Orales Antiestrogen bei Brustkrebs |
Kerstin A. Gräfe |
07.12.2023 07:00 Uhr |
Ärzte haben mit Elacestrant erstmals eine Behandlungsoption für weibliche und männliche Patienten mit Brustkrebs, deren Tumoren ESR1-Mutationen aufweisen. Diese Mutationen sind eine bekannte Ursache einer Resistenz gegen endokrine Standardtherapien. / Foto: Getty Images/BSIP/UIG
Für die Behandlung beim Estrogenrezeptor-positiven (ER+), HER2-negativen (HER2-)Mammakarzinom hat sich die Kombination aus einer endokrinen Therapie und einem CDK4/6-Inhibitor als Standard etabliert. In den meisten Fällen kommt es in diesem Setting jedoch zu einem Fortschreiten der Erkrankung, oftmals in Verbindung mit der Entwicklung von ESR1-Mutationen. Diese erworbenen Mutationen treten bei bis zu 40 Prozent der Patientinnen und Patienten mit ER+/HER2-, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs auf. Tumoren, die diese Mutationen aufweisen, waren bislang schwierig zu behandeln.
Elacestrant (Orserdu® 86 mg/345 mg Filmtabletten, Stemline Therapeutics) ist indiziert zur Behandlung von postmenopausalen Frauen und Männern mit ER+/HER2-, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs mit einer aktivierenden ESR1-Mutation, bei denen die Krankheit nach mindestens einer endokrinen Therapielinie einschließlich eines CDK4/6-Inhibitors fortgeschritten ist.
Der neue Wirkstoff ist ein selektiver Estrogenrezeptor-α-Antagonist (ERα-Antagonist) und gehört wie Fulvestrant zur Gruppe der selektiven Estrogenrezeptor-Degrader (SERD). Während Fulvestrant injiziert werden muss, kann Elacestrant oral eingenommen werden. SERD binden kompetitiv an den Estrogenrezeptor, verhindern dadurch die Bindung des natürlichen Liganden und somit die anschließende Signalübertragung. Zudem bewirkt das Andocken, dass die Rezeptordichte herunterreguliert wird. Summa summarum wird das Wachstum ERα-positiver Brustkrebszellen gehemmt.
Orserdu wird einmal täglich verabreicht. Die empfohlene Dosis beträgt 345 mg. Sie muss bei Patienten mit mittelschwerer Leberfunktionsstörung (ChildPugh B) auf 258 mg reduziert werden; bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung wird die Einnahme nicht empfohlen. Die Tabletten sollten zusammen mit einer leichten Mahlzeit eingenommen werden, auch um Übelkeit und Erbrechen zu verhindern. Grundsätzlich sollte die Behandlung so lange fortgesetzt werden, wie ein klinischer Nutzen festzustellen ist oder bis eine nicht akzeptable Toxizität auftritt.
Elacestrant wird hauptsächlich über CYP3A4 verstoffwechselt. Die gleichzeitige Einnahme mit starken oder moderaten Inhibitoren oder Induktoren dieses Enzyms ist zu vermeiden. Lässt sich eine solche Komedikation nicht umgehen, muss die Dosis von Elacestrant angepasst werden. Zudem ist der neue Wirkstoff ein Substrat des organischen Anionen-Transport-Polypeptids 2B1 (OATP2B1). Vorsicht ist geboten bei gleichzeitiger Gabe mit OATP2B1-Hemmern.
Orserdu darf während der Schwangerschaft oder bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht angewendet werden. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und für eine Woche nach der letzten Dosis eine wirksame Empfängnisverhütung anwenden. Frauen in der Stillzeit sollte geraten werden, während der Behandlung und für die Dauer von einer Woche nach der letzten Dosis nicht zu stillen.
Die Zulassung basiert auf den Daten der Phase-III-Studie EMERALD. In der offenen, aktiv-kontrollierten Studie erhielten 478 Patienten randomisiert entweder täglich 345 mg Elacestrant oder eine Standardbehandlung (SoC), das heißt eine endokrine Monotherapie nach Wahl des Prüfarztes. Unter den Teilnehmenden wiesen 228 Patienten (47,7 Prozent) bei Studienbeginn eine ESR1-Mutation auf (115 dieser Patienten wurden zu Elacestrant und 113 Patienten zur SoC randomisiert). Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS) in der gesamten Patientenpopulation und bei Patienten mit ESR1-Mutationen.
Elacestrant erzielte in beiden Gruppen einen statistisch signifikanten Vorteil: Bezogen auf die Gesamtpopulation zeigte sich unter Elacestrant ein PFS von 2,8 Monaten in der Orserdu-Gruppe im Vergleich zu 1,9 Monaten in der SoC-Gruppe. Bei Patienten mit ESR1-Mutationen verdoppelte Elacestrant das PFS gegenüber der SoC-Gruppe (3,8 versus 1,9 Monate). Eine explorative Subgruppenanalyse ergab, dass Patienten, die zuvor mindestens zwölf Monate einen CDK4/6-Inhibitor erhalten hatten, mit Elacestrant ein vierfach höheres PFS als im Kontrollarm erreichten (8,6 versus 1,9 Monate).
Die häufigsten Nebenwirkungen (von Grad ≥ 3) waren Übelkeit, Erbrechen, Anämie, Knochenschmerzen, Rückenschmerzen und erhöhte Leberwerte.
Das Wirkprinzip von Elacestrant ist nicht neu. Wie Fulvestrant ist es ein SERD, ein selektiver Estrogenrezeptor-Degrader. Dennoch gibt es Gründe, Elacestrant als Schrittinnovation zu bezeichnen. Einer davon ist die orale Bioverfügbarkeit: Anders als Fulvestrant kann Elacestrant als Filmtablette eingenommen werden.
Ein zweiter Grund für die Klassifizierung als Schrittinnovation ist das zugelassene Anwendungsgebiet. Es handelt sich um die erste Behandlungsmethode speziell für Patienten mit ER+/HER2- fortgeschrittenen oder metastasierten Brusttumoren, die ESR1-Mutationen aufweisen. Riesig war der Vorteil des Neulings in der Zulassungsstudie im Vergleich zur Standardtherapie allerdings leider nicht.
Dennoch bedeutet die Markteinführung dieser neuen endokrinen Therapie einen weiteren Fortschritt bei Brustkrebs. Ab sofort ist es durchaus sinnvoll, bei Fortschreiten von metastasiertem Brustkrebs auf ESR1-Mutationen zu testen, da nun ein explizit für diese Fälle zugelassener Arzneistoff verfügbar ist. Möglicherweise kommen eines Tages auch noch andere Brustkrebsarten als Einsatzgebiet von Elacestrant hinzu.
Sven Siebenand, Chefredakteur