Nur knapp ein Viertel mit Frauen besetzt |
Cornelia Dölger |
08.03.2024 12:30 Uhr |
An der Spitze (oben, v.l.): Susanne Koch, Vorsitzende des Saarländischen Apothekervereins, Gabriele Regina Overwiening, ABDA-Präsidentin sowie Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg, Anke Rüdinger, DAV-Vize sowie Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins, (unten v.l.) Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke, Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs, Bremens Verbandschefin Christiane Lutter sowie die Berliner Kammerpräsidentin Kerstin Kemmritz. / Foto: Saarländischer Apothekerverein, AKWL, LAV Baden-Württemberg, ABDA, PZ/Daniela Hüttemann, privat, AK Berlin
Apotheken ohne Frauen – das würde bedeuten, dass die allermeisten sofort schließen müssten. Denn der Frauenanteil in den Offizinen ist beträchtlich; laut aktuellen ABDA-Zahlen lag er zuletzt bei 73,6 Prozent. Bei PTA und PKA ist er mit jeweils deutlich über 90 Prozent besonders hoch (PTA: 97,1 Prozent; PKA: 94,7 Prozent). Im Pharmaziestudium stellen Frauen fast zwei Drittel der Studierenden (2021: 65,4 Prozent laut Statista). Fast gleichauf sind Frauen und Männer inzwischen bei den Apothekenleitungen: 49,5 Prozent sind weiblich.
Bei den Spitzenpositionen der ABDA-Mitgliedsorganisationen sieht das Geschlechterverhältnis deutlich anders aus. Nur acht der insgesamt 34 höchsten Posten (Verbands- beziehungsweise Vereinsvorsitz/-präsidium sowie Kammerpräsidium) sind mit Frauen besetzt. Zu einer Parität oder sogar repräsentativen Abbildung fehlt hier noch viel. Und dennoch: Innerhalb der Standesvertretung sei eine »erfreuliche Entwicklung« wahrzunehmen, meint Anke Rüdinger, Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins sowie Vize-Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV).
Nicht nur weil Gabriele Regina Overwiening seit mehr als drei Jahren als erste Frau an der ABDA-Spitze steht, sondern auch weil Rüdinger selbst vor gut einem Jahr als erste Frau ins Amt der DAV-Vizevorsitzenden gewählt wurde, sieht sie die Standesvertretung »auf einem guten, aber langen Weg«. Auch dass Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbands (LAV) Baden-Württemberg, im April 2023 als weitere Frau in den Geschäftsführenden ABDA-Vorstand gewählt wurde, wertet Rüdinger als positives Zeichen.
Sie habe die Erfahrung gemacht, »dass Frauen andere Frauen ›nachziehen‹, indem sie vorleben, ermutigen und unterstützen«, so Rüdinger am heutigen Internationalen Frauentag zur PZ. »Das wird, aber natürlich ist noch viel Luft nach oben.«
Sie wünsche sich, dass mehr Kolleginnen Spitzenpositionen bei der ABDA besetzen. Die Herausforderungen, vor der das Gesundheitswesen allgemein und die Apothekerschaft im Speziellen stünden, könnten mit mehr weiblicher Perspektive in den Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen besser bewältigt werden, so Rüdinger. »Ich persönlich kann jede Kollegin nur ermutigen, Verantwortung zu übernehmen und sich einzumischen. Wir Frauen können das und wir sollten uns das auch mehr trauen.«
Die Gründe für die wenigen Frauen in Spitzenpositionen der Standesvertretung mögen heutzutage die gleichen sein wie seit Jahrzehnten, so Berlins Kammerpräsidentin Kerstin Kemmritz zur PZ. »Frauen haben mit der Mehrfachbelastung von Beruf und Familie schon mehr als genug zu tun.« Ein standespolitisches Ehrenamt sei dann oft erst in späteren Jahren möglich. Bis dahin gelte es zudem, »die eine oder andere ›Glasdecke‹ zu durchbrechen und mit dem einen oder anderen Vorurteil aufzuräumen«.
Dies könne allerdings nur gelingen, wenn die Frauen flexibel und gut organisiert seien und über ein stabiles Netzwerk verfügten. »Ich persönlich habe zudem das Glück, dass mir mein Mann, wo immer es geht, den Rücken frei hält«, so Kemmritz. Zwar habe sie sich ab und zu die Frage gefallen lassen müssen, wie sie es als Frau mit zwei Kindern hinbekommen wolle. »Aber am Ende hat es immer geklappt.« Wo ein Wille sei, finde sich Unterstützung. Kemmritz zeigte sich zuversichtlich, dass es »irgendwann nicht mehr besonders sein wird, ob eine Frau oder ein Mann an der Spitze einer Organisation steht«.
Auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sieht die ungleiche Rollenverteilung als eine Ursache an. »Noch immer ist es bei vielen Paaren so, dass die Kinderbetreuung und -erziehung oft Sache der Frauen ist. Mütter arbeiten deshalb deutlich häufiger in Teilzeit als Väter, und wenn das Kind krank ist, bleibt oft die Mutter zuhause.«
Es gebe viel mehr alleinerziehende Mütter als Väter. In Paaren blieben unentgeltliche Arbeiten wie Hausarbeit oder Care-Arbeit oft an den Frauen hängen. »Daher haben viele Apothekerinnen schlicht weniger Zeit, oft zu wenig, um sich in der Berufspolitik zu engagieren.« Das sei bedauerlich – »aber ich bin zuversichtlich, dass sich die Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern in den kommenden Jahren weiter angleichen wird«.
