Ohne Hormone gegen Wechseljahresbeschwerden |
Annette Rößler |
29.02.2024 07:00 Uhr |
Frau zu sein, ist nicht immer einfach und kann mit den Jahren noch beschwerlicher werden: Viele Frauen leiden während der Wechseljahre an Hitzewallungen. / Foto: Getty Images/yacobchuk
Vasomotorische Symptome (VMS), auch bekannt als Hitzewallungen, bleiben Frauen in den Wechseljahren meistens nicht erspart: Bis zu 80 Prozent aller Frauen erleben sie in diesem Lebensabschnitt. Häufige VMS, also Hitzewallungen an mindestens sechs Tagen in den vorangegangenen zwei Wochen, dauern bei der Hälfte der Frauen über sieben Jahre während der menopausalen Transition an. Insbesondere starke und häufige VMS beeinträchtigen die Lebensqualität und können die betroffenen Frauen in ihren Alltagsaktivitäten einschränken.
Zu Linderung der Beschwerden steht bislang neben kognitiver Verhaltenstherapie und pflanzlichen Arzneimitteln wie Cimicifuga racemosa oder Phytoestrogenen als wirksamste Therapieoption eine Hormonersatztherapie (HRT) zur Verfügung. Diese wollen oder können aber nicht alle betroffenen Frauen nutzen. Viele haben prinzipielle Vorbehalte oder es liegen Kontraindikationen vor, etwa ein Estrogenrezeptor-(ER-)positives Mammakarzinom in der Vorgeschichte.
Als hormonfreie Alternative ist seit Februar Fezolinetant (Veoza™ 45 mg Filmtabletten, Astellas Pharma) verfügbar. Das Präparat ist bestimmt zur Behandlung von moderaten bis schweren VMS, die mit der Menopause assoziiert sind. Die empfohlene Dosis beträgt 45 mg, also eine Filmtablette, die täglich etwa um dieselbe Zeit mit oder ohne Nahrung, unzerkaut und mit Flüssigkeit eingenommen wird.
Fezolinetant ist ein selektiver Antagonist am Neurokinin-3(NK3-)Rezeptor. Über diesen Rezeptor vermittelt das Neuropeptid Neurokinin B (NKB) seine Wirkung auf Kisspeptin/Neurokinin B/Dynorphin-(KNDy-)Neurone im Hypothalamus. Diese Neurone sind direkt an der Regulation der Körpertemperatur beteiligt. Sie hypertrophieren in der Menopause, wodurch das System der Thermoregulation überempfindlich wird. Funktioneller Gegenspieler des NKB am KNDy-Neuron ist Estrogen, dessen Einfluss in der Perimenopause schwindet. In dieser Situation wird durch die Blockade der NKB-Wirkung das Gleichgewicht der KNDy-neuronalen Aktivität wieder hergestellt.
Liegt eine mittelschwere bis schwere Störung der Leberfunktion oder eine schwere Nierenfunktionsstörung vor, wird die Anwendung von Fezolinetant nicht empfohlen. Unterbleiben soll sie zudem bei gleichzeitiger Einnahme von moderaten oder starken CYP1A2-Inhibitoren, da der Wirkstoff primär über dieses Enzym metabolisiert wird. Ein weiteres Ausschlusskriterium stellt die gleichzeitige Anwendung einer estrogenhaltigen HRT dar.
Frauen, die zur Rezidivprophylaxe eines ER-positiven Mammakarzinoms eine antiestrogene Therapie erhalten, leiden meist unter massiven VMS. Prinzipiell käme Fezolinetant aufgrund seines estrogenunabhängigen Wirkmechanismus auch für diese Patientinnen infrage. Leider war diese Patientengruppe aber von den Zulassungsstudien ausgeschlossen. Fezolinetant wird daher laut Fachinformation bei Frauen, die wegen einer estrogenabhängigen Krebserkrankung onkologisch behandelt werden, nicht empfohlen und soll nach Abschluss einer solchen Behandlung nur auf Basis einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden.
Obwohl eine Schwangerschaft bei Frauen in der Menopause nur ein äußerst seltenes Ereignis ist, fehlen die Abschnitte zu Schwangerschaft und Stillzeit in der Fachinformation nicht. Demnach ist Fezolinetant in der Schwangerschaft kontraindiziert und während der Stillzeit nicht angezeigt.
Wirksamkeit und Sicherheit von Fezolinetant wurden im SKYLIGHT-Studienprogramm untersucht. SKYLIGHT-1 und SKYLIGHT-2 waren zwei Phase-III-Studien mit identischem Design. Teilnehmerinnen waren insgesamt 1022 postmenopausale Frauen mit durchschnittlich mindestens sieben moderaten bis schweren VMS-Episoden pro Tag. Sie erhielten randomisiert und doppelblind über zwölf Wochen einmal täglich entweder 30 mg Fezolinetant, 45 mg Fezolinetant oder Placebo. Es gab vier koprimäre Wirksamkeitsendpunkte: die Veränderung der Häufigkeit und des Schweregrads moderater bis schwerer VMS von Baseline bis Woche 4 und bis Woche 12.
