Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Autonome diabetische Neuropathie

Nicht schmerzhaft, aber äußerst schädlich

Eine Neuropathie bei Diabetes mellitus kann auch das autonome Nervensystem betreffen, das die unwillkürlichen Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag und Verdauung reguliert. Die Nervenschädigung kann bereits früh im Krankheitsverlauf auftreten. Wie lässt sie sich erkennen?
AutorKontaktAnnette Rößler
Datum 13.06.2025  18:00 Uhr

Ein erhöhter Ruhepuls, dyspeptische Beschwerden, sexuelle Funktionsstörungen und Schweißsekretionsstörungen – all dies können Symptome einer Diabetes-bedingten Schädigung des autonomen Nervensystems sein (siehe Kasten). »Häufig sind es schambesetzte Symptome wie Verdauungsstörungen oder sexuelle Funktionsstörungen, die die Patienten selbst nicht in Verbindung mit ihrer Diabetes-Erkrankung bringen«, sagte Dr. Gidon J. Bönhof vom Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) an der Universität Düsseldorf kürzlich bei einer Online-Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

Ärzte sollten sich bei ihren Patienten aktiv nach möglichen Symptomen einer autonomen diabetischen Neuropathie (ADN) erkundigen: »Wir müssen bei Behandlern und Behandelten ein Bewusstsein dafür wecken«, betonte Bönhof. Denn eine ADN ist nicht selten: Laut einer DDG-Praxisempfehlung aus dem Jahr 2021 liegt bei jedem fünften Patienten mit Diabetes eine kardiovaskuläre ADN vor (DOI: 10.1055/a-1515-9168). Und eine ADN ist nicht zwangsläufig erst eine Spätkomplikation des Diabetes: »In letzter Zeit zeichnet sich durch viele Studien ab, dass die autonome Neuropathie auch früh im Erkrankungsverlauf entstehen kann«, sagte Bönhof.

Nervenschäden bereits bei Prädiabetes

Auch die Autoren eines 2024 im Fachjournal »Diabetologia« erschienenen Übersichtsartikels zur kardiovaskulären ADN (KADN) weisen auf neuere Studienergebnisse hin, die ein Auftreten der KADN bereits bei Prädiabetes belegen (DOI: 10.1007/s00125-024-06242-0). Die KADN sei eine hochprävalente mikrovaskuläre Komplikation, die zu einer Dysfunktion des kardiovaskulären autonomen Nervensystems führe. Der zugrunde liegende pathophysiologische Prozess unterscheide sich zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes: Während bei Typ-1-Diabetes vor allem Hyperglykämien für die Nervenschädigung verantwortlich seien, stünden bei Typ-2-Diabetes Insulinresistenz und Aspekte des metabolischen Syndroms im Vordergrund.

Bei einer ADN wird der längste Nerv des autonomen Nervensystems, der Nervus vagus, zuerst geschädigt. Daraus resultiert zunächst ein Übergewicht des Sympathikus gegenüber dem Parasympathikus. Infolgedessen steigt der Ruhepuls des Patienten auf bis zu 130 Schläge pro Minute an und der physiologische Blutdruckabfall in der Nacht (Dipping) fehlt. Bei fortgeschrittener KADN ist auch der Sympathikus in Mitleidenschaft gezogen. Dies macht sich dadurch bemerkbar, dass der Blutdruck beim Aufstehen nicht adäquat erhöht werden kann (orthostatische Hypotonie).

Da Hypoglykämien das ohnehin bereits geschädigte autonome Nervensystem zusätzlich belasten, ist ihre Vermeidung bei Patienten mit ADN besonders wichtig. Am Herzen wirken Hypoglykämien QT-Zeit-verlängernd und arrhythmogen. Bei der Blutzuckereinstellung gilt es daher, sowohl Hypo- als auch Hyperglykämien zu vermeiden, da beide Zustände mit Blick auf eine ADN schädlich sein können.