»In den Apotheken vor Ort sieht man, welch hervorragende Arbeit Frauen in allen Positionen leisten: Hochqualifiziert – ganz gleich ob PTA, PKA oder Apothekerin – stellen sie gemeinsam mit den männlichen Kollegen die Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patientinnen sicher«, so Overwiening weiter. In der Mehrheit seien es Frauen, die die Arzneimittel abgeben, beraten und das Backoffice organisieren. »Die Axt an die Apotheke vor Ort zu legen, wie es die Politik gerade versucht, bedeutet auch, die Axt an viele Tausend hochqualifizierte Frauen-Arbeitsplätze zu legen.«
Im Vorstand der Apothekerkammer Hessen ist das Geschlechterverhältnis umgekehrt. Hier dominieren seit 2020 Frauen mit fünf Positionen, nur zwei werden von Männern besetzt. Dass sich auf Bundesebene deutlich mehr Männer als Frauen berufspolitisch engagieren, liege vermutlich daran, dass Frauen durch Beruf und Familie häufig noch deutlich stärker ausgelastet seien als Männer, so Kammerpräsidentin Ursula Funke zur PZ. Nach wie vor erledigten eher die Frauen die Familienarbeit, so Funke. Das sei aber nicht apothekentypisch, sondern gelte für die gesamte Gesellschaft.
Funke ist nicht nur Kammerpräsidentin in Hessen, sondern auch Vize-Präsidentin der Bundesapothekerkammer (BAK) – die erste, wie sie zur PZ sagte, wobei es mit Magdalene Linz (2005 bis 2008) und Erika Fink (2009 bis 2013) bereits auch zwei Frauen in der BAK-Spitzenposition gab.
In der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen habe es für Funke nie eine Rolle gespielt, ob sie es nun mit Frauen oder Männern zu tun hatte. »Mir geht es darum, den Beruf nach vorne zu bringen, ich bin da ganz sachorientiert, aber ich freue mich über jede Frau, die sich für uns Apothekerinnen und Apotheker engagiert.«
Wenige Frauen in berufspolitischen Spitzenpositionen – das liegt nach Einschätzung von Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg, daran, dass Frauen sich deutlich später selbstständig machen als Männer, eben meist erst, wenn die Kinder nicht mehr ganz klein sind. »Und dann kommt die Doppelbelastung von Familie und Beruf dazu«, so Zambo zur PZ. Sich berufspolitisch zu engagieren, sei dann eine weitere zeitliche Belastung, die viele Frauen schlicht und einfach nicht stemmen könnten.
Hinzu komme eine eingefahrene Rollenverteilung. Viele Apotheker, die sich standespolitisch engagieren, seien mit Frauen verheiratet, die ihren Männern in der Apotheke den Rücken freihielten.
Wie ihre Berliner Kollegin Anke Rüdinger wünscht sie sich mehr Kolleginnen in den Spitzenpositionen und Gremien. Eine Frauenquote lehnt sie aber ab. Hier dürfe nicht das Geschlecht ausschlaggebend sein, sondern allein die Qualifikation.
Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs betonte, sie sei stolz darauf, »dass es in unserem Berufsstand viele kompetente und engagierte Frauen gibt, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen«. Tatsächlich ist die Kammer Niedersachsen stark von Frauen geprägt: Der Vorstand ist zu 100 Prozent weiblich. Führung sei eine Herausforderung und eine Chance, die sich lohne, wenn man etwas verändern wolle, so Burs. In ihrem Bundesland sei die Gleichberechtigung der Geschlechter selbstverständlich. Sie freue sich, mit starken Kolleginnen im Kammervorstand zusammenzuarbeiten, die sich für eine Weiterentwicklung des Berufsstandes stark machten.
Wie sieht es bei jüngeren Frauen in der Pharmazie aus? Die standeseigene Nachwuchsorganisation AByou ist modern organisiert, hat keine klassischen Hierarchien – und das biete mehr Raum für Diversität und Gleichberechtigung, so AByou-Co-Gründerin (und Vizepräsidentin der Bayerischen Landesapothekerkammer) Franziska Scharpf zur PZ.
AByou sei durch eine starke Präsenz von Frauen geprägt. »Dies könnte ein Indikator dafür sein, dass eine moderne und flexiblere Organisationsstruktur, die bewusst auf Diversität und Inklusivität setzt, Frauen ermutigt, sich stärker zu engagieren und Führungsrollen zu übernehmen«, glaubt Scharpf.
In der traditionellen Standespolitik besteht aus Sicht der 39-Jährigen Handlungsbedarf, um eine ausgeglichenere Geschlechterverteilung in Führungspositionen zu erreichen. Strukturelle und kulturelle Veränderungen seien nötig, damit allen Geschlechtern die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung stünden.
Scharpf betont: »Wir müssen weiterhin aktiv daran arbeiten, Barrieren abzubauen, die Frauen daran hindern, in Führungspositionen aufzusteigen, und gleichzeitig eine Kultur des Respekts, der Anerkennung und der Gleichberechtigung fördern.«