Neuer Kinasehemmer auf dem Markt |
Kerstin A. Gräfe |
04.07.2024 07:00 Uhr |
Das Cholangiokarzinom entwickelt sich in den Gallengängen. Trägt der Tumor bestimmte genetische Veränderungen, kommen zielgerichtete Therapien wie Futibatinib infrage. / Foto: Getty Images/ SewcreamStudio
Das Gallengangskarzinom (Cholangiokarzinom, CCA) ist eine aggressive Krebserkrankung der Gallengänge, die die Galle aus der Leber und Gallenblase zum Dünndarm transportieren. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 7000 Menschen an diesem Tumor. Aufgrund der eher unspezifischen Symptomatik ist das CCA bei Diagnosestellung häufig bereits fortgeschritten. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt lediglich 5 bis 15 Prozent.
Oft sind bei diesem Tumor genetische Veränderungen des FGFR (Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor) nachweisbar. FGFR ist ein Oberflächenrezeptor, der zur Familie der Rezeptor-Tyrosinkinasen gehört und in vier Formen (FGFR1-4) vorkommt. Wenn Liganden an FGFR binden, wird eine Signalkaskade ausgelöst, die für Überleben, Wachstum und Vermehrung zuständig ist und so zu einem abnormalen Wachstum und Entartung führen kann.
Mit Pemigatinib (Pemazyre®) kam 2021 ein Kinasehemmer auf den deutschen Markt, der reversibel die FGFR-Isoformen 1, 2 und 3 inhibiert und damit die FGFR-Signalübertragung hemmt. Der neue Wirkstoff Futibatinib (Lytgobi® 4 mg Filmtabletten, Taiho Pharma) blockiert alle vier FGFR-Isoformen und bindet im Unterschied zu Pemigatinib kovalent und damit irreversibel an ein Cystein in der Kinasedomäne. In vitro zeigte Futibatinib hemmende Aktivität gegen FGFR2-Mutationen, die sich gegen reversible, ATP-kompetitive Inhibitoren als resistent erwiesen hatten.
Futibatinib wird wie Pemigatinib als Monotherapie angewendet zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Cholangiokarzinom mit einer FGFR2-Fusion oder einem FGFR2-Rearrangement, das nach mindestens einer vorherigen systemischen Therapielinie fortgeschritten ist.
Vor Therapiebeginn muss das Vorhandensein von FGFR2-Genfusionen oder -Rearrangements durch einen Test bestätigt werden. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 20 mg Futibatinib einmal täglich. Die Tabletten sollten jeden Tag etwa zur gleichen Zeit mit oder ohne Nahrung eingenommen werden. Vergisst der Patient eine Dosis um mehr als zwölf Stunden oder tritt nach der Einnahme Erbrechen auf, sollte keine weitere Dosis verabreicht und die Therapie erst mit der nächsten geplanten Dosis wiederaufgenommen werden.
Unter der Einnahme von Futibatinib wird eine phosphatarme Diät empfohlen. Bei Patienten mit einem Serumphosphatspiegel ≥ 5,5 mg/dl sollte eine phosphatsenkende Therapie begonnen werden. Bei Werten > 7 mg/dl ist die Futibatinib-Dosis je nach Dauer und Schweregrad der Hyperphosphatämie anzupassen.
Die gleichzeitige Anwendung des neuen Wirkstoffs mit starken CYP3A4/P-gp-Hemmern sowie starken oder mittelstarken CYP3A4/P-gp-Induktoren sollte vermieden werden.
Unter Futibatinib kann es zu einer serösen Netzhautablösung kommen, die mit Symptomen wie verschwommenes Sehen, Glaskörperflocken oder Photopsie (Wahrnehmung von Lichterscheinungen) einhergehen kann. Eine augenärztliche Untersuchung sollte vor Beginn der Therapie, sechs Wochen danach und bei visuellen Symptomen jederzeit durchgeführt werden. Zudem kann Futibatinib ein Sicca-Syndrom hervorrufen.
Frauen im gebärfähigen Alter und Männer mit Partnerinnen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung und eine Woche darüber hinaus eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Da der Einfluss auf orale Kontrazeptiva nicht untersucht wurde, sollten Barrieremethoden als zweite Form der Empfängnisverhütung angewendet werden.
Lytgobi darf während der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, der mögliche Nutzen für die Frau rechtfertig das potenzielle Risiko für den Fetus. Das Stillen soll während der Behandlung und für eine Woche nach der letzten Dosis unterbrochen werden.
Die bedingte Zulassung basiert auf den Daten der offenen Phase-II-Studie FOENIX-CCA2 an 103 teils intensiv vorbehandelten Patienten mit inoperablem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem intrahepatischen Gallengangskarzinom mit FGFR2-Fusion oder -Rearrangement. Alle Patienten erhielten täglich 20 mg Futibatinib bis zum Progress oder Auftreten einer intolerablen Toxizität. Der primäre Endpunkt war die objektive partielle oder vollständige Ansprechrate.
Insgesamt zeigten 43 Patienten (42 Prozent) ein Therapieansprechen (ein Patient wies ein komplettes Ansprechen auf), wobei die mittlere Ansprechendauer bei 9,7 Monaten lag und über alle Patientensubgruppen gleich war.
Die häufigsten behandlungsbedingten Nebenwirkungen waren Hyperphosphatämie (89,7 Prozent der Behandelten), Erkrankungen der Nägel (44,1 Prozent), Obstipation (37,2 Prozent), Alopezie (35,2 Prozent), Durchfall (33,8 Prozent), Mundtrockenheit (31,0 Prozent), Ermüdung (31,0 Prozent), Übelkeit (28,3 Prozent), trockene Haut (27,6 Prozent), erhöhte Aspartattransaminase (26,9 Prozent), Abdominalschmerz (24,8 Prozent), Stomatitis (24,8 Prozent), Erbrechen (23,4 Prozent), Arthralgie (21,4 Prozent) und verminderter Appetit (20 Prozent).
Zur Therapie des Cholangiokarzinoms gibt es einen Bedarf an weiteren Wirkstoffen. Bereits im Jahr 2021 kam mit Pemigatinib eine zielgerichtete Therapie für diesen Tumor auf den Markt. Zum Einsatz kommen darf sie nur in der Zweitlinie und wenn eine FGFR2-Fusion oder -Umlagerung nachgewiesen ist. Eine solche liegt aber längst nicht bei allen Patienten vor.
Das nun im Juni 2024 auf dem Markt eingeführte Futibatinib hat das identische Anwendungsgebiet wie Pemigatinib. Zudem hat der Neuling einen sehr ähnlichen Wirkmechanismus. Neben den Isoformen 1, 2 und 3 hemmt er die Isoform 4 von FGFR. Zudem ist er anders als Pemigatinib ein kovalenter irreversibler FGFR-Hemmer. Dadurch könnten möglicherweise mutationsbedingte Resistenzen überwunden werden. Das muss sich aber in größeren Untersuchungen noch bestätigen.
Futibatinib ist somit vorläufig als Analogpräparat einzuschätzen. Für dieses Votum spricht ferner die Tatsache, dass Futibatinib und Pemigatinib sich im indirekten Vergleich auch hinsichtlich der objektiven Ansprechraten und der Dauer des Ansprechens nicht wesentlich unterscheiden. Auch die Publikation einer Arbeit im »Journal of Clinical Oncology«, die einen indirekten Vergleich der beiden Kinasehemmer vorgenommen hat, kommt zu dieser Einschätzung. Ein direkter Vergleich in einer randomisierten Studie wäre wünschenswert.
Sven Siebenand, Chefredakteur