Neuer Frühwarn-Indikator gegen Lieferengpässe |
Lieferengpässe treiben Apothekenteams und Patienten zur Verzweiflung. / Foto: IMAGO/Eibner Europa
Lieferengpässe von Arzneimitteln stellen die Gesundheitsversorgung in Deutschland weiterhin vor erhebliche Probleme. Je eher sie entdeckt werden, desto früher können Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Deshalb stellen die Mitgliedsunternehmen des Phagro dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen weiteren Frühwarn-Indikator zur Verfügung: das Service-Level.
»Die Service-Level-Daten können dabei helfen, dass Lieferengpässe früher festgestellt und somit Patienten verlässlicher versorgt werden können«, erklärt Marcus Freitag, Vorsitzender des Phagro. »Mit dem Service-Level-Indikator steht dem BfArM ein weiterer wertvoller Baustein für das künftige Frühwarnsystem des BfArM zur Verfügung«, sagt Michael Horn, Abteilungsleiter im BfArM und Leiter des Beirats für Liefer- und Versorgungsengpässe.
Der neue Service-Level-Indikator erlaubt es, Engpässe unter anderem bei Kinderarzneimitteln, insbesondere solchen der sogenannten Dringlichkeitsliste, früher zu erkennen. Dabei werden sowohl produkt- als auch wirkstoffbezogen die Arzneimittelbestellungen des Großhandels bei der Industrie zu den tatsächlichen Wareneingängen dieser Produkte ins Verhältnis gesetzt. Beim Service-Level handelt es sich somit um die prozentuale Erfüllungsquote der Bestellungen des Großhandels durch die Industrie.
»Unsere Bestellungen spiegeln den Arzneimittelbedarf der Patienten in Deutschland wieder«, sagt Freitag. »Sinkt die Quote, mit der die Industrie unsere Bestellungen aus unterschiedlichen Gründen bedienen kann, können wir Großhändler die Apotheken in der Folge nicht mehr ausreichend versorgen.«
Seit Mitte Dezember 2023 liefern die Phagro-Mitgliedsunternehmen wöchentlich produktbezogene Service-Level-Quoten der Kinderarzneimittel gemäß § 35 Abs. 5a SGB V einschließlich der Arzneimittel der Dringlichkeitsliste an einen unabhängigen Datendienstleister. Dieser anonymisiert die Daten, fasst die Meldungen zu branchenweiten Service-Levels zusammen und meldet diese seit dem 13. März 2024 an das BfArM, das die Versorgungslage mit Arzneimitteln mit übermittelten Service-Level-Quoten noch besser als bisher einschätzen kann.
Im Lieferengpassmanagement besser zu werden, kann aus Sicht des Phagro aber nur ein Teil der Lösung sein. »Vordringlich ist es, die Ursachen der Lieferengpässe zu bekämpfen«, betont Freitag. »Die Politik ist gefragt, die seit Jahren unterfinanzierte Infrastruktur im Arzneimittelbereich und in der Arzneimittellieferkette zu stärken. Hierzu zählt insbesondere der vollversorgende pharmazeutische Großhandel. Dessen Aufwände sind – auch lieferengpassbedingt – enorm gestiegen.«
Wichtig ist es aus Freitags Sicht zudem, in den derzeitigen Verhandlungen um die EU-Pharmarechtsrevision die zentrale Rolle des pharmazeutischen Großhandels für die Versorgungssicherheit zu berücksichtigen und die Belieferung des Großhandels durch die Hersteller sicherzustellen.