Neues zur COPD-Therapie |
Inhalative Bronchospasmolytika sind das A und O der medikamentösen Therapie bei COPD-Patienten. / Foto: Getty Images/Letizia Le Fur
Die Autoren der aktuellen NVL haben viele Kapitel überarbeitet, unter anderem zu Diagnostik und Monitoring, Tabakentwöhnung, nicht medikamentösen und medikamentösen Therapien sowie die Versorgungskoordination (Stand August 2021; www.leitlinien.de/themen/copd). Es sind aber noch nicht alle Kapitel der Vorgängerversion von 2017 überarbeitet. Beispielsweise stehen die Themen akute Exazerbation, berufsbedingte COPD oder die palliativmedizinische Versorgung noch aus.
Die NVL definiert die COPD als »eine chronische, in der Regel progrediente Atemwegs- und Lungenerkrankung, die durch eine nach Gabe von Bronchodilatatoren nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktion gekennzeichnet ist. Sie geht einher mit einer chronisch-obstruktiven Bronchitis und/oder einem Lungenemphysem«. Die Hauptsymptome Atemnot, Husten und Auswurf lassen eine Einteilung in drei Schweregrade zu, was die Bedeutung der Anamnese unterstreicht (Tabelle 1).
Symptom | Beurteilung (qualitativ): leicht | Beurteilung (qualitativ): mittel | Beurteilung (qualitativ): schwer |
---|---|---|---|
Atemnot | geringgradig unter Belastung: keine Pause nach drei und mehr Stockwerken | unter Belastung: Pause nach einem bis drei Stockwerken | in Ruhe, bei geringster Belastung: Pause nach einem oder weniger Stockwerken |
Husten (Norm: weniger als zwei Hustenstöße/Stunde) | überwiegend nur morgens | mehrfach am Tag | ständig (tagsüber), auch in der Nacht |
Auswurf | nur morgens, keine Beschwerden am Tag oder in der Nacht | mehrfach täglich | ständig verschleimt, Abhusten stark erschwert |
Die COPD ist gekennzeichnet von Exazerbationen. Dies sind akute, über mindestens zwei Tage anhaltende Verschlechterungen der respiratorischen Symptome, die eine Intensivierung der Therapie erfordern. Je nach Behandlungsbedarf ergeben sich vier Schweregrade der Exazerbation.
Der Schweregrad einer COPD wird auch anhand der Alltagsbelastung erfasst. Treppensteigen ist ein wichtiges Kriterium. / Foto: Adobe Stock/buritora
Die frühere Diagnose Asthma-COPD-Overlap (ACO) wird endgültig verlassen. Asthma und COPD sind sehr unterschiedliche Krankheitsentitäten, haben eine unterschiedliche Prognose und werden unterschiedlich therapiert. Weil nun ACO als Diagnose wegfällt, muss der Arzt sich entweder für Asthma oder für COPD entscheiden.
Die englische NICE-Leitlinie (NICE: National Institute for Health and Care Excellence) geht auf die differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten ein. Nicht alle Patienten haben ein typisches, das heißt den Definitionen entsprechendes Asthma oder eine typische COPD. Als möglichen Ausweg schlägt NICE vor: Wenn in der Anamnese ein Asthma diagnostiziert wurde und/oder die eosinophilen Leukozyten im Blut erhöht sind und/oder über den Zeitverlauf die Lungenfunktion sehr schwankt, sollte eine Therapie mit inhalativen Glucocorticosteroiden versucht werden. Bessert sich die Erkrankung im Lauf von einigen Wochen deutlich, liegt wahrscheinlich keine COPD, sondern ein atypisches Asthma vor. Dieses soll nach der Asthma-Leitlinie behandelt werden (www.leitlinien.de/themen/asthma).
Die Diagnostik wird auf die medizinisch und ökonomisch unbedingt erforderlichen Maßnahmen beschränkt. Für die Diagnose COPD benötigt man lediglich eine Anamnese, körperliche Untersuchung, Lungenfunktionsprüfung und Röntgen-Thorax-Aufnahme.
Bei begründeten Zweifeln an der Diagnose oder Hinweisen auf andere Erkrankungen folgen weitere diagnostische Maßnahmen.
Die Autoren der neuen NVL befürworten eine strukturierte Erfassung von Anamnese, Symptomen und Befunden und liefern in einigen Kapiteln dazu Vorschläge, die aber noch weiterentwickelt werden müssen. Eine standardisierte Erfassung und Validierung der Primärdaten ist die grundlegende Voraussetzung für die Digitalisierung, zum Beispiel im Rahmen künstlicher Intelligenzen.
Beim entscheidenden diagnostischen Schritt, der Lungenfunktionsprüfung, werden die neuen Sollwertformeln der Global Lung Function Initiative empfohlen. Diese verhindern eine Überdiagnostik bei älteren und Unterdiagnostik bei jüngeren COPD-Patienten.
Studien zeigen, dass die COPD oft nicht der eigentliche Grund für den Schweregrad der Erkrankung oder gar die Todesursache ist. Gleichzeitig vorliegende Erkrankungen verschlechtern die Prognose der Patienten erheblich.
An erster Stelle der Komorbiditäten nennt die NVL die Tabakabhängigkeit. Weitere häufige Begleiterkrankungen sind kardiovaskuläre Erkrankungen wie arterielle Hypertonie, koronare Herzerkrankung, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz und periphere arterielle Verschlusskrankheit, ein metabolisches Syndrom mit Diabetes mellitus, Adipositas, Angststörungen und Depression, Lungenerkrankungen wie pulmonale Hypertonie, schlafbezogene Atmungsstörungen oder Lungenkrebs, Osteoporose und Muskelschwäche.
Diese Begleitkrankheiten machen medikamentöse Therapien komplex, schon wegen der Interaktionen der notwendigen Medikamente. Hier ist ein wichtiges Aufgabenfeld für den Apotheker.
Der entscheidende therapeutische Schritt, der die Prognose der COPD verbessert, ist die verhaltenstherapeutische und unterstützend medikamentöse Tabakentwöhnung. Dazu heißt es in der NVL: »Eine relevante Verbesserung der COPD kann nur mit totaler Abstinenz erreicht werden. Deshalb soll rauchenden Patientinnen und Patienten mit COPD dringend die vollständige und dauerhafte Abstinenz empfohlen werden.« Anbieten sollte man das zwar allen Rauchern, erfolgreich entwöhnt werden jedoch nur die Menschen, die dies tatsächlich wollen.
Zunächst dokumentiert man die Rauchgewohnheiten. Dazu findet man in der NVL einen speziellen Fragebogen mit zehn Themen (Kasten). Schon diese Raucheranamnese hat einen Entwöhnungsnutzen.
Es folgt eine Kurzberatung in der Allgemeinarztpraxis, die auf die individuellen Krankheitsrisiken eingeht und qualifizierte Entwöhnungsangebote benennt, eventuell auch den Kontakt herstellt. Die NVL stellt klar: »Bei entwöhnungsbereiten Patientinnen und Patienten mit COPD soll eine kombinierte Therapie mit Verhaltenstherapie und medikamentöser Behandlung eines Entzugssyndroms nachdrücklich empfohlen werden.«
Dabei soll eine Nikotinersatztherapie die Symptome lindern und nicht zur Dauerbehandlung werden. Bei den Medikamenten gegen die Nikotinsucht fehlen belastbare Studien für langfristige Abstinenzraten, denn die üblichen sechs oder zwölf Monate Beobachtungszeitraum sind zu knapp. Sowohl Nortriptylin als auch Vareniclin oder Bupropion verlängern im Vergleich zu Placebo die Abstinenzzeiten im untersuchten Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten. Langfristig effektiver ist immer die Kombination mit einer Verhaltenstherapie (Kasten).
Leider gibt es hierzulande nur wenige validierte Entwöhnungsprogramme. Die NVL erwähnt Programme von mehreren Institutionen:
Hilfreich ist die Rückfrage bei der zuständigen Krankenkasse, wo es in der Umgebung ein Entwöhnungsprogramm gibt und ob sie die Kosten für einen Kurs übernimmt.
Es gibt keine validen Daten zur Rauchentwöhnung mittels E-Zigarette. Die Nikotinsucht bleibt bestehen, jedoch werden die üblichen Schadstoffe für Bronchitis und Lungenemphysem vermieden. Ob andere inhalierbare Inhaltsstoffe der E-Zigaretten langfristig lungenschädlich sind, kann noch nicht abschließend beantwortet werden. Zurzeit wird von E-Zigaretten deshalb abgeraten.
Fitness ist in jedem Alter hilfreich. Dies gilt auch für COPD-Patienten, denn körperliches Training kann die Lungenkapazität erhalten. / Foto: Adobe Stock/sabine hürdler
Gut gesichert ist der positive Effekt körperlichen Trainings, zum Beispiel in einer Lungensportgruppe: Die Ausdauer nimmt zu und die Belastungsdyspnoe ab. Diese Fitness kann über lange Zeit erhalten werden. Der Effekt nimmt allerdings schnell ab, wenn der Patient nicht kontinuierlich weitertrainiert. Auch in der Wohnung kann unter Anleitung von Physiotherapeuten eine individuell angepasste Bewegungstherapie effektiv sein. Ebenso empfohlen wird eine physiotherapeutische Atemtherapie mit dem Ziel der Selbstbehandlung bei Atemnot und gegebenenfalls zur Sekretmobilisation.
Die Pneumokokken-Impfung reduziert die Pneumonie-Häufigkeit und die Exazerbationsrate bei COPD. Ebenso wirkt die Influenza-Impfung.
Es häufen sich die Publikationen, die einen günstigeren Covid-19-Verlauf bei geimpften COPD-Patienten sehen. Daher sollen alle Patienten mit COPD den Empfehlungen der ständigen Impfkommission entsprechend gegen Pneumokokken, Influenza und SARS-CoV-2 geimpft werden.
Unter dem Begriff COPD werden verschiedene Phänotypen der Erkrankung zusammengefasst, die man immer besser zu unterscheiden lernt. Dies hat nun Folgen für die Therapiekonzepte. Die neue NVL teilt die medikamentöse Behandlung in zwei Schienen, weil die COPD-Variante mit häufigen Exazerbationen einen deutlich schlechteren Verlauf mit kürzerer Überlebenszeit hat als die Bronchitis-Variante.
Eine Übersicht über die wichtigsten inhalativen Bronchospasmolytika und inhalativen Corticosteroide gibt die Tabelle 2.
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe |
---|---|
Anticholinergika | |
kurz wirksam (SAMA) | Ipratropiumbromid |
lang wirksam (LAMA) | Tiotropiumin Kombinationen Umeclidinium, Glycopyrronium |
Beta-2-Adrenozeptor-Agonisten | |
kurz wirksam (SABA) | Salbutamol, Terbutalin, Fenoterol |
lang wirksam (LABA) | Formoterol, Salmeterol, Indacaterol |
Inhalative Corticosteroide | |
Beclometason, Budesonid, Fluticason, Ciclesonid | |
Kombinationen | |
kurz wirksam | Fenoterol + IpratropiumSalbutamol + Ipratropium |
lang wirksam | Formoterol + BudesonidSalmeterol + FluticasonFormoterol + BeclometasonVilanterol + Umeclidinium + FluticasonFormoterol + Glycopyrronium + BeclometasonFormoterol + Glycopyrronium + Budesonid |
Da bei COPD-Patienten unter ICS häufiger Pneumonien beobachtet wurden, ist Vorsicht geboten. Wenn man weniger als 100 Eosinophile/µl Blut findet, sollte das inhalative Corticoid zumindest versuchsweise abgesetzt werden. Damit bleibt fraglich, ob der breite Einsatz von modernen Dreifach-Kombinationen (Tabelle 2) ohne Berücksichtigung der genannten Phänotypen die Prognose wesentlich verbessern wird. Indiziert bleiben diese Tripel-Kombinationen (LABA + LAMA + ICS) nach aktueller NVL nur beim fortgeschrittenen Exazerbationstyp.
Die Grafik zeigt den Algorithmus zur Langzeitbehandlung. Vor jeder Eskalation sind Adhärenz und Inhalationstechnik zu prüfen. Wenn die Patienten längere Zeit beschwerdearm oder beschwerdefrei sind oder von einer Eskalation nicht profitieren oder unerwünschte Wirkungen auftreten, sollte der Arzt unter engmaschiger Kontrolle prüfen, ob die Therapie deeskaliert werden kann.
Grafik: Algorithmus zur medikamentösen Langzeitbehandlung; nach NVL 2021. LAMA: lang wirksame Anticholinergika (long-acting muscarinic antagonist), LABA: lang wirksame Beta-2-Sympathomimetika (long-acting beta2-agonist), ICS: inhalatives Corticosteroid, SABA: kurz wirksame Beta-2-Sympathomimetika, SAMA: kurz wirksame Anticholinergika / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Ein andauerndes Problem bleibt die korrekte Anwendung der Inhalationssysteme. Die Patienten müssen eingehend und wiederholt instruiert werden – mit ihrem eigenen Inhalationssystem. Leider unterscheiden sich die verfügbaren Geräte erheblich.
Bei Sprühverneblern und Dosieraerosolen wird das Aerosol passiv erzeugt unabhängig von der Mitarbeit des Patienten. Somit funktioniert die Inhalation auch bei geringem Einatemfluss. Bei Dosieraerosolen muss die Koordination von Aerosolerzeugung und Einatmung geübt werden.
Der richtige Umgang mit einem Inhalator ist keineswegs trivial. / Foto: Fotolia/vbaleha
Elektrische Vernebler erzeugen das Aerosol passiv durch Druckluft oder Ultraschall, sind ebenfalls unabhängig von der Mitarbeit des Patienten und funktionieren auch bei geringem Einatemfluss. Die Medikamentenapplikation kann durch Aufsätze mit einer Stenose-Atmung kombiniert werden.
Die aktive Aerosolerzeugung aus Pulverinhalatoren erfordert Energie, die in unterschiedlichem Ausmaß durch den Druckabfall im Pulverinhalator oder durch die Scherkräfte einer forcierten Einatmung generiert wird.
Für viele Patienten, aber auch für viele Ärzte sind die erforderlichen Atemzugmanöver und deren Folgen für die bronchiale Deposition nicht recht nachvollziehbar. Hier hilft die Fachkompetenz von Apothekern weiter, die den Patienten entsprechend instruieren können.
Prinzipiell gilt: Je kleiner die Aerosolteilchen sind, desto langsamer und länger soll eingeatmet werden, um den Teilchen Gelegenheit zur Sedimentation im Bronchialbaum zu geben. Das gilt für Dosieraerosole, Sprühvernebler und elektrische Vernebler; die inspiratorische Anstrengung ist dabei gering. Das Atemmanöver beginnt mit tiefer Ausatmung (Exspiration), anschließend langsamer maximaler Einatmung (Inspiration) und endet mit einer langsamen Exspiration gegen die Lippenbremse.
Bei Pulverinhalatoren sind die kleinen Wirkstoffteilchen an größere Trägerpartikel gebunden, die sich im Atemstrom erst trennen müssen. Die dazu erforderliche Energie liefert eine forcierte Inspiration mit hohem Fluss, das heißt mit deutlich größerer Anstrengung. Nach tiefer Exspiration wird sehr schnell maximal eingeatmet und gegen die Lippenbremse langsam ausgeatmet. Bei Atemfluss-getriggerten Systemen ist ein definierter Inspirationsfluss für die Auslösung nötig. Man benötigt sie allenfalls bei Patienten, die Ein- und Ausatmung nicht gut koordinieren.
Es ist keineswegs banal, das optimale Gerät für jeden Patienten zu finden. Hier sind Ärzte und Apotheker gefordert, die adäquate Inhalatortechnik auszuwählen. Bei mangelnder Symptomkontrolle sollte man zuerst die Inhalationsweise des Patienten überprüfen und ihn bei Bedarf erneut instruieren. Erst im zweiten Schritt soll über ein besser geeignetes Device nachgedacht werden.
Ein häufiges Problem ist der Wechsel des Inhalationssystems. Wenn der Arzt auf dem Rezept »aut idem« durchgestrichen hat, gibt das Apothekenteam das erprobte Inhalationssystem ab, das für die Bedürfnisse des Patienten am bisher besten geeignet war.
Wenn »aut idem« offenbleibt, muss je nach Rabattvertrag ein entsprechendes Inhalationssystem ausgesucht werden. Das ist bei einem Wechsel innerhalb der Inhalatortechnik meist unproblematisch, schwierig aber bei einem Austausch zwischen Dosieraerosol und Pulverinhalator. Viele Patienten kommen nach erneuter Instruktion damit zurecht. Ist dies nicht gewährleistet, sollte der Apotheker pharmazeutische Bedenken im Sinn des Rahmenvertrags erwägen und den zuständigen Arzt informieren.
Der unspezifische Phosphodiesterase-(PDE)-Hemmer Theophyllin ist aus den Therapieempfehlungen ganz verschwunden. Bei COPD-Patienten mit häufigen Exazerbationen trotz leitliniengerechter inhalativer Therapie sollte der selektive PDE-4-Hemmer Roflumilast zusätzlich gegeben werden. Dies kann die Häufigkeit der Exazerbationen um etwa 22 Prozent reduzieren. Auch bei Patienten mit Eosinophilie kann die Erkrankung besser stabilisiert werden. Es gibt Hinweise auf eine additive antientzündliche Wirkung mit LABA. Dosislimitierend sind unerwünschte Wirkungen am Gastrointestinaltrakt und der Gewichtsverlust.
Orale Glucocorticoide sind in der Dauertherapie zu vermeiden, bei COPD-Exazerbationen jedoch wichtig. Dieses Thema wird die NVL später behandeln. Als Dauertherapie verhindern sie den ungünstigen Verlauf der COPD nicht, aber die unerwünschten Wirkungen sind erheblich. Man sollte daher versuchen, orale Glucocorticoide nach einer Exazerbation möglichst bald wieder abzusetzen.
Im Einzelfall kann eine prophylaktische Antibiotikagabe die Häufigkeit der Exazerbationen bei schwergradiger COPD reduzieren. Generell empfohlen wird dies wegen der geringen wissenschaftlichen Evidenz jedoch nicht.
Überwiegen die bronchitischen Beschwerden mit Hypersekretion, kann man Mukolytika einsetzen. Die Symptomatik und Exazerbationsrate können sich verbessern; das Fortschreiten der COPD wird nicht wesentlich beeinflusst.
Wenn die Komorbiditäten eine Behandlung mit Betablockern erfordern, spricht bei leicht- bis mittelgradiger COPD nichts dagegen. Da bei einer Studie mit Metoprolol vermehrt Exazerbationen bei schwerer COPD auftraten, wurde sie abgebrochen. Die Indikation zu Betablockern ist also streng zu stellen.
Bisher gibt es keine medikamentöse Therapie des Lungenemphysems bei COPD-Patienten. Hier kommt es zur Zerstörung und Überdehnung der Lungenbläschen (Alveolen), an denen der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid stattfindet. In der Folge ist die Ausatmung erschwert und die Lunge zunehmend überbläht. Bei Anstrengung fällt die arterielle Sauerstoffsättigung ab.
Bei leichter COPD kann das Fortschreiten des Emphysems durch körperliches Training und Rauchverzicht verhindert werden. Da Lungengewebe beim Erwachsenen nicht nachwächst, bleibt es beim vorhandenen Schaden. Operative und interventionelle Verfahren reduzieren das Lungenvolumen in extrem emphysematischen Arealen. So versucht man, die weniger geschädigten Bereiche besser zu belüften. Lungentransplantationen kommen wegen der vielen Komorbiditäten nur ausnahmsweise in Betracht.
Ein Sonderfall ist das Lungenemphysem beim sehr seltenen hereditären Alpha-1-Antitrypsin-Mangel. Hier kann eine Substitutionsbehandlung das Fortschreiten des Emphysems aufhalten.
Genau genommen ist die aktuelle Therapie der COPD nicht heilend, sondern rein symptomatisch. Damit ist sie definitionsgemäß eine frühe palliative Maßnahme.
In der Palliativsituation kann die Sauerstoffzufuhr die quälende Atemnot lindern. / Foto: Adobe Stock/perfectlab
In der Vorgängerversion der NVL (2017) bezieht man sich jedoch auf das letzte Lebensjahr, in dem Atemnot, Müdigkeit, Angst, Depression und Schmerzen die Hauptsymptome der Patienten sind: »Die Wirksamkeit von Sauerstoff zur Linderung der Atemnot bei COPD-Patienten im Endstadium ist belegt. Eine Metaanalyse zum Einsatz von Opioiden bei Dyspnoe jeder Ursache zeigt einen statistisch gesicherten Effekt […]. Bei untergewichtigen Patienten kann eine Ernährungstherapie mit hochkalorischer Zusatznahrung zur Besserung des Allgemeinbefindens und zu einer Verbesserung der Kraft der Atemmuskeln beitragen. […] Wenigstens bei zwei Dritteln aller COPD-Patienten im Endstadium liegen Depressionen und Angststörungen vor. Zur Behandlung stehen in Abhängigkeit von der Qualität der Störung medikamentöse und nicht medikamentöse Therapieverfahren zu Verfügung. Die analgetische Therapie eines COPD-Patienten orientiert sich an den WHO-Empfehlungen.«
Ob Behandlungen auf der Intensivstation noch sinnvoll sind, sollte frühzeitig mit Patient und Angehörigen besprochen werden (im Sinne eines Advance Care Planning).
Allen Patienten soll ein strukturiertes und evaluiertes Schulungsprogramm empfohlen und auch vermittelt werden. Einfache Instruktionen, zum Beispiel zum Gebrauch der Inhalationssysteme, sind notwendig, ersetzen jedoch nicht die intensive Schulung, zum Beispiel zu Art der Erkrankung, Schadstoffen und Selbsthilfe (neue Flyer zur Patientenschulung).
