Niedrigeres Lungenkrebs-Risiko im Alter? |
| Theo Dingermann |
| 08.07.2024 11:00 Uhr |
Altersbedingte Veränderungen im Gewebe könnten das Tumorwachstum hemmen. In zwei neuen Studien zeigten ältere Mäuse eine geringere Tumorlast als jüngere. / Foto: Adobe Stock/peterschreiber.media
Man geht allgemein davon aus, dass Altern eines der relevanten Risiken für die Entwicklung eines Tumors ist, da Krebs in der Regel durch die Anhäufung von Mutationen im Laufe der Zeit und durch die Schwächung des Immunsystems entsteht. Zwei neue Studien, die allerdings beide noch nicht abschließend begutachtet wurden, legen jedoch nahe, dass dies nicht immer zutrifft. Hier fanden Forschende, dass durch Veränderungen in älterem Gewebe, wie vermehrtes Narbengewebe und eine verminderte Zellregeneration, ein Umfeld entstehen kann, das weniger förderlich für Tumorwachstum ist.
In der ersten Studie untersuchten Forschende um Emily G. Shuldiner vom Department of Biology an der Stanford University die Beziehung zwischen Altern und der Entstehung von Lungenkrebs. Sie verwendeten gentechnisch modifizierte Mäuse als Modelle für menschliche Lungenkarzinome.
Sie konnten zeigen, dass Altern die Entstehung und das Wachstum von KRAS-getriebenen Lungentumoren bei diesen Mäusen unterdrückte. Ältere Mäuse (20 bis 21 Monate alt) hatten im Vergleich zu jüngeren Mäusen (vier bis sechs Monate alt) eine deutlich geringere Tumorlast und kleinere Tumorgrößen.
Dies führen die Forschenden unter anderem darauf zurück, dass mit zunehmendem Alter die Funktionalität mehrerer Tumorsuppressorgene abnimmt. Zu diesen Tumorsuppressorgenen zählen PTEN, p53 und Nf1. Andere Tumorsuppressoren hingegen, darunter Setd2 und Rbm10, zeigen diesen Alterungseffekt jedoch nicht.
Mit Hilfe von Einzelzell-Transkriptomanalysen konnten die Forschenden zeigen, dass neoplastische Zellen in älteren Mäusen zahlreiche altersbedingte Veränderungen aufweisen, die offensichtlich auch bei einer onkogenen Transformation erhalten bleiben. Zum Beispiel erwies sich die Aktivitätsabschwächung von PTEN in Krebszellen als ein charakteristisches Merkmal der Alterung.
Pathway-Analysen lieferten zudem Hinweise darauf, dass die altersbedingte Abnahme der MAPK-Signalübertragung in alten Krebszellen zu einer langsameren Tumorproliferation und geringeren Tumorigenität beitragen kann.
Die Studie stützt die Hypothese, dass der Rückgang der Krebsinzidenz bei sehr alten Menschen auf eine Art Neutralisierung der Effekte der krebsfördernden Mutationsakkumulation und der tumorsuppressiven Effekte des Alterns zurückzuführen sein könnte.
In einer zweiten Studie untersuchte ein Forschungsteam um Dr. Xueqian Zhuang vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York, wie sich das Altern auf die Entstehung und das Fortschreiten von Lungenkrebs, insbesondere Lungenadenokarzinom (LUAD), auswirkt. Auch sie verwendeten gentechnisch veränderte Mausmodelle. Dabei fanden sie, dass Altern die Tumorentstehung unterdrückt, allerdings nach einem anderen Mechanismus. Ihre Studien liefern Hinweise, dass die Stammzellpopulation der Alveolarzellen, den so genannten AT2-Zellen, die als primäre Ursprungszellen von LUAD gelten, abnimmt.
Ein Grund für diesen Effekt scheint darin zu liegen, dass es im Alter durch eine altersbedingten DNA-Hypomethylierung zur Induktion des Transkriptionsfaktors NUPR1 (Nuclear Protein 1) kommt. NUPR1 ist ein stressinduzierter Transkriptionsfaktor, der als Treiber der Ferroptoseresistenz gilt. Ferroptose ist eine Form des eisenabhängigen Zelltods.
Durch die Induktion von NUPR1 wird die Expression des Proteins LCN2 gesteigert. Dies führt zu einer funktionellen Eiseninsuffizienz in den gealterten Zellen und reduziert so den ferroptotischen Zelltod. Andererseits führt die funktionelle Eiseninsuffizienz dazu, dass Stammzellen abgebaut werden, wodurch deren tumorigenes Potenzial unterdrückt wird.
Dass es sich hierbei um ein relevantes Phänomen handelt, konnten die Forschenden dadurch zeigen, dass sich der Effekt durch Inaktivierung des NUPR1-Transkriptionsfaktors oder durch eine Eisensupplementierung umkehren lässt, was zur Wiederherstellung der Stammzellenfähigkeit und zur Förderung der Tumorbildung auch in gealterten Zellen führt.
Durch die Veränderung des Eisenstoffwechsels entsteht in gealterten Lungen ein tumorunterdrückendes Umfeld. Für Tumoren, die bereits in früheren Lebensjahren entstanden sind, ist das eisenarme Umfeld jedoch förderlich.
Diese Ergebnisse zeigen, wie Altern Lungenkrebszellen hemmen kann. Aufgrund anderer biologischer Faktoren lassen sich diese Ergebnisse jedoch möglicherweise nicht auf andere Krebsarten übertragen. Dennoch zeigen diese Studien, wie wichtig es ist, Krebs auch in »alten« Modellen zu untersuchen, da sich daraus neue Behandlungsstrategien und Ziele für die regenerative Medizin ableiten lassen könnten.