Neuer Pharmazie-Campus liegt auf Eis |
Mehr Studenten und mehr Platz soll es auf dem geplanten Pharmazie-Campus in der Bachstraße geben. Dieses Vorhaben verzögert sich nun. / © Imago/Steve Bauerschmidt
Thüringen leidet, wie ganz Deutschland, unter einem Apothekermangel, der sich angesichts des demografischen Wandels in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird. Um mehr junge Pharmazeuten ausbilden zu können, ist in Jena der Bau eines neuen Pharmazeutischen Instituts geplant. Doch das Vorhaben ist ins Stocken geraten und die Kosten könnten erheblich höher ausfallen als bisher angenommen.
Der Grund dafür ist, dass die vorherige Landesregierung die Finanzierungsvereinbarung nicht mehr unterzeichnet hatte. Die neue Landesregierung will sparen und fordert eine Anpassung des Projekts. Verzögert sich der Bau weiter, drohen geplante EU-Fördergelder zu verfallen. Darüber berichtete der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) am 15. März.
Das neue Pharmazeutische Institut soll auf dem Gelände der ehemaligen Frauenklinik in der Bachstraße in Jena entstehen und sollte Teil eines groß angelegten Wissenschaftscampus werden. Neben der Pharmazie sollten dort auch die Ernährungswissenschaft und das Institut für Datenwissenschaft der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR) Platz finden. Die geplanten Gesamtkosten beliefen sich auf etwa 109 Millionen Euro.
Die Bauanmeldung hätte der alten Landesregierung zwar seit zwei Jahren vorgelegen, die Finanzierungsvereinbarung habe die Finanzministerin Heike Taubert aber nicht mehr unterschrieben, berichtete der MDR. Damit hat die ehemalige Regierung die 109 Millionen Euro Baukosten nicht mehr freigegeben. Mit dem Regierungswechsel sei es dann es zu einer Neubewertung des Projekts gekommen. Die flankierenden Institute seien gestrichen worden, das Pharmazeutische Institut bleibe weiterhin auf der Agenda. Das soll die Kosten reduzieren.
Diese Entwicklung treffe die Universität hart. »Die Entscheidung des Landes, die Baumaßnahme zur Errichtung des Neubaus der Pharmazie nicht durchzuführen, hat uns überrascht und enttäuscht«, erklärte Uni-Kanzler Thoralf Held gegenüber dem Nachrichtensender. Seit 25 Jahren wolle die Universität das Pharmaziestudium modernisieren, mehr Platz schaffen und die Infrastruktur verbessern.
Auch Ronald Schreiber, Präsident der Landesapothekerkammer Thüringen, zeigte sich enttäuscht. »Wir brauchen die fertigen Studenten auch für die Arbeit in den Apotheken«. Derzeit können maximal 75 Studierende pro Jahrgang ausgebildet werden, die Labore sind veraltet. Mit dem neuen Institut soll die Zahl auf mehr als 100 Studierende pro Jahr ansteigen.
Da sich der Bau nun verzögert, ergibt sich ein weiteres Problem: Die Europäische Union hatte zugesagt, zwei Drittel der Baukosten über sogenannte EFRE-Mittel (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) zu finanzieren. Diese Mittel verfallen jedoch 2026. »Wären es mit EU-Förderung vielleicht 40 Millionen Euro Eigenanteil geworden, sind dann wahrscheinlich 70 bis 80 Millionen fällig, kalkuliert man die künftigen Baukostensteigerungen mit ein«, schreibt der MDR.
Die Universität schätzt, dass der neue Pharmazie-Campus aufgrund der Verzögerungen erst frühestens Anfang der 2030er Jahre kommen wird.
Danny Neidel, Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT), sei zumindest ein Stück weit optimistisch, wie er auf Nachfrage der PZ mitteilte. Vor einigen Wochen war er beim Fachschaftsrat Pharmazie am Institut der Friedrich-Schiller-Universität eingeladen. Den Sitzungsraum kannte er noch gut aus Studienzeiten. »Hier hatte ich Testate und Protokolle geschrieben, Proben fürs Mikroskopieren abgeholt und sogar eine Prüfung absolviert. Die Stühle in diesem Raum sind unvergesslich – und sie sind immer noch, nach über dreißig Jahren, da.«
Es sei nur ein Bild, aber es stehe symbolisch für das Institut für Pharmazie in Jena. »1992 wurde es mit viel Enthusiasmus und einer unglaublichen Energieleistung aller Beteiligten wiedereröffnet. In DDR-Zeiten war es geschlossen worden, weil man meinte, es ginge auch ohne Apothekerinnen und Apotheker«, so Neidel. Das sei damals schon ein Irrtum gewesen. »Als ich 1994 mein Studium begann, war vieles provisorisch, schon damals liefen wir durch die Stadt von einem Standort zum nächsten, 30 Minuten Wegstrecke war keine Seltenheit.«
Dann sollte es einen Neubau geben, auf dem ehemaligen Werksgelände der Jenapharm. Das Geld war da, die Pläne waren fertig, doch gebaut wurde das Institut für Anorganische und Analytische Chemie. »Dieser Schlag von damals sitzt tief und hat einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. In jedem Fall macht es mich sehr skeptisch bei politischen Versprechen. Beim Tag der Pharmazie 2019 versprach Minister Tiefensee auf dem 4. Tag der Pharmazie den Neubau, derselbe Minister, dessen Ministerium den Bauantrag zwei Jahre lang liegen ließ und dann keine Entscheidung mehr vor dem Regierungswechsel treffen wollte. Und jetzt? Jetzt sind 60 Prozent der eigentlich geplanten Finanzmittel weg, es muss neu geplant und projektiert werden.«
Es falle ihm schwer, hier optimistisch zu bleiben. Und doch sei er es ein Stück weit. »Das liegt nicht zuletzt an dieser Sitzung des Fachschaftsrates. Jena ist ein kleines Institut und doch saßen dort fast dreißig Menschen, aus allen vier Studienjahren, die sehr konzentriert und einander zugewandt ihre Tagesordnung abarbeiteten. Da ging es um Klausuren, Praktika und – deswegen waren wir von der Kammer ja da – um Perspektiven. Ja, da war Verunsicherung und auch Unzufriedenheit, aber vor allem spürte ich Zusammenhalt und den Willen, die Dinge nicht einfach nur hinzunehmen, sondern sie anzupacken.«
Wenn es um das Eigentliche gehe, werde die Qualität der Stühle schnell nachrangig. Mit der richtigen Motivation könne man auch noch zehn Jahre darauf sitzen. »Ich fürchte, so lange werden sie wohl auch noch durchhalten müssen.«