Neues Pharmazie-Institut als Lichtblick |
Christina Hohmann-Jeddi |
18.11.2022 09:00 Uhr |
Foto: PZ/Christina Hohmann-Jeddi
Die gute Nachricht gleich zuerst: Das Pharmazeutische Institut der Friedrich-Schiller-Universität in Jena erhält einen Neubau. Diesen hätten Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee und Finanzministerin Heike Taubert (beide SPD) und beschlossen und die Gelder bereitgestellt, berichtete Schreiber auf der Versammlung der Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT) in Erfurt. Bis 2027 solle das neue Institut in der Bachstraße entstehen; veranschlagt seien dafür Kosten in Höhe von etwa 80 bis 90 Millionen Euro.
Allerdings hätten der Minister und die Ministerin klargestellt, dass es mit dem Neubau keine Kapazitätserhöhung für das Institut verbunden sein werde und es bei 75 Studienplätzen pro Jahrgang bleibe. Die Kapazität zu erhöhen und mehr zukünftige Kolleginnen und Kollegen auszubilden, war ein Wunsch der Apothekerkammer gewesen, weil sich die Personalsituation in Apotheken weiter verschärfe, berichtete Schreiber. Ein Grund hierfür sei, dass in Thüringen neben den in Rente gehenden Apothekern auch die leitungsbefugten Pharmazieingenieure ersetzt werden müssten, erinnerte der Präsident. Zwischen 2001 und 2021 seien etwa 400 Pharmazieingenieure ausgeschieden.
Dabei müssten Apotheken heute im Vergleich zu 2001 zusätzliche komplexe Aufgaben wie das Medikationsmanagement, Impfen oder die neu etablierten pharmazeutischen Dienstleistungen übernehmen und sich vermehrt mit der Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln beschäftigen. Insbesondere Letzteres sei sehr zeitaufwendig. Und auch bei der Etablierung der pharmazeutischen Dienstleistungen, die derzeit nur von knapp der Hälfte der Apotheken in Deutschland angeboten werden, zeige sich, dass schlicht das Personal für diese erwünschten Aufgaben fehle.
In wenigen Tagen hätten Vertreter der LAKT mit der Landesgesundheitsministerin Heike Werner (Linke) noch ein Gespräch zu dem anstehenden Neubau, in dem man auf diese Fakten noch einmal hinweisen werde, sagte Schreiber. Insgesamt freue man sich aber über den geplanten Neubau in Jena, der die Attraktivität des Standortes für Studierende und Lehrende erhöhen deutlich könnte.
Nachwuchssorgen haben Apothekeninhaber nicht nur in Thüringen, sondern bundesweit. Laut dem Apothekenklima-Index 2022 der ABDA, den Schreiber zitierte, suchten sieben von zehn Apotheken Personal. Die Branchenstimmung sei der Befragung zufolge auf einem Tiefstand: 82 Prozent der befragten Apothekenleiter erwarteten eine negative wirtschaftliche Entwicklung der Branche in den nächsten zwei bis drei Jahren.
Ein Grund hierfür sei das beschlossene GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das unter anderem eine zeitlich befristete Erhöhung des Kassenabschlags von 1,77 auf 2 Euro vorsehe, was die Apotheken insgesamt 120 Millionen Euro kosten würde. »Das ist ein Unding«, betonte Schreiber. In der Coronapandemie hätte die Apothekerschaft viele vom Staat gewünschte Aufgaben wie Maskenverteilen, Testen und schließlich auch Impfen übernommen und nun werde sie dafür finanziell bestraft. »Wir werden im Grunde genommen dafür bestraft, dem Staat in der Krise geholfen zu haben«, brachte es der Präsident auf den Punkt. Dabei sei wegen steigender Kosten, vor allem für Energie, eine Forderung nach einer Honorarerhöhung angebracht.
Während bei den Apotheken, auf die etwa 1,9 Prozent der GKV-Ausgaben entfielen, eingespart würde, stelle das Bundesgesundheitsministerium gleichzeitig 750 Millionen Euro pro Jahr für den Aufbau von Gesundheitskiosken zur Verfügung. »Hier wird eine zusätzliche Struktur geschaffen, während in etablierten Strukturen des Gesundheitssystems Ressourcen abgezogen werden«, kritisierte Schreiber.
Auch vom E-Rezept konnte der Kammerpräsident keine guten Neuigkeiten berichten. In beiden Modellregionen seien die Kassenärztlichen Vereinigungen ausgestiegen – auch aufgrund der Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber (SPD). »Für das Projekt ist das ein Tiefschlag«, konstatierte Schreiber. Für die Einlösung von E-Rezepten über die elektronische Gesundheitskarte (EGK) hatte Kelber eine PIN-Eingabe gefordert. Diese PIN solle es laut Angaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erst Mitte 2023 für alle Menschen in Deutschland geben, weshalb sich die Testphase noch erheblich verlängern werde, so Schreiber.
Von den Widrigkeiten sollten sich Apothekerinnen und Apotheker aber nicht entmutigen lassen, forderte er seine Kolleginnen und Kollegen auf. »Wir müssen unseren Job machen und auch bei Widrigkeiten dranbleiben und unsere Sache vertreten.«
In der Kammerversammlung wurden auch die Chancen einer Ausbildung von Pharmazeutisch-technischen Assistentinnen und Assistenten (PTA) in Teilzeit diskutiert, die mit Inkrafttreten des PTA-Reformgesetzes Januar 2023 möglich wird. Wenn die Unterrichtsstunden der Schülerinnen und Schüler reduziert würden bei Verlängerung der Schulzeit insgesamt, hätten diese Zeit, in Apotheken zu arbeiten. Dies hätte Vorteile für die Schüler, die ihre Ausbildung darüber in Teilen finanzieren könnten und während der Schulzeit schon Praxisbezug hätten, hieß es in der Diskussion. Zum anderen hätte es auch Vorteile für Apotheken, die somit personelle Unterstützung bekämen und Schülerinnen und Schüler an ihre Offizin binden könnten.
Eine erste Anfrage der LAKT an thüringische PTA-Schulen sei positiv ausgefallen, berichtete Schreiber. Mehrere Schulen hielten eine PTA-Ausbildung in Teilzeit für machbar. Der LAKT-Präsident schlug vor, zunächst über die Machbarkeit von verschiedenen Varianten der Teilzeit-Ausbildung mit den Schulen zu sprechen und gegebenenfalls mit entsprechenden Vorschlägen auf das Kultusministerium zuzugehen.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.