Nikotinpflaster sind keine Therapieoption |
Daniela Hüttemann |
25.08.2023 14:00 Uhr |
Aus Tiermodellen weiß man, dass Nikotin vor einer Parkinson-ähnlichen Neurodegeneration schützen kann. In die Klinik scheint sich das jedoch nicht übertragen zu lassen. / Foto: Getty Images/Spike Mafford
Bei Morbus Parkinson gehen fortlaufend Nervenzellen in bestimmten Hirnbereichen verloren, was zu den typischen Symptomen wie Bewegungssteife und Tremor führt. Bislang ist die Erkrankung nicht heilbar und es kann nur (begrenzt) symptomatisch behandelt werden.
Deutsche und US-amerikanische Forschende haben nun untersucht, ob Nikotinpflaster das Fortschreiten der Krankheit im frühen manifesten Stadium verlangsamen können. Der Hintergrund: Epidemiologische Studien zeigen, dass langjährige Raucher seltener an Parkinson erkranken als Nichtraucher. Vermutet wird, dass Nikotin einen schützenden Effekt hat. »In Toxin-induzierten Parkinson-Tiermodellen schützte Nikotin vor einer Parkinson-ähnlichen Neurodegeneration und kann Entzündungsreaktionen des Nervensystems reduzieren, es reguliert experimentell antiapoptotische Proteine hoch und induziert entgiftende Enzyme«, erläutert die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer Pressemitteilung begleitend zu einer wissenschaftlichen Veröffentlichung der German sowie der USA Parkinson Study Group im Fachjournal »NEJM Evidence«.
In einer doppelblinden, multizentrischen Studie erhielten 163 Personen, die vor höchstens 18 Monaten eine Parkinson-Diagnose erhalten hatten, entweder Nikotin transdermal (bis zu 28 mg pro Tag) oder ein Placebo-Pflaster. Die Patienten waren im Frühstadium der Erkrankung mit nur leichten, nicht behindernden Symptomen. Sie hatten bislang noch keine Therapie mit Antiparkinsonmitteln erhalten (lediglich MAO-B-Hemmer waren erlaubt) und hatten zu dem Zeitpunkt noch keinen Bedarf für eine dopaminerge Behandlung. Zudem waren sie seit mindestens einem Jahr Nichtraucher und hatten zuvor nicht mehr als eine Packung Zigaretten am Tag geraucht. Die Behandlung dauerte 52 Wochen, danach wurde die Therapie langsam ausgeschlichen.
Der primäre Endpunkt dieser sogenannten NIC-PD-Studie war der UPDRS-Score (Total Unified Parkinson Disease Rating Scale, Skala 0 bis 172) nach 60 Wochen. »101 Teilnehmende konnten für den primären Endpunkt analysiert werden, 54 in der Placebogruppe und 47 in der Nikotingruppe«, fasst die DGN zusammen. In beiden Gruppen verschlechterte sich der Score – in der Nikotingruppe sogar stärker als unter Placebo (minus sechs Punkte versus minus 3,5 Punkte). Dieser Unterschied war allerdings statistisch nicht signifikant. Direkt zum Ende der eigentlichen Behandlung, also nach 52 Wochen, war die Bilanz sogar noch schlechter (minus 9,1 Punkte versus minus 5,4 Punkte).
In Bezug auf Kognition, depressive Symptome und Schlaf ergaben sich keine Unterschiede zwischen Nikotin- und Placebogruppe. Kutane Nebenwirkungen an der Pflasterstelle waren dagegen in der Nikotingruppe häufiger.
Bemerkenswert ist die Studienabbrecherquote: Insgesamt gab es fast 60 Studienabbrüche (28 in der Placebo- und 31 in der Nikotingruppe), meist wegen einer Verschlechterung der Symptomatik. Mehr als jeder dritte Teilnehmer startete eine Therapie mit dopaminergen Arzneistoffen.
Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass eine transdermale Nikotintherapie über ein Jahr auch bei frühem Krankheitsbeginn die Progression der Parkinson-Erkrankung nicht verlangsamen kann. Zwar hat die Studie einige Limitationen, doch kommt die neurologische Fachgesellschaft in ihrer Pressemitteilung schon in der Überschrift zu dem Urteil: »Nikotinpflaster sind keine Therapieoption bei Parkinson.«