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Arzneimittelengpässe

Offene Fragen zum Critical Medicines Act

Knapp zwei Monate nach der Vorstellung des Critical Medicines Act (CMA) hat die EU-Kommission für eine Zwischenbilanz Fragen zum Gesetzentwurf beantwortet. Kommissionsvertreter betonten die Notwendigkeit fairer Bedingungen, ohne Dumping gegenüber Asien zuzulassen.
Melanie Höhn
08.05.2025  08:00 Uhr

Mitte März stellte die EU-Kommission den Gesetzesentwurf zum »Critical Medicines Act« (CMA) vor – ein Instrument zur Bekämpfung von Arzneimittelengpässen und zur Schaffung von Anreizen für die Diversifizierung der Lieferketten. 

Aus Sicht von ABDA und ZAEU (Zusammenschluss der Apotheker in der Europäischen Union) geht das Gesetz in die richtige Richtung: Es zielt auf die Ursachen von Lieferengpässen ab, indem es die europäischen Produktionskapazitäten stärkt, globale Lieferketten diversifiziert und die Abhängigkeit von Drittländern verringert. ABDA-Präsident Thomas Preis erwartet aber trotzdem keine schnelle Verbesserung der Situation.

Derzeit arbeiten das EU-Parlament und der Rat an ihren jeweiligen Standpunkten zum Verordnungsentwurf. Erst danach kann in den Trilogverhandlungen mit der Kommission ein gemeinsamer Kompromiss erarbeitet werden. Die EU-Kommission fordert nun alle relevanten Stakeholder für eine zweite Feedback-Runde auf, Verbesserungsvorschläge, Meinungen und Kritik bis zum 14. Juni 2025 abzugeben. Trotz aller Pläne bleibt unklar, wann das Gesetz final verabschiedet wird. Als Verordnung soll es unmittelbar in allen EU-Ländern gelten – ohne nationale Umsetzungspflicht.

Fragen zum Gesetz

Die EU-Kommission hat kürzlich in einer Informationsveranstaltung die wichtigsten Punkte des Gesetzes zusammengefasst und viele offene Fragen von über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern beantwortet. Besonders diskutiert wurden die befürchteten Kostensteigerungen durch strengere Vorgaben und EU-Produktion. Kommissionsvertreter betonten die Notwendigkeit fairer Bedingungen, ohne Dumping gegenüber Asien zuzulassen. Man müsse sich auf höhere Kosten bei den betroffenen Arzneimitteln einstellen, erklärte Becker. Es sei wichtig, dass bei öffentlichen Ausschreibungen oder gemeinsamen Beschaffungen ein Gleichgewicht gefunden werde zwischen dem Preis und dem öffentlichen Interesse.

Auch die Sorge kleinerer Mitgliedstaaten vor Benachteiligung bei Vorratshaltung wurde angesprochen. Nationale Bervorratung müsse proportional, transparent und solidarisch erfolgen und es dürfe anderen EU-Ländern dabei kein Schaden entstehen.

Vier Säulen des Gesetzentwurfs

Rainer Becker, der bei der Generaldirektion Gesundheit der EU-Kommission (DG SANTE) den Bereich Medizinische Produkte und Innovation leitet, sprach über die vier zentralen Säulen des Gesetzesentwurfs: Strategische Projekte, Öffentliche Beschaffung, kollaborative Beschaffung und strategische Partnerschaften.

Projekte, die Produktionskapazitäten für kritische Arzneimittel und deren Wirkstoffe sowie andere zentrale Bestandteile in der EU schaffen, erweitern oder modernisieren, sollen gezielt gefördert werden, erklärte Becker. Dafür stelle die EU mehrere Vorteile in Aussicht: beschleunigte Verwaltungsverfahren wie etwa bei Genehmigungen und Umweltprüfungen, regulatorische und wissenschaftliche Unterstützung, darunter priorisierte GMP-Inspektionen und Beratung durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) sowie erleichterten Zugang zu finanzieller Förderung.

Strategien und Programme zur öffentlichen Beschaffung

Zudem unterstütze die EU-Kommission die Mitgliedstaaten mit Leitlinien zur Ausgestaltung staatlicher Beihilfen. Eine zentrale Voraussetzung für finanzielle Unterstützung sei, dass geförderte Unternehmen die Belieferung des EU-Markts priorisieren müssen. 

