Noventi mit 11 Millionen Euro Verlust |
Alexander Müller |
27.06.2024 08:30 Uhr |
Die Noventi-Vorstände Mark Böhm (links) und Frank Steimel sehen das Unternehmen bei der Sanierung auf einem guten Kurs. / Foto: Noventi
Anfang 2023 hatte sich Noventi auf Druck der kreditgebenden Banken einen radikalen Sparkurs auferlegt. »Fokussierung 2025« heißt das Sanierungsprogramm, in dessen Zug sich das ebenfalls neu eingesetzte Management auf das Kerngeschäft konzentrieren will, sich von einigen defizitären Beteiligungen und Aktivitäten löste und einen massiven Personalabbau vornehmen musste.
Viel zu hohe laufende Kosten waren ein Problem in der Vergangenheit, das andere waren die mit aktivierten Eigenleistungen geschönten Bilanzen. Viele Aufräumarbeiten wurden in die Bilanz 2022 gepackt, in der unter dem Strich ein Rekordverlust von 133 Millionen Euro stand. Nur weil der Eigentümerverein FSA mit einer Finanzspritze von 20 Millionen Euro einsprang, verlängerte das Bankenkonsortium den Konsortialkredit und sagte die Finanzierung für die nächsten Jahre zu.
Doch auch für das »Übergangsjahr« 2023 hatte Noventi noch einen Verlust von rund 18 Millionen Euro erwartet. Insofern wird das tatsächliche Minus von etwas mehr als 11 Millionen Euro in der Eigendarstellung als kleiner Erfolg verbucht: Die im Plan festgelegten Ziele des ersten Jahres der Sanierung seien übertroffen worden, heißt es aus München.
Der Umsatz konnte im vergangenen Jahr von 234 auf 262 Millionen gesteigert werden, immerhin ein Plus von rund 12 Prozent. Die Personalkosten konnten von 137 auf 101 Millionen Euro gesenkt werden. Allerdings waren in der Bilanz 2022 auch umfangreiche Rückstellungen für den Personalabbau geparkt, als Teil des Sanierungskonzepts.
Für 2024 erwartet Noventi wieder einen Gewinn, das belegen nach Unternehmensangaben die kumulierten Daten inklusive Mai. Auch der Umsatz soll weiter steigen: »Gegenüber 2023 ist die bisherige Umsatzentwicklung im laufenden Jahr um vier Prozent gestiegen«, so Finanzvorstand Frank Steimel.
Die Tendenz scheint also zu stimmen bei Noventi, aber das laufende Jahr wird noch entscheidend sein. Denn der Konsortialkredit wurde bis 2025 verlängert, am Ende der »Fokussierung« muss die Prognose für das Unternehmen stimmen.
Als Faustpfand gilt das bilanziell mutmaßlich unterbewertete Herzstück: die Rezeptabrechnung. Selbst im Verlustjahr 2023 hat die Sparte einen Gewinn von fast 30 Millionen Euro eingespielt. Möglicherweise kann Noventi hier bilanziell noch von Aktivierungen profitieren.
Im Abrechnungsgeschäft bleibt jedoch das E-Rezepts eine Unbekannte. Profitiert mittelfristig der Versandhandel? Können Direktabrechner wie Scanacs im Markt Fuß fassen? Vermutlich nicht ohne Grund hat Noventi Anfang der Woche eine »Halbjahresbilanz« vorgestellt: Mehr als 81 Millionen E-Rezepte habe man schon abgerechnet, das sei jedes dritte E-Rezept insgesamt. Probleme gebe es kaum.
Mit der Entwicklung beim E-Rezept verbunden ist das Schicksal von Gesund.de. Schafft die Plattform noch den Durchbruch im Markt? Noventi ist zwar seit der letzten Kapitalerhöhung nur noch mit etwa 17 Prozent an dem Gemeinschaftsprojekt unter der Führung von Phoenix beteiligt, doch das Engagement liegt mit einem zweistelligen Millionenbetrag in den Büchern. Sollte das Projekt scheitern, würde die entsprechende Abschreibung direkt auf das Ergebnis durchschlagen.
Aktuell ist man bei Noventi aber rundum zufrieden mit dem Kurswechsel: »Die Konzentration auf das Kerngeschäft – Abrechnung, Warenwirtschaft und Branchensoftware – unterstreicht unsere Expertise und Stärke«, so der Vorstandsvorsitzende Mark Böhm. Trotz des Jahresverlustes ergäben sich für Noventi keine Einschränkungen für das laufende Geschäftsjahr, im Gegenteil: »Wir werden wieder in unsere IT und die Kern-Produkte investieren«, verspricht Böhm.
Auch personell wird an der Spitze aufgestockt: Böhm wurde vom Vorstand zum CEO, Finanzvorstand Frank Steimel ist jetzt stellvertretender Vorsitzender. Und spätestens zum Jahreswechsel stößt Lars Polap dazu. Der bisherige Geschäftsführer Produktentwicklung und IT beim Konkurrenten Pharmatechnik soll das neue Vorstandsressort IT bei Noventi führen.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.