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Antitumortherapie

Oral nicht gleich banal

Orale Tumortherapeutika müssen durch den Gastrointestinaltrakt. Das hat Vorteile, heißt aber auch, dass Nahrungsmittel einer sicheren Therapie in die Quere kommen können. Das ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt: Oral ist nicht banal.
Carolin Lang
19.03.2024  16:00 Uhr

Beim 52. Schwarzwälder Frühjahrskongress in Villingen-Schwenningen gab Professor Dr. Hans-Peter Lipp vom Universitätsklinikum Tübingen vergangenes Wochenende eine Einführung in die Welt der oralen Krebstherapeutika. Neben unspezifisch wirkenden oralen Zytostatika wie Alkylanzien oder Antimetaboliten gehörten dazu auch die niedermolekularen, zielgerichtet wirksamen Tumortherapeutika, sogenannte »small molecule inhibitors« (SMI), legte der Fachapotheker für Klinische Pharmazie dar. Diese umfassen etwa Kinase-Inhibitoren, Immunmodulatoren oder antihormonelle Arzneistoffe .

Die zielgerichteten Therapeutika hätten im Vergleich zu den Zytostatika in der Regel eine größere therapeutischen Breite, doch seien auch hier substanzabhängig organspezifische Toxizitäten zu berücksichtigen, betonte Lipp.

Vorteile und Herausforderungen

Die orale Tumortherapie mit SMI biete den Patienten im Vergleich zur parenteralen Arzneimittelgabe mit definierten Ambulanzterminen mehr Flexibilität und ermögliche zudem eine kontinuierliche Wirkstoffexposition, führte Lipp einige Vorteile an. Auch falle durch den Verzicht auf einen venösen Zugang die Gefahr einer Katheter-assoziierten Infektion weg. Bei Nebenwirkungen könne häufig innerhalb der Substanzgruppe gewechselt werden.

Doch die Therapie bringt auch Herausforderungen mit sich: Im Vergleich zur intravenösen Gabe werde die Therapiesicherheit maßgeblich durch die Adhärenz des Patienten beeinflusst und eine Resorption über den Gastrointestinaltrakt berge ein größeres Interaktionspotenzial, etwa mit dem Essen oder Arzneimitteln, die den Magen-pH-Wert erhöhen. »Das macht die Sache gegenüber einer intravenösen Therapie natürlich unübersichtlicher«, sagte Lipp.

Mit Abirateron führte er ein Extrembeispiel für einen sogenannten positiven Nahrungseffekt an: Durch die Einnahme mit stark fetthaltiger Nahrung könne der maximale Blutspiegel (Cmax) des Antiandrogens im Vergleich zur Nüchtern-Einnahme um den Faktor 17 steigen. Ein negativer Nahrungseffekt hingegen sei beispielsweise bei Ixazomib zu beobachten, weshalb auch der Proteasom-Inhibitor nüchtern eingenommen werden sollte. »Der Nüchtern-Zustand nach einer Mahlzeit ist viel schwieriger zu prognostizieren als vor einer Mahlzeit. Deshalb bin ich in der Regel immer für die Einnahme vor der Mahlzeit«, erklärte Lipp.

Großes Interaktionspotenzial

Bei etwa 50 Prozent der inzwischen mehr als 120 oralen Antitumortherapeutika (OAT) werde die Resorption durch die Nahrung beeinflusst, spezifizierte Professor Dr. Frank Dörje vom Universitätsklinikum Erlangen in seinem Vortrag mit Fokus auf die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). 20 Prozent hätten eine pH- abhängige Löslichkeit, insbesondere betreffe dies Kinase-Inhibitoren. Um die Bioverfügbarkeit nicht zu gefährden, sei eine Kombination mit Protonenpumpenhemmern daher nach Möglichkeit zu meiden, empfahl der Fachapotheker für Klinische Pharmazie und Arzneimittelinformation. Ein »Riesenthema« für die Beratung seien auch Arzneimittelwechselwirkungen, etwa CYP-vermittelt.

All das zeigt: Der Beratungsbedarf bei oraler Antitumortherapie ist hoch. Werden die Patienten engmaschig klinisch pharmazeutisch beziehungsweise pharmakologisch betreut, erhöht dies die AMTS merklich. Das legte Dörje anhand der Ergebnisse der AMBORA-Studie dar, die 2021 im »Journal of Clinical Oncology« publiziert wurden.

Betreuung bringt‘s

In diese multizentrische Versorgungsstudie waren 202 Patientinnen und Patienten mit Neueinstellung von OAT eingeschlossen, die randomisiert entweder einer Interventions- oder Kontrollgruppe zugeteilt wurden. Die Interventionsgruppe erhielt über zwölf Wochen zusätzlich zur Routineversorgung eine intensivierte pharmazeutische Betreuung, die ein Medikamentenmanagement und eine strukturierte Patientenberatung umfasste. Primäre Endpunkte waren das Auftreten von arzneimittelbezogenen Problemen (ABP), konkret von ungelösten Medikationsfehlern und Nebenwirkungen mit Bezug zum OAT, sowie die Patientenzufriedenheit.

Die Ergebnisse waren »sehr« erfreulich, so Dörje. So konnte im betreuten Kollektiv das Auftreten von ABP »signifikant und klinisch relevant« um 34 Prozent gesenkt und die Zufriedenheit mit der Medikation um 26 Prozent erhöht werden. Das Risiko für einen kombinierten Endpunkt, der schwerwiegende Nebenwirkungen, ungeplante Hospitalisierung, Therapieabbrüche und Tod einschloss, war gegenüber der Kontrollgruppe um 52 Prozent reduziert.

»Augen auf« bei OAT

Insgesamt sei bei 73 Prozent der Patientinnen und Patienten mindestens ein Medikationsfehler aufgetreten. 36 Prozent davon hätten die orale Antitumortherapie betroffen.

Für die tägliche Praxis bedeutet das: »Augen auf beim OAT-Patienten«. Dörje ermutigte die Kollegen zur pharmazeutischen Betreuung bei oraler Antitumortherapie als pharmazeutische Dienstleistung. »Trauen Sie sich!«

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