Für die Beschaffung kritischer Arzneimittel wird es laut Becker verpflichtend, neben dem Preis auch weitere Zuschlagskriterien zu berücksichtigen – etwa Lagerhaltungspflichten, die Anzahl unterschiedlicher Lieferanten oder die Überwachung von Lieferketten. Öffentliche Auftraggeber müssten bei bestimmten Wirkstoffen gezielt Anbieter mit Produktionsstandorten in der EU bevorzugen. Unter bestimmten Voraussetzungen könne diese Bevorzugung auch auf andere Arzneimittel von gemeinsamem Interesse ausgeweitet werden.

Die Mitgliedstaaten seien zudem aufgefordert, eigene Strategien und Programme zur öffentlichen Beschaffung zu entwickeln. Diese sollen nicht nur Vergabeverfahren – etwa durch Mehrfachvergaben – abdecken, sondern auch mögliche Änderungen in Preisbildung und Erstattung einbeziehen. Die EU-Kommission will zur Unterstützung entsprechende Leitlinien für Beschaffungsverfahren veröffentlichen.

Auch gemeinsame Beschaffungen mehrerer EU-Staaten sollen ausgeweitet werden – in drei möglichen Varianten, jeweils koordiniert oder unterstützt von der EU-Kommission. Ziel ist es, die Nachfragen zu bündeln und die Produktion in Europa attraktiver zu machen. Internationale Partnerschaften sollen Lieferketten zusätzlich diversifizieren. Eine neue Koordinierungsgruppe der Mitgliedstaaten soll Umsetzung und Abstimmung begleiten.

Schnelle Lösung nicht in Sicht

Die deutsche Gesundheitswirtschaft begrüßt generell das Gesetz, betrachtetes jedoch lediglich als einen Baustein zur Bekämpfung der zunehmend kritischen Arzneimittelengpässe. Der Handlungsdruck ist hoch – eine schnelle Lösung scheint dennoch unrealistisch.

Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland (vfa), äußerte sich kritisch zum CMA. Der Critical Medicines Act biete zwar die Chance, die Arzneimittelversorgung in Europa strukturell zu stärken, allerdings müssten die Maßnahmen für eine breitere Grundversorgung so ausgestaltet werden, dass sie keine Kollateralschäden bei der Versorgung mit innovativen Arzneimitteln verursachen. »Und kein Hersteller wird durch neue Bürokratie leistungsfähiger«, so Steutel. Versorgungssicherheit dürfe nicht zulasten von Innovation, Wettbewerbsfähigkeit oder Standortattraktivität gehen.

Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) erklärte, dass der CMA relevante Schwachstellen der europäischen Arzneimittelversorgung adressiere. Dennoch seien Anpassungen notwendig, um sicherzustellen, dass der Verordnungsvorschlag praxisnah, innovationsfreundlich und wirtschaftlich nachhaltig umgesetzt werden kann. Nur so könne die Sicherung der Arzneimittelversorgung in Europa gestärkt und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz des pharmazeutischen Standorts EU gewährleistet werden.

Der GKV-Spitzenverband begrüßt das übergeordnete Ziel des Verordnungsvorschlags, Lieferengpässe zu verhindern und die Abhängigkeit der EU von Drittstaaten bei der Produktion von für die Versorgung besonders wichtigen Arzneimitteln zu verringern. Eine stabile, bedarfsgerechte und bezahlbare Arzneimittelversorgung sicherzustellen, sei eine gemeinsame europäische Herausforderung. Der Verordnungsvorschlag könne einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Versorgungssicherheit bei kritischen Arzneimitteln leisten, greife jedoch derzeit zu kurz. Als positiv hebt der Verband hervor, dass die Produktion durch konkrete Maßnahmen gestärkt werden soll und hierfür industriepolitische Instrumente der Standortförderung auf europäischer und nationaler Ebene vorgesehen sind. »Notwendig ist auch Transparenz über die konkret geförderten Produktionsstandorte und die vorhandenen bzw. neu geschaffenen Produktionskapazitäten. Wesentliche Voraussetzungen müssen durch die derzeit ebenfalls verhandelte Reform des europäischen Arzneimittelrechts geschaffen werden«, erklärte der Verband in einer Stellungnahme. »Es ist zu begrüßen, dass der Verordnungsvorschlag bestehende nationale Maßnahmen einbezieht und die Finanzierbarkeit der Gesundheitssysteme in der EU berücksichtigt.«

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