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Bayern

Notdienste werden komplett neu geregelt

Die Dienstbereitschaft der Apotheken in Bayern soll auf Basis von Geodaten ganz neu geregelt werden. Dies beschloss gestern die Delegiertenversammlung der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK) in München. Dem »Paradigmenwechsel« ging eine intensive Diskussion voraus.
Brigitte M. Gensthaler
09.11.2023  13:15 Uhr

Sinkende Apothekenzahlen und steigende Belastung durch Nacht- und Notdienste: In dieser Situation gibt es auch in Bayern dringende Überlegungen zur Umgestaltung der Dienstbereitschaft der Apotheken. »Unser Ziel ist ein Spagat zwischen ausgewogener Belastung der Apotheker und ordnungsgemäßer Arzneimittelversorgung der Bürger«, sagte Dr. Volker Schmitt, Geschäftsführer der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK). Derzeit seien die 2810 Apotheken im Freistaat in 145 Notdienstkreise eingeteilt. Sie leisten durchschnittlich 28 Mal pro Jahr Notdienst – bei einer Bandbreite zwischen 13 und 91 Notdiensten.

Angesichts der stetig sinkenden Apothekenzahlen gebe es praktisch keine Spielräume mehr für die Aufrechterhaltung der von der Kammer angeordneten Turni, erklärte Schmitt. Die BLAK schlage eine Ausweitung der Kilometergrenzen und eine Auflösung der bisherigen Notdienstkreise zugunsten einer Notdiensteinteilung mittels einer intelligenten Steuerung vor. Dies bedeute eine »arrhythmische Einteilung mit zwingend unregelmäßigen Dienstplänen«, so der Geschäftsführer.

Wie eine softwaregestützte bayernweite Notdienstplanung unabhängig von Notdienstkreisen und -gruppen aussehen kann, stellte Christian Dethloff von sberg it-systeme GmbH, Potsdam, in einer online-Präsentation vor. Die Firma arbeite mit mehreren Landesapothekerkammern, darunter Niedersachsen, Saarland, Nordrhein und Baden-Württemberg zusammen. Hessen und Rheinland-Pfalz würden bereits Anfang 2024 mit dem System starten.

Ein ausgeklügelter Algorithmus berücksichtige zwei Aspekte, so Dethloff. Zur Wahrung der »räumlichen Gerechtigkeit« – im Sinne der Bürger und Patienten – würden die aktuellen Apothekenstandorte geocodiert und eine Entfernungsmatrix aufgebaut. Die »zeitliche Gerechtigkeit« – für die Apotheker – werde durch eine ausgewogene Verteilung der Dienste auf Wochenenden, Wochen- und Feiertage umgesetzt. »Das System findet einen Kompromiss zwischen den beiden Gerechtigkeiten.« Nach vorgegebenen Parametern, zum Beispiel Entfernungskilometern, suche es Partner- und Stellvertreterapotheken aus, die an einem Tag den Dienst versehen beziehungsweise als Tauschpartner zur Verfügung stehen. Dies sei ein »Paradigmenwechsel«.

Was ist für Bayern zu erwarten?

Der Mathematiker prognostizierte eine deutliche Reduktion der Gesamtdienstzahl: »Die meisten Apotheken werden entlastet.« Es werde aber Betriebe geben, vor allem in Stadtrandlagen, die mehr Dienste als bisher leisten müssen.

Eine Einführung sei zum 1. Januar 2025 möglich. In der Pilotierungsphase würden Dienstbereitschaftsanordnungen gesichtet und Berechnungen erstellt und statistisch ausgewertet. Perspektivisch könnten auch neue Parameter eingeführt werden, zum Beispiel eine bundeslandübergreifende Verplanung. Auch eine stärkere Einbindung der Inhaber sei denkbar, zum Beispiel eine Vorabmeldung von Urlauben oder »Wunschtagen«. Aktuell vorgesehen sei ein Jahresplan, der dem Kalenderjahr entspricht.

Grundsätzlich begrüßten die meisten Delegierten das System und eine moderne Notdienstplanung sehr. Die meisten Fragen in der angeregten, teils emotionalen Diskussion drehten sich um den Tausch von Notdiensten, auch bei kurzfristigen Apothekenschließungen. Diese beeinflussen naturgemäß das gesamte System, denn dann müssten die Stellvertreterapotheken den Dienst übernehmen, erklärte der Referent und verwies auf ein Tauschmodul. Kammerpräsident Thomas Benkert unterstrich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Kammer von schließenden Apotheken erfährt und dies weitergeben kann, umso höher ist, je später der Plan veröffentlicht wird. Je früher der Plan erstellt werde, umso wahrscheinlicher seien Änderungen.

Kritik am Vorgehen der Kammer

Mehrere Delegierten kritisierten das Vorgehen der Kammer, dass der Auftrag in der Sitzung aktuell erteilt werden solle und es keine Probephase gebe. Man kaufe ein System, ohne es testen zu können. Zudem wurde moniert, dass es keine konkreten Vergleiche gebe, was die Umstellung für die einzelne Apotheke bedeutet – auch wenn im Durchschnitt die Diensthäufigkeit gesenkt wird. Zu den Kosten erklärte Detloff, dass pro zu verplanender Apotheke 0,70 Euro/Monat fällig sind, jedoch gedeckelt auf 1200 Euro/Monat, was der bayerischen Kammer entgegenkommt.

Geschäftsführer Schmitt wies auf die Dringlichkeit der Neuplanung hin. Es könne kein »Weiter so« geben. »Wir haben keine Reserven mehr in den Turni und die Belastung der Apotheken ist jetzt schon hoch.« Die einzige Möglichkeit sei ein aktiveres System der Algorithmen-basierten Einteilung. »Dieses Modell ist alternativlos.« Die Pilotierung sei bereits die erste Stufe der Umsetzung. Wenn der Beschluss erst 2024 gefasst werde, verschiebe sich die Einführung um ein Jahr. Eine Veröffentlichung des tatsächlichen und eines Pilotplans könne die Geschäftsstelle vom Arbeitsaufwand her nicht leisten.

Kurz vor der Abstimmung sprach auch der BAV-Vorsitzende Dr. Hans-Peter Hubmann für den Vorschlag. Es dürfe keine Zeitverzögerung mehr geben, denn eine Entlastung der Kollegen von den Notdiensten sei dringend nötig. Er warnte aber vor zu weiten Entfernungen beim Notdienst, um die Bevölkerung nicht zu verprellen. »Wir brauchen die Unterstützung der Bevölkerung. Aber diesen Sprung müssen wir wirklich machen.«

Nach zweistündiger Diskussion nahmen die Delegierten die geänderte Beschlussvorlage bei vier Enthaltungen an: »Die Delegiertenversammlung beschließt, das Konzept der Firma sberg it-Systeme einer intelligenten Steuerung der Dienstbereitschaft der Apotheken weiter zu verfolgen und zum 1. Januar 2025 umzusetzen. Sie ist sich bewusst, dass die Umsetzung dieses Systems zu unregelmäßigen Diensteinteilungen und damit zu einer Abkehr von den bisherigen Turnusmodellen führt. Sie ist sich weiterhin bewusst, dass es auch nicht auszuschließen ist, dass es mit der Umsetzung dieses Konzeptes in bestimmten Fällen zur Erhöhung der Anzahl der abzuleistenden Notdienste kommt. Die Delegiertenversammlung verfolgt hiermit eine Entlastung der bayerischen Apothekerschaft.«

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