Nur gemeinsam stark |
Christina Hohmann-Jeddi |
13.06.2024 17:30 Uhr |
LAKT-Präsident Ronald Schreiber setzt auf die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit in Thüringen. / Foto: PZ/Christina Hohmann-Jeddi
»Die Herausforderungen an die Apothekerschaft sind aktuell groß«, machte Ronald Schreiber, Präsident der Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT), am Mittwoch bei der Mitgliederversammlung in Weimar deutlich. Personalmangel, Lieferengpässe, überbordende Bürokratie und ein seit 2004 quasi stillstehendes Honorar. Dies alles führe dazu, dass das Apothekensystem ausgedünnt wird. Allein im vergangenen Jahr mussten 500 Apotheken schließen. Dabei liege man in Europa mit der Apothekendichte schon deutlich unter dem Durchschnitt, so Schreiber. Ein weiteres Absinken der Apothekenzahl könne zu Leistungseinschränkungen führen.
Schreiber ging auch auf die Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein. Dass Lauterbach trotz aller Widerstände daran festhält, war dem Kammerpräsidenten zu diesem Zeitpunkt jedoch noch unbekannt, da die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« erst am Nachmittag darüber berichtete. Die Umsetzung von Lauterbachs Plänen würden die Versorgung vor Ort in nie dagewesenem Maß ausdünnen, sagte Schreiber. Die Politik habe zwar erkannt, dass der Rückgang der Apothekenzahl Probleme bereiten könnte, die geplanten Änderungen seien aber falsch.
»Statt den Apothekerberuf für junge Menschen attraktiv zu machen, will man jetzt Apotheken ohne Apotheker.« Das sei an Fehleinschätzung nicht zu überbieten, sagte Schreiber. Die »Apotheke light« führe in eine Zwei-Klassen-Apothekenlandschaft. »Dabei sollten Apotheken und ihre Leistungen für alle Menschen gleich sein.«
Auch die für die Leitung der Apotheken ohne Apotheker benötigten PTA stünden nicht unbegrenzt zur Verfügung. »Wir haben nicht nur einen Apotheker-, sondern auch einen PTA-Mangel.« Vonseiten des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) habe es zur Begründung der Pläne geheißen, dass die PTA-Ausbildung schneller skaliert, also hochgefahren werden könne als die Apothekerausbildung. »Das ist ein Eingeständnis der Versäumnisse der vergangenen 20 Jahre, in denen die Zahl der Pharmaziestudienplätze nicht ausreichend erhöht wurde.« In Zukunft könnte sich auf diesem Gebiet in Thüringen und Umgebung aber etwas ändern, berichtete der LAKT-Präsident.
Zum einen soll mit den Arbeiten am Neubau des Pharmazieinstituts in Jena nun begonnen werden, zum anderen soll in die Pharmazie in Leipzig investiert werden. Darüber hinaus könnte ein Institut für Pharmazie an der BTU Cottbus neu entstehen.
Kritik äußerte Schreiber an den geplanten integrierten Notfallzentren (NIZ), die bundesweit entstehen sollen und an die eine Apotheke angeschlossen sein soll. Diese müsse mit dem NIZ eine Kooperationsvereinbarung treffen. Falls keine Vereinbarung zustande komme, erhielten die NIZ ein Dispensierrecht für Arzneimittel. Dabei sei vieles nicht zu Ende gedacht, stellte Schreiber klar: »Woher kommen die Arzneimittel? Was ist mit Festbeträgen und Rabattverträgen?«
Schreibers Fazit: »Die politische Situation ist hoch unbefriedigend, aber wir müssen weitermachen und uns für unsere Ziele einsetzen.« Der Protest müsse weitergehen. Dabei beschwor der Kammerpräsident die Geschlossenheit des Berufsstandes und forderte alle Apothekerinnen und Apotheker auf, sich an den kommenden Aktionen zu beteiligen, um »ein klares Zeichen« zu setzen. Auch die einzelnen Heilberufe sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen, sondern zusammenhalten. Unter dem Motto »Gemeinsam sind wir stark« hatte der LAKT-Präsident auch zwei Vertreter der Ärzteschaft zu der Sitzung eingeladen.
So sprach sich Annette Rommel, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, für eine Verstärkung der Zusammenarbeit der Heilberufe aus. Diese sei in Thüringen schon beispielhaft gut, müsse aber noch intensiviert werden, um den größer werdenden Herausforderungen begegnen zu können. Die geplante Notfallreform sieht die Hausärztin dabei weniger kritisch: »Wir sind relativ optimistisch, dass dort gute Dinge entstehen.«
Wie Hans-Jörg Bittrich, Präsident der Landesärztekammer Thüringen, feststellte, habe die Ärzteschaft mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen wie die Apothekerschaft – die Stichworte lauten Personalmangel, Bürokratie und Honorarstagnation. Seit 1994 habe sich die Gebührenordnung der Ärzte nicht bedeutend geändert. Reformen seien daher notwendig, machte der Kinderarzt deutlich.
Bei aller Kritik an Minister Lauterbach habe dieser den Reformbedarf erkannt, der gerade auch bei den Krankenhäusern besteht. Diese seien nämlich der Haupttreiber der steigenden Kosten im Gesundheitswesen. »Wir leisten uns mehr Krankenhausbetten als alle anderen europäischen Länder«, konstatierte Bittrich. Eine Ambulantisierung könne einen Teil der Probleme im Gesundheitswesen lösen.
Beim Thema Nachwuchs ist die Thüringische Ärzteschaft schon einen Schritt weiter als die Apothekerschaft. So konnte die Zahl der Medizinstudienplätze in Jena um 10 Prozent erhöht werden und an der privaten Medizinhochschule HMU Erfurt sind 100 weitere Studienplätze entstanden. Das verlagere jetzt aber das Problem nach hinten, denn nun brauche es mehr Geld für die nötige fünfjährige Facharztausbildung. Bis die angehenden Mediziner einsetzbar sind, werde es noch einige Jahre dauern.
Um den Personalmangel abzuschwächen, müsse es auch gelingen, das Potenzial der ausländischen Fachkräfte zu nutzen, die nach Deutschland geflüchtet sind. Schon jetzt hätten 16,6 Prozent der Medizinerinnen und Mediziner in Thüringen einen Migrationshintergrund, betonte Bittrich. Wenn diese aus Thüringen vertrieben würden, bräche das Gesundheitssystem zusammen, mahnte er auch mit Blick auf die Ergebnisse der Europawahl vom 9. Juni. In der Wahl war die AfD stärkste Kraft in Thüringen geworden.
Insgesamt hätten Apotheker- und Ärzteschaft viele gemeinsame Probleme und »keine erkennbare Hilfe von außen«, so Bittrich. »Wir können nur gemeinsam stark sein. Wir müssen unsere Erfahrungen in die politische Entscheidungsfindung mit einbringen.«