Ortsgenaue Aktivierung hoch toxischer Zytostatika |
Theo Dingermann |
23.01.2024 14:00 Uhr |
Der Chemiker Dr. Johannes Karges hat sich auf die medizinische Anwendung von Metallkomplexen spezialisiert. / Foto: Karges | Copyright: Katja Marquard / Ruhr-Universität Bochum)
Der Stiftungsrat der Paul-Ehrlich-Stiftung hat bekannt gegeben, dass der 31-jährige Chemiker Dr. Johannes Karges von der Ruhr-Universität Bochum in diesem Jahr den renommierten Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Nachwuchspreis erhält. Damit zeichnet das Gremium ein pharmazeutisches Konzept aus, mit dem sich toxische Platin-haltige Chemotherapeutika erst vor Ort im Tumorgewebe aktivieren lassen.
Cisplatin haltige Chemotherapeutika stellen eine wichtige Option bei der Behandlung unterschiedlicher Tumorerkrankungen dar. Ihr Einsatz ist im Rahmen der Therapie von Tumorerkrankungen unverzichtbar, obwohl die Therapie die Patienten erheblich belastet. Übelkeit und Erbrechen sowie die starken immunsupprimierenden Eigenschaften begleiten eine Therapie mit diesen Chemotherapeutika.
Diese Probleme könnten reduziert werden, wenn es gelänge, die systemische Belastung mit diesen hoch toxischen Verbindungen zu verringern und gleichzeitig die Anreicherung der Wirkstoffe am eigentlichen Wirkort zu steigern.
Hier setzt das Forschungskonzept an, für das Karges jetzt vom Stiftungsrat der Paul-Ehrlich-Stiftung mit dem Paul Ehrlich-und-Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2024 ausgezeichnet wird. In Kooperation mit seinem chinesischen Forschungspartner Professor Dr. Haihua Xiao formulierte Karges die Wirkstoffe zu Nanopartikeln. Die Platin-Nanopartikeln reichern sich vor allem im Tumorgewebe an, das wegen der hohen Teilungsgeschwindigkeit einen eher lockeren Gewebeverband bildet.
Die Nanopartikel sind zudem mit Schaltern in Form von Photo- oder Sonosensibilisatoren ausgestattet, die durch externe Signale aktiviert werden können. Durch die Anregungsenergie, die durch Licht oder Schall bereitgestellt wird, wird in Gegenwart von Ascorbinsäure eine Redoxreaktion initiiert, durch die dann die Prodrugs vor Ort »gezündet« werden.
Ihre in Zellkulturen gewonnenen Erkenntnisse konnten Karges und Xiao in Versuchen mit Mäusen eindrucksvoll bestätigen. In beiden beschriebenen Fällen verschwanden die Tumore der Tiere, denen die Nanopartikel injiziert worden waren, nach externer Bestrahlung mit Rotlicht oder mit Ultraschall innerhalb kurzer Zeit fast vollständig. »Ihre Translation in die klinische Praxis könnte die gravierenden Nebenwirkungen dieser weltweit am häufigsten eingesetzten Krebsmedikamente drastisch verringern und ihre Wirksamkeit deutlich erhöhen«, heißt es in einer Pressemitteilung zur Bekanntgabe des Preisträgers.