Neuer dualer Antagonist bei Nierenkrankheit |
Annette Rößler |
03.09.2024 07:00 Uhr |
Finden sich vermehrt Eiweiß und/oder rote Blutkörperchen im Harn, kann eine IgA-Nephropathie die Ursache sein. / Foto: Getty Images/Westend61
Die Immunglobulin-A-(IgA-)Nephropathie wird auch als IgA-Nephritis oder Morbus Berger bezeichnet. Obwohl insgesamt eine seltene Erkrankung, handelt es sich dabei um die häufigste primär chronische Erkrankung der Nierenkörperchen (Glomeruli). Bei betroffenen Patienten sind IgA1-Moleküle aufgrund einer genetischen Variation mit weniger Galaktose-Resten versehen. Es kommt zur Bildung von Autoantikörpern gegen das Galaktose-defiziente IgA1 und zu einer Ablagerung von Immunkomplexen bestehend aus IgA1 und diesen Autoantikörpern im Zwischengewebe (Mesangium) der Glomeruli.
Dies führt zu einer Aktivierung und Proliferation der Mesangiumzellen. Die Folge sind eine Entzündung und letztlich die Schädigung der glomerulären Filtrationsbarriere, sodass schließlich rote Blutkörperchen und Proteine nicht mehr vollständig zurückgehalten werden (Hämaturie und Proteinurie). Am pathologischen Geschehen sind sowohl Angiotensin II als auch Endothelin beteiligt, vermittelt durch den AT1- beziehungsweise den ETA-Rezeptor.
Mit Sparsentan (Filspari® 200 und 400 mg Filmtabletten, CSL Vifor) steht jetzt ein Arzneistoff zur Verfügung, der antagonistisch sowohl am AT1- als auch am ETA-Rezeptor wirkt. Das Medikament ist indiziert zur Behandlung von Erwachsenen mit primärer IgA-Nephropathie ab einer Ausscheidung von Eiweiß im Urin von 1,0 g/Tag oder einem Protein/Kreatinin-Quotienten im Urin von 0,75 g/g. Es wurde unter »besonderen Bedingungen« zugelassen; weitere Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit stehen also noch aus. Sparsentan darf nicht mit anderen Angiotensin-Rezeptorblockern, Endothelin-Rezeptorantagonisten oder Reninhemmern kombiniert werden.
Vor Beginn einer Therapie mit Sparsentan müssen die Leberwerte und der Kaliumspiegel bestimmt werden. Übersteigen die Werte der Aspartat-Aminotransferase (AST) und/oder der Alanin-Aminotransferase (ALT) die Obergrenze des Normalbereichs um mehr als das Doppelte beziehungsweise beträgt der Serumkaliumspiegel > 5,5 mmol/l, soll die Behandlung unterbleiben. Ebenfalls nicht empfohlen wird die Anwendung von Sparsentan bei Patienten mit schwerer Leber- oder Nierenfunktionsstörung. Mit Vorsicht erfolgen muss sie bei Patienten mit Herzinsuffizienz.
Die empfohlene Startdosis beträgt 200 mg Sparsentan einmal täglich. Diese wird nach 14 Tagen auf die Erhaltungsdosis von 400 mg einmal täglich gesteigert. Bei älteren Patienten muss dieser Titrationsschritt mit Vorsicht geschehen. Filspari-Filmtabletten werden im Ganzen unabhängig von einer Mahlzeit mit Wasser geschluckt.
Es ist möglich, dass der Patient Sparsentan nicht verträgt, was sich in einem Blutdruckabfall auf Werte ≤ 100 mmHg systolisch beziehungsweise ≤ 60 mmHg diastolisch, einer Verschlechterung vorhandener Ödeme oder einer Hyperkaliämie äußern kann. In solchen Fällen soll zunächst die Begleitmedikation angepasst werden, bevor die Dosis von Sparsenten vorübergehend reduziert wird oder das Medikament abgesetzt wird.
Schwangerschaft ist eine Kontraindikation. Bei Frauen im gebärfähigen Alter darf eine Therapie mit Sparsentan nur begonnen werden, wenn die Patientin nicht schwanger ist und wirksam verhütet. In der Stillzeit sollte Sparsentan nicht angewendet werden.
Ein relativ großes Interaktionspotenzial ergibt sich daraus, dass Sparsentan hauptsächlich durch CYP3A metabolisiert wird. Die gleichzeitige Verabreichung mit starken CYP3A-Inhibitoren wie Clarithromycin, Ritonavir oder auch Grapefruit(saft) wird nicht empfohlen. Ebenfalls abgeraten wird von der gleichzeitigen Verabreichung mit mäßigen bis starken CYP3A-Induktoren wie Rifampicin, Dexamethason oder Carbamazepin. Wird Sparsentan zusammen mit einem mäßigen CYP3A-Inhibitor wie Fluconazol angewendet, sollte das mit Vorsicht geschehen.
