Neuer bispezifischer Antikörper verfügbar |
Brigitte M. Gensthaler |
31.01.2024 07:00 Uhr |
Die Behandlung des rezidivierten und refraktären multiplen Myeloms ist hoch komplex. Mit Elranatamab steht ein neuer bispezifischer Antikörper zur subkutanen Injektion zur Verfügung. / Foto: Adobe Stock/Yaroslav Astakhov
Elrexfio wird angewendet als Monotherapie bei erwachsenen Patienten mit rezidiviertem und refraktärem multiplen Myelom (rrMM), die bereits mindestens drei Therapien erhalten haben, darunter einen immunmodulatorischen Wirkstoff, einen Proteasom-Inhibitor und einen Anti-CD38-Antikörper, und deren Krankheit unter der letzten Therapie fortgeschritten ist.
Um das Nebenwirkungsrisiko zu minimieren, wird Elranatamab einschleichend, aber in fester Dosierung appliziert. Es wird subkutan bevorzugt am Bauch gespritzt. Die empfohlene Dosis beträgt 12 mg an Tag 1 und 32 mg an Tag 4, gefolgt von der vollständigen Behandlungsdosis von 76 mg wöchentlich von Woche 2 bis 24. Nach einem halben Jahr kann auf eine zweiwöchentliche Gabe (76 mg) umgestellt werden, sofern die Patienten auf das Medikament angesprochen haben. Die Patienten sollen den Antikörper so lange bekommen, bis die Krankheit fortschreitet oder eine inakzeptable Toxizität auftritt.
Vor Beginn der Behandlung sollten ein großes Blutbild erstellt und eine aktive Infektion sowie bei Frauen eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. In beiden Fällen wird die Therapie nicht begonnen. Prophylaktische Antibiotika und Virustatika können eingesetzt werden.
Vor den ersten drei Applikationen ist eine Vorbehandlung mit Paracetamol, Dexamethason und Diphenhydramin nötig, um ein Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) mit Fieber, Hypoxie, Schüttelfrost, Tachykardie, Hypotonie und erhöhten Leberenzymwerten zu verhindern. Eine weitere schwerwiegende bis lebensbedrohliche Nebenwirkung ist eine neurologische Toxizität, einschließlich des Immuneffektorzell-assoziierten Neurotoxizitätssyndroms (ICANS). Die Patienten sind auf Warnzeichen, zum Beispiel Trübung des Bewusstseins, Krampfanfälle oder motorische Schwäche, zu überwachen. Bei ersten Anzeichen von CRS oder ICANS wird die Therapie unterbrochen. Die Fachinformation enthält detaillierte Empfehlungen zur Wiederaufnahme der Behandlung.
Elranatamab ist ein bispezifischer IgG2-κ-Antikörper, der sowohl an CD3ε-Rezeptoren auf T-Zellen als auch am B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) auf Plasmazellen, Plasmablasten und Multiplen-Myelomzellen bindet. Durch Elranatamab aktivierte T-Zellen setzen proinflammatorische Zytokine frei und bewirken so die Lyse von Multiplen-Myelomzellen.
Die Wirksamkeit der Monotherapie mit Elranatamab wurde bei 123 Patienten mit rrMM in der offenen multizentrischen Phase-II-Studie MagnetisMM-3 (DOI: 10.1038/s41591-023-02528-9) untersucht. Die Patienten (medianes Alter 68 Jahre) waren umfangreich vorbehandelt, hatten aber noch keine gegen BCMA gerichtete Therapie erhalten. In dieser sogenannten Kohorte A lag die objektive Ansprechrate bei 61 Prozent (75 Patienten), wobei 35 Prozent vollständig und 20 Prozent sehr gut partiell ansprachen. Bis zum ersten Ansprechen dauerte es median 1,22 Monate.
50 Responder wurden auf die zweiwöchentliche Gabe umgestellt und bei 40 (80 Prozent) hielt das Ansprechen länger als sechs Monate an oder verbesserte sich sogar. In einer Nachbeobachtungszeit von 14,7 Monaten waren die sekundären Endpunkte mediane Ansprechdauer, progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben noch nicht erreicht; die Raten lagen bei 71,5, 50,9 und 56,7 Prozent.
Die häufigsten Nebenwirkungen in der Studie waren Infektionen (bei fast 70 Prozent der Patienten), CRS (57,7 Prozent), Anämie und Neutropenie (jeweils 48,8 Prozent). Unter dem verlängerten Dosierungsintervall sank die Rate von Grad-3/4-Reaktionen von 58,6 auf 46,6 Prozent. Die Fachinformation listet zahlreiche weitere Nebenwirkungen auf, darunter schwerwiegende wie Pneumonie, Sepsis, Infektion der oberen Atemwege oder der Harnwege, Dyspnoe und Fieber.
Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung und für sechs Monate nach der letzten Dosis eine Schwangerschaft zuverlässig verhüten. Da humanes Immunglobulin (IgG) die Plazenta nach dem ersten Trimenon passiert, könnte Elranatamab dem Fetus schaden. Die Anwendung bei Schwangeren wird daher nicht empfohlen. Gleiches gilt für das Stillen während und innerhalb von sechs Monaten nach der Behandlung.
Eine Impfung mit Lebendvirusimpfstoffen wird für mindestens vier Wochen vor der ersten Dosis, während der Behandlung und für mindestens vier Wochen danach nicht empfohlen.
Die Therapieoptionen beim multiplen Myelom werden immer zahlreicher, was für die Betroffenen eine gute Nachricht ist. Denn insbesondere für stark vorbehandelte Patienten mit rezidivierter und refraktärer Erkrankung ist die Prognose nach wie vor schlecht. Auch wenn die Studienergebnisse zeigen, dass viele Patienten auf das im Januar neu eingeführte Elranatamab ansprechen, bringt es keinen wirklichen Therapiefortschritt und muss vorläufig als Analogpräparat betrachtet werden.
Ein Grund ist, dass der Wirkmechanismus identisch ist mit dem des schon seit Längerem verfügbaren Teclistamab. Auch Elranatamab hat einerseits das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) auf der Oberfläche von Myelomzellen als Target und bindet andererseits an den CD3-Rezeptor auf der Oberfläche von T-Zellen. So werden Myelom- und T-Zellen zusammengebracht, was letztlich zum Tod der Myelomzellen führt.
Auch hinsichtlich des zugelassenen Anwendungsgebietes, der Darreichungsform und der Applikationsintervalle gibt es keine Unterschiede zu Teclistamab. Nur eine direkte Vergleichsstudie der beiden Antikörper könnte eines Tages zu einer höheren Einstufung führen – sofern Elranatamab darin besser abschneidet.
Sven Siebenand, Chefredakteur