| Theo Dingermann |
| 25.10.2024 16:15 Uhr |
Bei dem neu entwickelten Hoxb8 Mastzellaktivierungstest werden im Labor gezüchtete Mastzellen mit Blutserum von Allergikern in Kontakt gebracht. / © Getty Images/Westend61
Für den Nachweis einer Lebensmittelallergie gilt der orale Provokationstest (OPT) nach wie vor als diagnostischer Goldstandard. Allerdings muss dieser Test unter strenger fachlicher Aufsicht durchgeführt werden. Wegen oft unangenehmer Begleiterscheinungen ist er bei den Betroffenen zudem sehr unbeliebt.
Als Alternative empfehlen die europäischen Leitlinien für Lebensmittelallergietests eine schrittweise diagnostische Abklärung, bei der zunächst der weniger aufwendige Hautpricktest (skin prick test, SPT) in Verbindung mit der serologischen Quantifizierung von allergenspezifischem IgE (sIgE) durchgeführt werden sollte. Allerdings ist der SPT, ebenso wie der OPT, ein In-vivo-Diagnostikverfahren. Bisherige Bluttests zum Allergienachweis waren ungenau und zeigten oft falsch positive Ergebnisse an, was zu Fehldiagnosen mit weitreichenden Konsequenzen führen kann.
Jetzt veröffentlichten Forschende um Erstautorin Noemi Bachmeier-Zbären von der Abteilung für Rheumatologie und Immunologie des Universitätsklinikums Bern im »European Journal for Allergy and Clinical Immunology (Allergy)« eine Arbeit, in der ein neuer In-vitro-Bluttest zum Allergienachweis beschrieben wird, der sogenannte Hoxb8-Mastzellaktivierungstest (Hoxb8 MA-Test).
Die Basis für den Bluttest bilden genetisch veränderte Maus-Mastzell-Vorläuferzellen mit der Bezeichnung Hoxb8-MC, die den humanen hochaffinen IgE-Rezeptor FcεRIα stabil exprimieren und mit dem Homeobox-B8-Gen bedingt immortalisiert sind.
Diese Zellen werden mit Blutserum von Allergikern inkubiert. In der Folge binden im Blut vorhandene IgE-Antikörper an die hochaffinen Rezeptoren, wodurch die Mastzellen sensibilisiert werden. Anschließend werden diese sensibilisierten Zellen mit verschiedenen Mengen der zu testenden Allergene stimuliert. Je nach Reaktion der Zellen lässt sich ableiten, wie allergisch ein Patient auf das getestete Allergen ist.
Die Forschenden verwendeten Seren von 112 Kindern und Jugendlichen (80 Erdnussallergiker und 32 Kontrollen ohne Allergie), die an der MONA-Studie teilnahmen, um die diagnostische Leistung des Tests zu untersuchen.
Sehr viele der Seren, die von nachweislich an einer Erdnussallergie leidenden Patienten stammten, induzierten eine Allergendosis-abhängige Aktivierung der Mastzellen, während fast alle Proben der nicht allergischen Kontrollen die Mastzellen nicht aktivierten. Aus diesen Daten konnte für den Test bei Allergenkonzentrationen von ≥ 100 ng/ml eine sehr hohe diagnostische Genauigkeit von 95 Prozent berechnet werden. Auch zeigte der Hoxb8-MA-Test wenige falsch negative Resultate. Er erwies sich als merklich genauer als die gängige Messung von allergenspezifischen IgE-Antikörpern im Blut oder der oft angewandte Pricktest.
»Der neue Test basiert zudem auf stabilem Blutserum, das mittels einfacher Blutentnahme abgenommen und anschließend im Gefrierschrank aufbewahrt werden kann. Dadurch fallen herausfordernde logistische Hürden, wie sie bei anderen Methoden auftreten, weg«, schildert Professor Dr. Thomas Kaufmann vom Institut für Pharmakologie der Universität Bern und einer der Studienleiter in einer Mitteilung der Universität.
Die hier veröffentlichte Studie unterstreicht das Potenzial des Hoxb8 MAT als zuverlässiges Diagnosewerkzeug für die Charakterisierung einer Erdnussallergie. »Was in dieser Studie für die Diagnose von Erdnussallergien gezeigt wurde, kann auf einfache Art und Weise auch auf andere Allergien angewandt werden«, meint Professor Dr. Alexander Eggel vom Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und ebenfalls Studienleiter.
Die Forschenden haben die Technologie und Methodik bereits patentieren lassen und eine Spinoff-Firma gegründet, die den neuen Allergietest zertifizieren und weltweit auf den Markt bringen will.