»Niemals war mehr Anfang als jetzt« |
Daniela Hüttemann |
05.12.2024 15:42 Uhr |
ABDA- und AKWL-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening: »Wir brauchen ein Sofortprogramm zur Stärkung der Apotheke vor Ort.« / © PZ/Daniela Hüttemann
Seit dem Platzen der Ampel-Koalition am 6. November befindet sich Deutschland de facto im Wahlkampf. Am 23. Februar soll neu gewählt werden. Daher arbeiten die Parteien derzeit fieberhaft an ihren Wahlprogrammen. Dort müssten unbedingt auch die Apotheken vor Ort vorkommen, erklärte Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA und der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) bei deren heutiger Delegiertenversammlung. Allein Westfalen-Lippe werde inklusive der angekündigten Schließungen in diesem Jahr voraussichtlich 60 Apotheken verlieren. Die Apothekenzahl ist dort in diesem Jahr von 1711 auf aktuell 1673 gesunken; 19 weitere Schließungen sind bis zum Jahresende noch angekündigt. Overwiening fordert: »Wir brauchen ein Sofortprogramm zur Stärkung der Apotheke vor Ort.«
Das Koalitions-Aus und das damit verbundene Ende der geplanten Apothekenreform vom noch amtierenden Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht Overwiening als Chance, jetzt auf allen Ebenen Politik und Bevölkerung anzusprechen. Jetzt gehe die Arbeit richtig los. Bis zu den Wahlen müssten die Forderungen und Vorschläge der Apotheken in allen Köpfen sein, damit sich dies auch im Koalitionsvertrag und möglichst zügig auch in der gesetzlichen Umsetzung widerspiegelt.
»Eine neue Regierung will doch möglichst schnell etwas Gutes auf den Weg bringen – mit wem könnte man da besser starten als uns Apotheken, um die Gesundheitsversorgung resilienter zum machen«, so Overwiening.
Zu den zwei Kernforderungen gehören eine finanzielle Stabilisierung und mehr Kompetenzen in der alltäglichen Berufsausübung. »Was wir für die Entlastung des Systems leisten und vorschlagen, orientiert sich dabei immer am Patientenwohl.« Daher sollte es der Politik eigentlich leicht fallen, sich mit den guten Ideen der Apothekerschaft zu profilieren. Zudem schade es weder dem Staat noch den Krankenkassen, wenn Apotheken wieder Skonti mit den Großhändlern aushandeln dürfen, was sich gesetzgeberisch sehr schnell umsetzen ließe.
Wichtig sei, dass die Apothekerinnen und Apotheker auf allen Ebenen weiter beharrlich und mit einer Stimme sprechen. Damit hätten sie sich in den vergangenen zwei Jahren Gehör und Glaubwürdigkeit verschafft, ob im Gespräch mit dem Regionalpolitiker mit der Apotheke im eigenen Wahlkreis oder auf Bundes- und Verbandsebene.
»Wir waren und sind verlässlich in der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und auch verlässlicher Partner für die Politik«, betonte Overwiening. Würden die Apotheken vor Ort als wichtige Säule des Gesundheitssystems wegbrechen, würden sich noch mehr Menschen abgehängt fühlen.
Es stimme nicht, dass sich die Apothekerschaft nur verweigert und keine eigenen Vorschläge einbringt. Politik und Krankenkassen seien nur kaum bereit, für eine bessere Versorgung und zusätzliche Leistungen adäquat zu bezahlen. Als Beispiel nannte Overwiening die bundesweite Umsetzung des ARMIN-Konzepts, bei der Ärzte und Apotheker gemeinsam ein kontinuierliches Medikationsmanagement leisten und nachweislich die Mortalität deutlich senken können.
2025 sei die Zeit, zu gestalten, und zwar »in unserem Sinne, egal was andere über uns meinen und sagen, wie unwichtig wir seien«. »Die Menschen brauchen uns, das haben wir zu genüge bewiesen«, so die Kammerpräsidentin.
Neuwahlen gab es auch bei der Bundesapothekerkammer und beim Deutschen Apothekerverband, zudem steht die Wahl der ABDA-Spitze am 11. Dezember an, worüber Overwiening informierte. Sie wolle gern weitere vier Jahre »mit vollem Elan und Herzblut Gesicht und Stimme der Apothekerinnen und Apotheker« sein.
Auch die Strukturreform der ABDA und die Überlegungen dahinter erläuterte sie noch einmal knapp. Für Diskussionen hatte zuletzt gesorgt, dass die Hauptversammlung des Deutschen Apothekertags in der zum 1. Januar 2025 gültigen Satzung nicht mehr als »Organ der ABDA« geführt wird. Sie sei kein verlässliches und demokratisch legitimiertes Organ im Sinne des Vereinsrecht.
Die Angst ist groß, dass Beschlüsse des Apothekertags nicht mehr umgesetzt würden. Overwiening erklärte, dass es sich bei der Satzungsänderung eher um eine ehrliche, transparente Umformulierung der bereits bestehenden Praxis handelt, die sich am Vereinsrecht orientiert. Die DAT-Beschlüsse seien in der Regel haushaltsrelevant in der Umsetzung, worüber aber die ABDA-Mitgliederversammlung zu entscheiden und auch die Verantwortung zu tragen hat.
»Die neue Satzung beschreibt nun, wie die Prozesse wirklich sind«, erklärte Overwiening. Sie sei ehrlicher, transparenter und nachvollziehbarer. Die ABDA muss sich aber weiterhin DAT-Beschlüsse befassen. Die Hauptversammlung des Deutschen Apothekertags bleibe wichtig für den Austausch und die berufspolitische Willensbildung.
Neu ist auch, dass die ABDA-Mitgliederversammlung als wichtigstes Organ mit allen 34 Mitgliedsorganisationen, also 17 Kammern und Verbänden, nur noch einmal jährlich stattfindet, dafür aber mindestens sechsmal jährlich der ABDA-Gesamtvorstand tagen wird, jeweils vertreten durch einen ehren- und einen hauptamtlichen Kammer- und Verbandsvertreter, in der Regel Kammerpräsident/Verbandsvorsitzende plus Kammer-/Verbandsgeschäftsführer, also mit 68 Personen statt wie bislang 34. So soll ein besserer Austausch und eine schnellere Umsetzung von berufspolitischen Beschlüssen ermöglicht werden.
Der bisherige geschäftsführende Vorstand der ABDA wird von einem Siebener-Vorstand abgelöst. Er besteht aus ABDA-Präsidentin und Vize, einer Vertretung der nicht selbstständigen Apothekerinnen und Apotheker, BAK-Präsident und DAV-Vorstandsvorsitzendem.
Die Hauptversammlung beim Deutschen Apothekertag wird zudem verkleinert. Statt einem oder einer Delegierten pro 200 Apothekerinnen und Apotheker pro Kammerbezirk werden es nur noch einer/eine pro 200 sein, aber mindestens vier pro Kammerbezirk. Für Westfalen-Lippe bedeutet das für Kammer und Verband zusammen 28 statt 41 Delegierte.