Noch viele Fragen offen zu Cannabis |
Annette Rößler |
29.09.2023 09:00 Uhr |
Juristische und pharmazeutische Fragen zum Dauerbrenner-Thema Cannabis diskutierten Dr. Jan Rasmus Ludwig, Professor Dr. Theo Dingermann und Dr. Christiane Neubaur (von links) in der Pharma-World. / Foto: PZ/Alois Müller
Cannabis soll in der Bundesrepublik Deutschland künftig kein Betäubungsmittel (BtM) mehr sein und unter bestimmten Voraussetzungen zu Genusszwecken legal erworben werden dürfen. Die Voraussetzungen hierzu will die Bundesregierung mit dem Cannabis-Gesetz (CanG) schaffen, das das Kabinett am 16. August beschlossen hat. Allerdings muss das Gesetz noch durch den Bundestag – und hier gilt das berühmte Strucksche Gesetz, demzufolge kein Gesetz das Parlament so verlässt, wie es eingebracht wurde.
»Eines ist sicher: So, wie er jetzt vorliegt, wird der Gesetzentwurf nicht verabschiedet werden«, prognostizierte denn auch Dr. Christiane Neubaur, Geschäftsführerin des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA). Dass es Änderungen geben wird, sei auch deshalb anzunehmen, weil einige unionsgeführte Bundesländer bereits signalisiert hätten, das Gesetz über den Bundesrat ändern, wenn möglich sogar stoppen zu wollen. Doch ob das geht, ob das Gesetz also der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist keineswegs ausgemacht. Rechtsanwalt Dr. Jan Rasmus Ludwig sagte, er halte zwar die Diskussion über diese Frage aus juristischer Sicht für sehr spannend, glaube jedoch nicht, dass sich die Union mit der Auffassung argumentativ werde durchsetzen können, dass das Gesetz zustimmungspflichtig sei.
Äußerst interessant ist auch die Frage, was Cannabis nach der Legalisierung überhaupt sein wird: ein Arzneimittel oder etwas anderes – und falls Letzeres zutrifft, was eigentlich? Die ABDA hatte bereits in ihrer Stellungnahme zu dem Entwurf des CanG explizit unterstrichen, dass Cannabis aus ihrer Sicht ein Arzneimittel ist, und die Pläne abgelehnt, den Umgang mit Cannabis am Arzneimittelgesetz vorbei im CanG separat zu regeln. Ludwig stellte klar: »Wenn Cannabis kein Arzneimittel, sondern ein Genussmittel wäre, dürften Apotheken es nicht verkaufen. Damit sie es dürften, müsste gesetzlich sehr viel geändert werden, unter anderem die Apothekenbetriebsordnung.«
Kommt das geplante Gesetz, wird Medizinalcannabis zwar kein BtM mehr sein; entsprechende Rezepte werden aber auch weiterhin von den Krankenkassen genehmigt werden müssen, bevor diese die Kosten erstatten. »Derzeit werden rund 40 Prozent der Anträge abgelehnt und die Tendenz geht in Richtung einer noch höheren Ablehnungsquote«, berichtete Neubaur. Sie halte es für möglich, dass Ärzte künftig das aufwendige Genehmigungsverfahren scheuen könnten und Cannabis ganz einfach auf Privatrezept verordnen würden, wenn es kein BtM mehr ist. Dann müssten die Patienten das Ganze allerdings aus eigener Tasche bezahlen.
»Schon jetzt gibt es jede Menge Online-Ärzte, die auf diesem Gebiet arbeiten und viele Rezepte ausstellen«, sagte die Apothekerin. Falls es nach der Abschaffung des BtM-Status von Cannabis zu der von ihr vorhergesagten »Flut von Privatrezepten« kommen sollte, sei ihr aber Eines wichtig: »Auf keinen Fall darf es zu einer Verschlechterung der Qualität oder der Versorgung der Patienten kommen, die Cannabis tatsächlich brauchen.«