Wie lässt sich gegensteuern? Laut dem Übersichtsartikel steht eine Kontrolle der Symptome im Vordergrund: zum Beispiel Stützstrümpfe und/oder eine Bauchbinde bei orthostatischer Hypotonie sowie Betablocker bei hohem Ruhepuls. Hinzu kommen neben einer möglichst optimalen Blutzuckereinstellung eine Ernährungsumstellung und körperliche Bewegung.

Drei Stunden pro Woche bewegen

»Sport verbessert die autonome Funktion in einem gewissen Grad«, sagte Bönhof dazu. Mindestens drei Stunden pro Woche sollten Patienten sportlich aktiv sein. Besonders bewährt habe sich ein hochintensives Intervalltraining (HIIT), aber die sportliche Betätigung müsse nicht unbedingt intensiv sein – schon etwas Bewegung ist besser als gar keine Bewegung. Um die Intensität des Trainings zu beurteilen, sei die Herzfrequenz bei Patienten mit KADN nicht der ideale Marker. »Stattdessen sollte man berücksichtigen, wie sich die Patienten dabei fühlen«, erklärte der Mediziner.

Sind bei einer ADN Nerven betroffen, die den Verdauungstrakt innervieren, kann sich das durch eine Obstipation, aber auch durch Durchfälle bis hin zur Stuhlinkontinenz äußern. Die Symptome seien unspezifisch, so Bönhof, weshalb meistens erst einmal andere Erklärungen herangezogen würden. Besonders schwierig sei es, wenn bei einem Patienten infolge einer ADN die Magenentleerung verzögert sei. Dann könne es zu schweren Unterzuckerungen kommen, wenn etwa ein Mahlzeiteninsulin gespritzt wurde, der Speisebrei aber noch im Magen verbleibt und deshalb kein adäquater Blutzuckeranstieg stattfindet. Auch ein sprunghafter Anstieg des Blutzuckers sei möglich, wenn plötzlich sehr viel Mageninhalt auf einmal in den Darm gelangt.

Motilitätsfördernde Arzneimittel seien in dieser Situation keine dauerhaft tragfähige Lösung, denn sie könnten nur für kurze Zeit und off Label verordnet werden. Besser geeignet, um Blutzuckerspitzen oder -täler infolge einer Gastroparese zu verhindern, seien kontinuierliche Glucosemesssysteme gekoppelt mit Pumpen. Ein weiteres Problem, das mit ADN-bedingten Motilitätsstörungen einhergeht, lässt sich dadurch allerdings nicht beheben: Laut Bönhof kann eine bakterielle Fehlbesiedelung des Darms begünstigt werden.

Nach Miktion und Sexleben fragen

Nicht zuletzt kann es infolge einer ADN auch zu Blasenentleerungsstörungen und sexueller Dysfunktion kommen. Die DDG rät in ihrer Praxisempfehlung dazu, jeden Patienten mit Diabetes regelmäßig gezielt nach Miktionsstörungen und der Zufriedenheit mit dem Sexualleben zu befragen. Nur: Wie häufig wird das in der Praxis gemacht? »Wir befürworten, dass solche Symptome häufiger aktiv nachgefragt werden«, betonte Bönhof.

Wenn mehr Patienten mit einer ADN identifiziert würden, könnten sie womöglich noch besser betreut und weitere Komplikationen dadurch verhindert werden. Das könnte die Lebensqualität der Betroffenen verbessern und die Sterblichkeit senken: »Es besteht heute kein Zweifel darüber, dass eine ADN erhebliche Konsequenzen hinsichtlich einer reduzierten Lebenserwartung, Risikoabschätzung für Endorganschäden und einer eingeschränkten Lebensqualität hat«, heißt es vonseiten der DDG. So hätten etwa Patienten mit KADN im Vergleich zu Patienten ohne KADN ein 3,5-fach erhöhtes Sterberisiko.

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa