Neues Wirkprinzip schließt Therapielücke bei Krebs |
Daniela Hüttemann |
03.06.2021 12:30 Uhr |
Sotorasib ist der erste GTPase-Hemmer, der sich gegen das mutierte Enzym KRAS richtet. Auch in Europa ist die Zulassung beantragt. / Foto: Amgen
Die neue Substanz adressiert aber erstmals spezifisch die mutierte onkogene GTPase KRAS. Das Akronym steht für Kirsten Rat Sarcoma Virus, es bezeichnet ein bestimmtes RAS-Enzym, das bei Ratten Sarkome hervorrufen kann und von Werner Kirsten zum ersten Mal identifiziert wurde. KRAS spielt bei vielen zellulären Signalwegen eine Rolle, auch bei der Regulation von Zellwachstum und Zellteilung.
Sotorasib (Lumakras™) von Amgen ist durch die FDA-Zulassung die weltweit erste verfügbare zielgerichtete Therapie für Patienten mit dieser nicht seltenen Mutation. Etwa jeder vierte nicht kleinzellige Lungenkrebs (NSCLC) zeigt Mutationen im KRAS-Gen. 13 Prozent aller NSCLC-Tumoren zeigen die Variante KRAS-G12C, gegen die sich der neue, oral verfügbare Arzneistoff richtet. Bis jetzt galten diese Tumoren als therapieresistent.
Ausschlaggebend für die US-Zulassung war eine Untergruppe der Phase-III-Studie CodeBreaK 100, an der insgesamt 800 Patienten mit 13 verschiedenen Tumorarten teilnehmen, die jedoch alle eine KRAS-G12C-Mutation aufweisen. Begutachtet wurden die Daten von 124 NSCLC-Patienten, bei denen der Lungenkrebs lokal fortgeschritten oder metastasiert war. Die Patienten waren bereits mit einem Checkpoint-Inhibitor und/oder einer platinbasierten Chemotherapie vorbehandelt worden. Sie bekamen in der Studie einmal täglich 960 mg Sotorasib in einer oralen Formulierung oder Placebo. Auf den KRAS-Hemmer sprachen 36 Prozent der Probanden an (der Tumor schrumpfte oder verschwand ganz); das Ansprechen hielt bei mehr als der Hälfte (58 Prozent) mindestens sechs Monate lang an. Die Studienergebnisse werden diesen Freitag im »New England Journal of Medine« veröffentlicht.
Voraussetzung für die Verordnung ist ein spezifischer Biomarker-Test auf die entsprechende Mutation und dass die Patienten eine erfolglose Vortherapie hinter sich haben. Amgen hat im Dezember 2020 auch die Zulassung in der Europäischen Union beantragt.
Häufigste Nebenwirkungen waren Durchfall, Muskel- und Knochenschmerzen, Übelkeit, Fatigue, Leberschäden und Husten. Daher sollte die Leberfunktion vor Therapiestart und während der Behandlung überprüft werden. Kommt es zu Leberschäden, sollte die Therapie unterbrochen, die Dosis reduziert oder ganz abgebrochen werden. Ebenfalls ungeeignet ist Sotorasib bei Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung, die auch durch den Arzneistoff ausgelöst werden kann (bei 0,8 Prozent der Studienteilnehmer).
»KRAS ist seit mehr als 40 Jahren eine Herausforderung für Krebsforscher, da es von vielen als ›undruggable‹ angesehen wird«, erklärte Dr. David M. Reese, Executive Vice President für Forschung und Entwicklung bei Amgen. Sotorasib sei der erste KRAS-Inhibitor, der in die klinische Entwicklung gegangen sei. Dank eines beschleunigten Zulassungsverfahrens habe es von der Dosierung des ersten Patienten bis zur US-Zulassung nur drei Jahre gedauert. Die Studienergebnisse für Patienten mit Darmkrebs und dieser Mutation (etwa 1 bis 3 Prozent der kolorektalen Tumoren) sollen später in diesem Jahr vorliegen.
Mit mehr als 50.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Lungenkrebs auch die häufigste Krebsart in Deutschland. Rund 35.000 Menschen sterben daran, auch, weil die Erkrankung oft erst entdeckt wird, wenn der Tumor schon Metastasen gebildet hat. Bereits mit den bislang verfügbaren Kinase-Hemmern sei es gelungen, die mittlere Überlebenszeit von 9,6 auf 31,5 Monate zu verlängern, sagte Professor Dr. Gernot Rohde, Leiter des Schwerpunktes Pneumologie/Allergologie am Universitätsklinikum Frankfurt, anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der vom 2. bis 6. Juni online stattfindet. Auch er setzt Hoffnungen in den neuen KRAS-Hemmer für bislang schlecht therapierbare Patienten. »Die Entdeckung der Immuncheckpoints und der Treibermutationen, sowie der gezielt darauf abgestimmten Wirkstoffe hat die Lungenkrebstherapie in den vergangenen Jahren revolutioniert«, resümierte der DGP-Kongresspräsident.