Den Ausschlag für die Zulassung von Sparsentan gaben die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie PROTECT. An ihr nahmen 404 Patienten mit IgA-Nephropathie und einer Gesamtproteinausscheidung im Urin von ≥ 1,0 g/Tag teil. Vor Studienbeginn hatten die Probanden mindestens drei Monate lang die maximal verträgliche Dosis eines ACE-Hemmers und/oder eines Sartans eingenommen; diese Arzneimittel wurden dann aber rechtzeitig abgesetzt und waren wie alle Inhibitoren des RAAS- oder Endothelin-Systems während der Studie verboten.
Die Hälfte der Teilnehmenden wurde mit Sparsentan (zunächst für zwei Wochen 200 mg, dann 400 mg täglich) behandelt und die andere Hälfte mit Irbesartan (zunächst für zwei Wochen 150 mg, dann 300 mg täglich). Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Veränderung des Protein/Kreatinin-Quotienten im Urin (UP/K) in Woche 36. Zu diesem Zeitpunkt betrug der UP/K im Mittel 0,62 g/g in der Sparsentan-Gruppe und 1,07 g/g in der Irbesartan-Gruppe. Die prozentuale Veränderung des UP/K gegenüber dem Ausgangswert betrug −49,8 Prozent unter Sparsentan gegenüber −15,1 Prozent unter Irbesartan. Damit wurde der primäre Endpunkt erreicht.
Die endgültige Analyse nach zwei Behandlungsjahren bestätigte, dass der antiproteinurische Effekt von Sparsentan schnell einsetzte und dauerhaft anhielt. Diese Auswertung ergab auch, dass die Nierenschädigung unter Sparsentan weniger stark fortgeschritten war als unter Irbesartan: Die Abnahme der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) lag bei −5,8 ml/min/1,73 m2 versus −9,5 ml/min/1,73 m2.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Sparsentan waren Hypotonie (9 Prozent der Behandelten), Hyperkaliämie (7 Prozent), Schwindel (7 Prozent) und periphere Ödeme (5 Prozent). Als häufigste schwerwiegende Nebenwirkung kam es zu akuter Nierenschädigung (1 Prozent).
Sparsentan kann vorläufig aus verschiedenen Gründen als Sprunginnovation bezeichnet werden. Zunächst ist es ein First-in-Class-Wirkstoff, ein erster dualer Endothelin-A-Rezeptor- und AT1-Rezeptor-Antagonist. Das lässt sich schon in der Molekülstruktur erkennen: Zu finden sind zum einen ein Biphenyl-Grundgerüst wie bei den meisten Sartanen und zum anderen eine Sulfonamid-Gruppe wie beispielsweise im selektiven Endothelin-A-Rezeptor-Antagonist Sitaxentan. Sparsentan enthält beide Strukturelemente und wirkt an beiden Rezeptoren. Da sowohl Endothelin-1 als auch Angiotensin II Prozesse vermitteln, die zur Progression der IgA-Nephropathie beitragen, ist die Kombination sinnvoll.
Das stellt Sparsentan, das ursprünglich als Hypertoniemittel entwickelt wurde, auch in Studien bei glomerulären Erkrankungen unter Beweis. Nach der Zulassung bei IgA-Nephropathie könnten andere Indikationen folgen, etwa die fokal-segmentale Glomerulosklerose.
In der PROTECT-Studie konnte sich der neue Wirkstoff bei Patienten mit IgA-Nephropathie gegenüber Irbesartan eindeutig behaupten. Dieses Sartan oder andere Substanzen, die am Renin-Angiotensin-Aldosteron-System ansetzen, gelten bislang als Standard bei der Behandlung von Glomerulopathien, was sich nun möglicherweise ändern könnte.
Sparsentan könnte auch einen guten Kombinationspartner für SGLT2-Hemmer darstellen, die ebenfalls nephroprotektiv wirken. Zudem handelt es sich bei Sparsentan um den ersten nicht immunsuppressiven Wirkstoff überhaupt, der eine Zulassung bei IgA-Nephropathie erhalten hat. Erst vor zwei Jahren wurde das erste Mittel bei dieser Erkrankung zugelassen, das Budesonid-haltige Präparat Kinpeygo®. Möglicherweise werden in den kommenden Jahren weitere Medikamente folgen. Die Pipeline ist gut gefüllt.
Sven Siebenand, Chefredakteur