Neuer Komplement-Inhibitor als Zusatztherapie |
Brigitte M. Gensthaler |
27.02.2024 12:00 Uhr |
Bei der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) greift das Komplementsystem Erythrozyten an und zerstört sie. Eine Folge der Hämolyse sind schwere Anämien. / Foto: Adobe Stock/Artem
Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) ist eine seltene, genetisch bedingte und potenziell lebensbedrohliche Erkrankung. Infolge eines Gendefekts werden die Erythrozyten durch das Komplementsystem angegriffen und zerstört. Charakteristisch sind eine intra- und extravasale Hämolyse, eine Thrombophilie mit der Neigung zu Thrombosen sowie eine Zytopenie in unterschiedlicher Ausprägung.
Der einzige potenziell kurative Therapieansatz bei PNH ist die allogene Stammzelltransplantation. Ansonsten werden Inhibitoren des Komplementsystems eingesetzt, das Teil des unspezifischen angeborenen Immunsystems ist und ähnlich wie die Blutgerinnung kaskadenartig aktiviert wird. Die Antikörper Eculizumab und Ravulizumab richten sich gegen den Komplementfaktor C5, Pegcetacoplan gegen Faktor C3. Das Orphan-Drug Danicopan (Voydeya®) inhibiert den Faktor D und soll als Filmtabletten mit 50 mg oder 100 mg auf den Markt kommen. Antragsteller ist Alexion Europe.
Danicopan soll als Add-on-Therapie zu Eculizumab und Ravulizumab bei Patienten zum Einsatz kommen, die trotz C5-Komplement-Inhibition noch an hämolytischer Anämie (aufgrund extravasaler Hämolyse) leiden. Ziel ist es, die Zerstörung der roten Blutkörperchen aufzuhalten. Die Empfehlung basiert auf der noch laufenden Phase-III-Studie ALPHA (NCT04469465), in der 86 Patienten mit PNH und hämolytischer Anämie zusätzlich zu einem C5-Inhibitor noch Danicopan (n = 57) oder Placebo (n = 29) bekamen. Die Initialdosis von Danicopan war 150 mg dreimal täglich und konnte auf dreimal 200 mg eskaliert werden. Von Eculizumab wurden alle zwei Wochen 900 bis 1500 mg infundiert; für Ravulizumab reichte die Dosisspanne von 3000 bis 3600 mg alle vier oder acht Wochen.
Die Interimsanalyse, die im Dezember 2023 im Fachblatt »The Lancet Haematology« veröffentlicht wurde (DOI: 10.1016/S2352-3026(23)00315-0), umfasst die ersten 63 Teilnehmer, die zwölf Wochen behandelt wurden. Die Patienten im Danicopan-Arm hatten einen klinisch relevanten Hämoglobin-Anstieg (im Mittel um 2,35 g/dl) im Vergleich zu denen im Placebo-Arm. Weiterer Nutzen war ein signifikanter Rückgang der Fatigue, der Zahl der benötigten Bluttransfusionen und der Blutmenge sowie der Bilirubin-Werte.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Diarrhöe, Gelenkschmerzen und Fieber. Auch erhöhte Leberenzymwerte und Durchbruchs-Hämolyse wurden beobachtet. Langzeitdaten und Daten zum Einsatz bei älteren Patienten sind laut EMA noch begrenzt. Wie bei anderen Komplement-Inhibitoren könne das Risiko für Krebs und Blutanomalien nicht ausgeschlossen werden. Voydeya wurde unterstützt durch das PRIME-Programm (PRIority Medicines) der EMA, das Arzneimittelkandidaten für bislang unzureichende behandelbare Krankheiten regulatorisch fördert.