Fezolinetant war in der zugelassenen Dosierung von 45 mg täglich in allen primären Endpunkten trotz eines beträchtlichen Placeboeffekts signifikant überlegen: Die Häufigkeit von VMS verringerte sich von einem Ausgangswert von 11,10 Episoden pro Tag (Placebo: 11,04) um 5,79 in Woche 4 (Placebo: –3,51) beziehungsweise 6,94 in Woche 12 (Placebo: –4,43). Der mittlere Schweregrad der VMS wurde von den Probandinnen auf einer Skala von 1 bis 3 angegeben. Er reduzierte sich unter 45 mg Fezolinetant täglich von einem Ausgangswert von 2,40 (Placebo: 2,42) um 0,53 in Woche 4 (Placebo: –0,30) beziehungsweise um 0,67 in Woche 12 (Placebo: –0,42).
Die häufigsten Nebenwirkungen von Fezolinetant waren Durchfall (3,2 Prozent) und Schlaflosigkeit (3 Prozent). Häufig kam es zudem zu einem Anstieg der Leberwerte Alaninaminotransferase (ALT) und Aspartataminotransferase (AST). Als schwerste Nebenwirkung wurde ein Fall eines endometrialen Adenokarzinoms gemeldet. Allerdings ergaben transvaginale Ultraschalluntersuchungen sowie Gebärmutterbiopsien bei 304 Frauen nach 52-wöchiger Behandlung keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Endometriumkarzinome durch Fezolinetant.
Fezolinetant ist klar als Sprunginnovation zu bezeichnen. Es ist ein erster selektiver Antagonist am NK3-Rezeptor. Die Affinität zum NK3-Rezeptor ist um den Faktor 450 höher als die zum NK1- und NK2-Rezeptor. Das heißt, gegenüber NK1-Rezeptorantagonisten wie Aprepitant gibt es einen deutlichen Unterschied.
Fezolinetant sorgt dafür, dass die Wirkung des von den KNDy-Neuronen ausgeschütteten Neurokinin B herunterreguliert wird, und nimmt damit auf die in den Wechseljahren gestörte Thermoregulation im Hypothalamus Einfluss. Auch wegen dieses neuen Wirkmechanismus, der – wie die SKYLIGHT-Zulassungsstudien zeigen – funktioniert, ist Fezolinetant als Sprunginnovation einzustufen.
Hervorzuheben ist ferner, dass es sich um eine hormonfreie Therapie bei vasomotorischen Symptomen (VMS) handelt und Fezolinetant damit auch eine Option für Frauen ist, die eine Hormonersatztherapie (HRT) ablehnen oder bei denen eine HRT kontraindiziert ist. Allerdings sind Frauen, die sich einer onkologischen Behandlung gegen Brustkrebs oder andere estrogenabhängige Malignome unterziehen, nicht in die SKYLIGHT-Studien eingeschlossen worden und Veoza wird bei ihnen laut Fachinformation nicht empfohlen. Auch Frauen, bei denen eine solche Behandlung bereits abgeschlossen war, blieben in den Studien außen vor. In dieser Patientinnengruppe muss vor dem Einsatz von Fezolinetant eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung getroffen werden.
In die DAYLIGHT-Studie wurden allerdings Frauen aufgenommen, die für eine HRT nicht infrage kommen oder diese ablehnen. Auch in diesem Kollektiv konnte der Wirkstoff die VMS lindern und neue Risikosignale hinsichtlich der Sicherheit traten nicht auf.
Grundsätzlich ist positiv, dass Fezolinetant den bisherigen Untersuchungen zufolge ein gut verträglicher Arzneistoff ist. Die Leberwerte sollten die Ärzte aber stets im Blick behalten: Bei Pavinetant, einem anderen NK3-Rezeptorantagonisten, hatte man die Testung vor einigen Jahren wegen Leberanomalien eingestellt. Auch unter Fezolinetant sollte die Leberfunktion überprüft werden und die Anwendung des Arzneistoffs wird bei Frauen mit moderater oder schwerer Leberfunktionsstörung nicht empfohlen.
Ein direkter Vergleich mit der HRT fehlt bislang, wäre aber natürlich interessant, um zu beurteilen, ob Fezolinetant gegen VMS genauso gut wirkt oder sogar besser. Dass Fezolinetant die HRT komplett ablösen wird, ist eher unwahrscheinlich. Denn bestimmte positive Effekte, die mit der HRT erreicht werden, etwa hinsichtlich Knochenschutz, hat der NK3-Rezeptorantagonist nicht.
Gut möglich, dass Fezolinetant in absehbarer Zeit Konkurrenz bekommen wird. Elinzanetant wirkt ähnlich und wird unter anderem bei VMS in den Wechseljahren erprobt. Auch bei Schlafstörungen während der Menopause wird dieser Arzneistoff – anders als Fezolinetant– getestet.
Sven Siebenand, Chefredakteur