Orphan Drugs dominieren neue Medikamente |
Daniela Hüttemann |
17.12.2024 12:30 Uhr |
Ungewöhnlich sei an diesem Jahrgang, dass 30 Arzneistoffe (70 Prozent) ganz oder teilweise chemisch-synthetisch hergestellt werden, so der vfa. / © Getty Images/Bet_Noire
Dem Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) zufolge sind in diesem Jahr 43 Medikamente mit neuem Wirkstoff auf den Markt gekommen. Im Vorjahr waren es nur 30 gewesen. Zudem erhielten 22 bereits länger verfügbare Arzneimittel eine Zulassungserweiterung, vor allem im onkologischen Bereich.
Auch bei den Neulingen liegen Krebsmedikamente auf Platz eins. Zwölf Präparate zählen zum Bereich Onkologie, darunter sechs neue Kinasehemmer. Mit Capivasertib (Truqap®) ist darunter ein Brustkrebsmittel mit neuem Target, da der Arzneistoff selektiv die AKT-Kinase hemmt.
Auf Platz zwei folgen zehn Medikamente gegen immunologische Erkrankungen, auf Platz drei solche gegen Infektionskrankheiten. Hier sind zwei neue Antibiotika-Präparate dabei: Meropenem-Vaborbactam (Vaborem®) und Cefepim-Enmetazobactam (Exblifep®). »Um auf Dauer mit der Verbreitung neuer Resistenzen Schritt zu halten, sind zwei neue Antibiotika pro Jahr nicht genug«, kommentiert vfa-Chef Han Steutel. »Deshalb ist zu hoffen, dass sich die EU in ihrer Pharmagesetzgebung 2025 dazu entschließen kann, Anreize für die Entwicklung von mehr neuen Antibiotika zu setzen.«
Für die Beratung besonders relevant sein könnten unter anderem Fezolinetant (Veoza™) zur Behandlung von Hitzewallungen im Zuge der Wechseljahre, Insulin icodec (Awiqli®), das erste nur einmal wöchentlich zu spritzende Basalinsulin, Delgocitinib (Anzupgo®) bei chronischem Handekzem, Vibegron (Obgemsa®) zur Behandlung einer überaktiven Blase und Etrasimod (Velsipity®) bei Colitis ulcerosa.
27 der neuen Medikamente und damit 63 Prozent decken dagegen seltene Erkrankungen ab und zählen damit zu den Orphan Drugs, darunter gleich drei neue Arzneistoffe gegen die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie.
Ungewöhnlich sei an diesem Jahrgang, dass 30 Arzneistoffe (70 Prozent) ganz oder teilweise chemisch-synthetisch hergestellt werden, bemerkt der vfa. 2022 und 2023 seien es nur 41 Prozent beziehungsweise 33 Prozent gewesen. »Daran sieht man, dass auch die Chemie weiter große Bedeutung für Arzneimittelinnovationen hat«, meint der vfa-Vorsitzende. Die anderen 13 neuen Medikamente (28 Prozent) enthielten gentechnisch hergestellte Protein-Wirkstoffe. Gen- oder Zelltherapien kamen 2024 keine dazu. Der vfa rechnet hier jedoch mit neuen Produkten im kommenden Jahr.
Nur bei einem der 43 neuen Medikamente sei der Wirkstoff unter Beteiligung deutscher Labore entwickelt worden, so der vfa. Deutsche Krankenhäuser oder Arztpraxen waren dagegen an der Erprobung von 31 Medikamenten (72 Prozent) in klinischen Studien beteiligt. »Doch mit dieser Quote sollte sich Deutschland künftig nicht zufriedengeben«, kommentiert Steutel. »Es sollte seine Attraktivität für klinische Studien wieder so steigern, dass Unternehmen bei möglichst vielen ihrer Medikamente hiesige medizinische Einrichtungen einbeziehen – es sei denn, es ginge um Tropenkrankheiten.« Mit dem Medizinforschungsgesetz habe die Bundesregierung die Weichen dafür richtig gestellt, doch hänge nun viel davon ab, ob die nächste Regierung dieses auch vollständig umsetze.
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