress über Lauterbachs Apothekenreformpläne. / Foto: ABDA
Im Dezember hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die überarbeiteten »Eckpunkte für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform« vorgestellt. Geplant ist unter anderem eine Umverteilung beim Apothekenhonorar: Der variable Zuschlag von derzeit 3 Prozent soll in zwei Schritten gesenkt werden: 2025 auf 2,5 Prozent und 2026 auf 2 Prozent. Das Fixum von derzeit 8,35 Euro soll analog und kostenneutral erhöht werden.
Konkrete Zahlen zur Anpassung des Fixhonorars standen im Eckpunktepapier nicht, die ABDA hat den Wert anhand der Verordnungsdaten selbst berechnet und dem Ministerium mitgeteilt. Demnach müsste das Fixum im ersten Jahr um 30 Cent auf 8,65 Euro erhöht werden und 2026 um weitere 33 Cent auf 8,98 Euro. Darin eingepreist sind die zu erwartenden Preissteigerungen bei Arzneimitteln, an denen die Apotheken nach der Umstellung noch weniger partizipieren würden.
Overwiening betonte erneut, dass die Apotheken heute weitestgehend abgekoppelt seien von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, von Inflation, dem Bruttoinlandsprodukt oder der Grundlohnsumme. Mit der vorgesehenen Kürzung des prozentualen Anteils würden die Apotheke noch weiter abgehängt. »Das hat nichts mit Umverteilung zu tun, sondern es werden alle Apotheken unter einer isolierten Änderung des Aufschlags leiden«, so Overwiening.
Besonders stark betroffen wären Apotheken, die viele hochpreisige Arzneimittel abgeben. Die Berliner Apothekerin Anike Oleski gehört dazu. Die Inhaberin der Medios-Apotheken in Berlin beschäftigt an vier Standorten insgesamt mehr als 200 Mitarbeiter und hat einen Fokus auf die Spezialversorgung gelegt. Weil in diesem Bereich teilweise Jahrestherapiekosten von einer Million Euro für einen Patienten anfallen, ist die Vorfinanzierung für Oleski ein zentrales betriebswirtschaftliches Thema. »Je weniger Marge da drin ist, umso schwieriger wird es«, so die Apothekerin. Schon heute subventioniere sie Bereiche, von denen sie persönlich überzeugt sei, die sich aber eigentlich nicht lohnten.
Immerhin sollen die Apotheken künftig direkt mit den Krankenkassen über ihr Honorar verhandeln, das dann ab 2027 gelten soll. Dabei sollen laut Eckpunkten die Versorgungssituation in der Fläche, der Verbraucherpreisindex und die Grundlohnsumme berücksichtigt werden.
Overwiening sind diese Formulierungen nicht konkret genug. »Wenn das in einem verlässlichen Rahmen stattfindet, wäre das sicher eine Weiterentwicklung. Aber so wie es heute in den Eckpunkten steht, ist es für die Apotheken fatal«, so die ABDA-Präsidentin. Entscheidend sei, von welchem Ausgangswert aus verhandelt werde, dass es eine verbindliche Schiedsstelle gebe und dass das ausgehandelte Ergebnis auch für die PKV gelte.
»Da ist viel Musik drin, wenn das gut ausgearbeitet wird, allerdings brauchen wir dafür sicherlich kein Gutachten und 2027 ist zu spät«, so Overwienings klare Botschaft. Mit der vom Ministerium geplanten Umstellung sei den Apotheken jetzt nicht geholfen. »Wir brauchen aber heute die Stabilisierung«, so Overwiening.
Lauterbachs Eckpunktepapier sieht zudem eine Senkung des Kassenabschlags von 2 Euro auf 1,77 Euro vor. Allerdings entspricht das der Rücknahme der ohnehin der gesetzlich begrenzten Erhöhung. »Eine Meldung wäre es gewesen: Wir ziehen das vor und nehmen die Erhöhung zurück«, bemerkte Overwiening.
Mehrfach habe sie Minister Lauterbach in ihre Apotheke eingeladen. Doch der habe immer wieder abgesagt mit dem Argument, er wisse genau, wie es in der Apotheke abläuft. »Wenn wir aber die Eckpunkte sehen und viele seiner Äußerungen nehmen, entsteht der Eindruck, dass der Apothekenalltag, der Versorgungsalltag ihm überhaupt nicht bekannt ist«, so Overwiening.
Sie erwartet vom Minister mehr Wertschätzung. Dazu gehöre zuzuhören, zu reflektieren und umzusetzen – und ebenso eine adäquate Honorierung. »Wir werden heute so honoriert wie vor 20 Jahren«, stellte Overwiening klar. Die ABDA hatte ausgerechnet und gefordert, dass das Honorar eigentlich auf 12 Euro pro Packung steigen müsste.
Minister Lauterbach gelinge es, die Gefährdung der Arzneimittelversorgung in wunderbare Worte zu packen, kritisierte Overwiening. So gebe es in den Eckpunkten die Überschrift Telepharmazie: »Wir wollen alle innovativ sein und die Apotheke von morgen mitgestalten«, stellte Overwiening klar. Doch unter der Überschrift verberge sich, dass es Apotheken ohne Apothekerin und Apotheker geben kann. »Was hat das mit Telepharmazie zu tun?«
Apothekerin Oleski, Vorständin der Denkfabrik Apotheke, hält Lauterbachs Plan auch nicht für praktikabel. Die Idee, dass PTA alleine in der Apotheke sind und bei Bedarf einen Approbierten digital zuschalten, scheitere schon am Fachkräftemangel. PTA seien aktuell noch schwieriger zu finden als Apothekerinnen und Apotheker.
Oleski hat eigene Vorstellungen, Telemedizin in der Offizin einzubinden. Beispielsweise könnten Apotheken Urintests durchführen und bei Verdacht auf eine Blasenentzündung einen Arzt digital dazu holen, der dann das Antibiotikum verordnet. Damit ließen sich die Notfallambulanzen entlasten. Insgesamt stellte sich in der Diskussionsrunde beim BMC-Kongress heraus, dass mehr Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen im Sinne der Versorgung ist.