Notfälle erkennen und handeln |
Sven Siebenand |
27.05.2025 16:00 Uhr |
Manche Hautinfektionen, etwa ein Erysipel, gelten als absoluter Notfall, andere dagegen gar nicht. / © Adobe Stock/Blue
Eigentlich müsste man sich wundern und fragen, warum Hautinfektionen nicht viel häufiger auftreten. Denn auf der Haut leben so viele Keime wie Menschen auf der Erde. Professor Dr. Julia Welzel vom Universitätsklinikum Augsburg informierte beim Fortbildungskongress Pharmacon in Meran, dass der Mensch ein sehr effektives Schutzsystem hat, etwa einen Säureschutzmantel und antimikrobielle Peptide. Dennoch, so die Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie, sind Hautinfektionen alles andere als eine Seltenheit und täglich Brot für Dermatologen. Denn Störungen der Hautschutzfunktionen können zu einer Überwucherung der residenten Hautflora durch pathogene Keime und letztlich zu Infektionen führen.
Erste Ansprechpartner bei Hautsymptomen sind oftmals die Apothekenteams. Welzel nannte wichtige Red Flags, die einen Verweis in die Arztpraxis erfordern. Dazu gehören Fieber und Schüttelfrost, Rötung und Schmerzen, akuter Verlauf und Eiter sowie der Fall, dass die Umgebung mitbetroffen ist. Zudem spielen für Welzel die Apotheken in der Prävention von Hautinfektionen eine sehr große Rolle, etwa in der Primärprävention durch Tipps zu Hautschutz und -pflege sowie den Hinweis auf Impfungen.
Professor Dr. Julia Welzel vom Universitätsklinikum Augsburg sprach über Infektionen in der Dermatologie. / © PZ/Alois Müller
Zu den Hauptkeimen bei bakteriellen Hautinfektionen zählen Staphylococcus aureus und β-hämolysierende Streptokokken. Erstere breiten sich laut der Referentin oft vertikal entlang der Haarfollikel aus, letztere meist horizontal, zum Beispiel entlang von Lymphspalten. Zu den wichtigen bakteriellen Infektionen der Haut gehören unter anderem die Impetigo, das Erysipel und Abszesse.
Impetigo contagiosa ist sehr infektiös und tritt vor allem bei Kindern auf. Eine Quarantäne ist erforderlich, um die Ansteckungsfähigkeit zu minimieren und die Ausbreitung der Infektion zu verhindern. Wie Welzel informierte, geht die Infektion oftmals von der Nase aus. Desinfizierende Nasengele sollten zunächst zum Einsatz kommen; mit topischen Antibiotikatherapien sollte man zurückhaltend umgehen. Bei multiplen Herden sei eine systemische Antibiose anzuraten.
Während Impetigo contagiosa sowohl von Staphylokokken als auch von Streptokokken verursacht sein kann, sind die Erreger beim Erysipel praktisch immer Streptokokken. Es handelt sich um eine Infektion der Hautlymphspalten, die innerhalb von Stunden mit starken Schmerzen, Überwärmung, Rötung, Schwellung und Fieber einhergeht. »Das ist ein absoluter Notfall, der unbehandelt in circa 30 Prozent aller Fälle tödlich endet«, warnte die Medizinerin. Eine systemische Antibiose sei für mehrere Tage vonnöten. Zudem sei es wichtig, die entstehenden Lymphödeme konsequent zu behandeln – durch Tragen eines Kompressionsstrumpfs für mehrere Wochen.
Welzel hob hervor, dass Hautdefekte die Eintrittspforte beim Erysipel darstellen und es damit von essenzieller Bedeutung ist, diese Eintrittspforten zu »sanieren«. Ein typisches Beispiel ist eine Fußpilz-Erkrankung, die unbedingt mitbehandelt werden muss – auch um ein Rezidiv zu verhindern.
Eine bakterielle Hautinfektion mit Einschmelzung ist ein Abszess. Man kann tasten, ob Flüssigkeit enthalten ist, Mediziner sprechen von Fluktuation. Dies ist laut Welzel der richtige Zeitpunkt für die Inzision, bei der ein Abszess in der Praxis geöffnet wird, um Eiter abfließen zu lassen. Welzel: »Eine schnelle Sache, in den meisten Fällen braucht man danach kein Antibiotikum.«
Im Zusammenhang mit Eiter hatte die Referentin noch eine weitere wichtige Botschaft: »Nicht alles, was eitert, ist eine bakterielle Infektion.« Eiter könne auch auf eine Pilzinfektion hinweisen. Die tiefe Trichophytie sei etwa eine eitrig abszedierende Pilzinfektion der Kopfhaut (Tinea capitis), die unbehandelt zur Vernarbung und Alopezie führt. Es werde immer gleichzeitig sowohl lokal als auch systemisch antimykotisch therapiert.