Alle Patienten mit COPD sollten einen Aktionsplan erhalten (Beispiel). Er erlaubt den Patienten, ihre Symptomatik vor allem bei Exazerbationen einzustufen und die Medikamente selbstständig anzupassen (Selbstbehandlung). Aktionspläne erhöhen die Sicherheit für den geschulten Patienten.
Eine Reihe von neuen Wirkstoffen, die an diversen Targets angreifen, ist in klinischer Entwicklung (DOI: 10.4155/fdd-2021-0001). Antikörpertherapien sind beim Asthma bronchiale schon im Einsatz und werden weiterentwickelt. Bei COPD wird Benralizumab (Fasenra®), ein intravenöser IL-5-Rezeptorblocker, in klinischen Studien untersucht. Er soll die Häufigkeit von Exazerbationen reduzieren, wenn die Eosinophilen im Blut erhöht sind.
Eine Reihe neuer oraler und inhalativer PDE-Inhibitoren wurde bei COPD-Patienten untersucht und wegen geringer Wirkung und/oder häufigen Nebenwirkungen nicht weiterentwickelt. Hingegen reduziert der inhalative PDE-4-Inhibitor CHF6001 (Chiesi Farmaceutici) die Entzündung der Atemwege bei Patienten mit Triple-Therapie und befindet sich in klinischen Studien. Der inhalative PDE-3/4-Inhibitor Ensifentrine (RPL554, Verona Pharma) wirkt bronchodilatatorisch über den Effekt von LABA plus ICS hinaus. Größere klinische Studien sind geplant.
Chemokinrezeptor-Inhibitoren (CXCR2-Antagonisten wie das oral anwendbare AZD5069, Astra-Zeneca) wirken am Interleukin-8-Rezeptor. IL-8 spielt eine wichtige Rolle bei der neutrophilen Entzündung der Bronchien und des Lungenparenchyms, die durch Corticosteroide nicht erreicht wird. Klinische Studien sind unterwegs.
Die p38-mitogen-aktivierten Proteinkinasen (p38-MAPK) sind an diversen entzündlichen Prozessen beteiligt, bei denen oxidativer Stress eine Rolle spielt, zum Beispiel beim Lungenemphysem. Der oral verfügbare p38-MAPK-Inhibitor PH-797804 (Pfizer) wurde in klinischen Studien bei COPD erprobt.
Phosphoinositid-3-Kinasen (PI3K) können Neutrophile aktivieren und so zum Fortschreiten des Lungenemphysems beitragen. Zur Wirkung von PI3K-Inhibitoren wird noch Grundlagenforschung betrieben. Dies gilt ebenfalls für die Effekte von Selektin-Antagonisten bei COPD, denn Selektine steuern das Anhaften der Leukozyten und den Durchtritt durch die Gefäßwand ins Lungengewebe.
Aus wildem Schnittlauch wird die antientzündliche, oral verfügbare Substanz YPL001 (Yungjin Pharma) hergestellt. Sie soll das Fortschreiten der COPD-Erkrankung aufhalten. Phase-II-Studien laufen.
COPD ist eine fortschreitende Erkrankung, wenn das Tabakrauchen nicht aufgegeben wird. Entscheidend für die Prognose sind die frühe Diagnose, Nikotinentwöhnung und Sport. Es stehen ausreichend wirksame inhalative Bronchodilatatoren zur Verfügung, deren Anwendung eingeübt werden muss. Leider fehlt bis heute eine medikamentöse Therapie des Lungenemphysems. Die Prognose wird durch Begleiterkrankungen zusätzlich verschlechtert. Für Apotheker gibt es wichtige Aufgabenfelder in der Rauchentwöhnung, bei der inhalativen Therapie und der komplexen medikamentösen Behandlung von COPD-Patienten mit Begleiterkrankungen.
Michael Schmidt studierte Botanik, Zoologie und Medizin an der Julius-Maximilians-Universität, Würzburg. Nach Approbation und Promotion erwarb er die Anerkennung als Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde sowie die Zusatzbezeichnung Allergologie und habilitierte sich im Fach Innere Medizin. Er war langjähriger Leitender Arzt des Schwerpunkts Pneumologie am Uniklinikum Würzburg. Er gründete und leitete das Klinische Ethikkomitee, gründete das interdisziplinäre Thoraxzentrum Mainfranken sowie das Sarkoidose-Zentrum. Seit Beginn des Ruhestands 2015 ist Professor Schmidt als Referent und Autor tätig.