Neuer Antikörper verfügbar |
Sven Siebenand |
30.09.2021 07:00 Uhr |
Mit der lindgrünen Schleife soll unter anderem auf Non-Hodgkin-Lymphome aufmerksam gemacht werden. / Foto: Adobe Stock/Chinnapong
Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist mit einem Anteil von circa 40 Prozent die häufigste Form des Non-Hodgkin-Lymphoms bei Erwachsenen. Charakteristisch sind die schnell wachsenden Mengen maligner B-Zellen in den Lymphknoten, der Milz, der Leber, dem Knochenmark oder anderen Organen. Es handelt sich um eine aggressive Krankheit, bei der jeder dritte Patient nicht auf die initiale Therapie anspricht oder danach rezidiviert. In Europa wird jedes Jahr bei circa 16.000 Patienten ein rezidiviertes oder refraktäres DLBCL diagnostiziert.
Zugelassen ist Tafasitamab in Kombination mit Lenalidomid mit anschließender Tafasitamab-Monotherapie bei Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem diffusem DLBCL, wenn diese nicht für eine Stammzelltransplantation geeignet sind.
Tafasitamab ist ein humanisierter, Fc-modifizierter, zytolytischer Antikörper, der sich gegen CD19 auf B-Zellen richtet. Da dieses Oberflächenantigen von bösartigen B-Zellen stark exprimiert wird, gilt es als guter Angriffspunkt für Therapeutika. Nach Bindung an CD19 vermittelt Tafasitamab die B-Zell-Lyse durch Bindung von Immun-Effektorzellen und direkte Induktion der Apoptose. Die Fc-Modifikation führt dabei zur verstärkten antikörperabhängigen zellulären Zytotoxizität und antikörperabhängiger zellulärer Phagozytose.
Minjuvi wird über bis zu zwölf Zyklen von 28 Tagen zusammen mit Lenalidomid verabreicht, danach kann der Antikörper allein gegeben werden. Tafasitamab wird intravenös infundiert. Die empfohlene Dosis sind 12 mg pro kg Körpergewicht. Im ersten Zyklus wird es an den Tagen 1, 4, 8, 15 und 22 verabreicht, im zweiten und dritten Zyklus an den Tagen 1, 8, 15 und 22 und ab dem vierten Zyklus an den Tagen 1 und 15. In der Fachinformation wird über Dosisanpassungen im Fall von Nebenwirkungen detailliert informiert.
Eine Prämedikation zur Verringerung des Risikos infusionsbedingter Reaktionen sollte 30 Minuten bis zwei Stunden vor der Infusion verabreicht werden. Ist bei den ersten drei Infusionen keine solche Reaktion aufgetreten, ist die Prämedikation bei weiteren Gaben optional. Die Prämedikation kann Antipyretika, Antihistaminika oder Glucocorticoide umfassen.
Die Zulassung beruht auf den Ergebnissen der offenen und einarmigen L-MIND-Studie. In diese waren 81 vortherapierte Erwachsene mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL eingeschlossen. Die Patienten waren zum Zeitpunkt der Studie keine Kandidaten für eine Hochdosischemotherapie gefolgt von einer autologen Stammzelltransplantation oder hatten die Stammzelltransplantation abgelehnt. In der Studie wurden die Patienten bis zwölf Zyklen lang mit Tafasitamab und Lenalidomid behandelt, gefolgt von einer Monotherapie mit dem Antikörper. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die objektive Ansprechrate. Die Gesamtansprechrate betrug in der 35-Monats-Anaylse 57 Prozent, davon 40 Prozent vollständiges und 17 Prozent partielles Ansprechen. Das Gesamtüberleben (OS) war ein sekundärer Endpunkt der Studie. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 43 Monaten betrug das mittlere OS knapp 32 Monate.
Sehr häufige Nebenwirkungen von Tafasitmab sind Infektionen, Neutropenie, Asthenie, Anämie, Durchfall, Thrombozytopenie, Husten, periphere Ödeme, Fieber und verminderter Appetit.
Auf die Infektionsgefahr wird in der Fachinformation näher eingegangen: Tafasitamab sollte bei einer vorliegenden aktiven Infektion nur verabreicht werden, wenn die Infektion angemessen behandelt und gut kontrolliert ist. Ein anderer Warnhinweis bezieht sich auf die Möglichkeit einer Myelosuppression unter Tafasitamab. Das Blutbild sollte deshalb während der gesamten Behandlung und davor kontrolliert werden. Ferner wird darüber informiert, dass eine Impfung mit Lebendimpfstoffen während einer Therapie mit dem neuen Antikörper nicht zu empfehlen ist.
Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung und für mindestens drei Monate nach Therapieende eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Die Anwendung des Antikörpers in der Schwangerschaft wird nicht empfohlen. Zudem sollten Frauen darauf hingewiesen werden, während und für mindestens drei Monate nach der letzten Tafasitamab-Dosis nicht zu stillen.
Minjuvi ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius zu lagern.
Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL haben eine ungünstige Prognose und es stehen nur begrenzte Behandlungsoptionen zur Verfügung. Daher besteht Bedarf an neuen wirksamen Therapien. Mit Yescarta® und Kymriah® kamen in den letzten Jahren zwei CAR-T-Zelltherapeutika auf den Markt, die unter anderem beim rezidivierten oder refraktären DLBCL zugelassen sind. Tafasitamab ist nun eine weitere Therapieoption. Es handelt sich zwar nicht um ein Zelltherapeutikum, dennoch spielt das Oberflächenantigen CD19 im Wirkmechanismus auch hier die entscheidende Rolle. Vollends innovativ ist der Wirkmechanismus von Tafasitamab also nicht. Die Ansprechraten in der einarmigen Zulassungsstudie zeigen aber, dass viele vortherapierte Patienten von der Antikörpertherapie profitieren können. In Summe ist der neue Antikörper vorläufig bei den Schrittinnovationen einzusortieren. Vergleichsstudien mit anderen Therapieoptionen beim rezidivierten oder refraktären DLBCL wären selbstverständlich sehr wünschenswert.
Sven Siebenand, Chefredakteur