Neuer Ansatz zur Thymusregeneration |
| Theo Dingermann |
| 04.11.2025 13:30 Uhr |
Die Thymusdrüse ist ein zweilappiges Organ, das maßgeblich an der Bildung von T-Lymphozyten beteiligt ist. Ab der Pubertät wird sein funktionales Gewebe zunehmend durch funktionsloses Fettgewebe ersetzt. / © Getty Images/Science Photo Library
Der Thymus ist ein zentrales Organ für die Bildung immunologisch kompetenter T-Lymphozyten. Er ist somit wichtig für eine funktionierende Immunabwehr – er altert leider aber auch sehr schnell. Schon früh im Leben beginnt seine Rückbildung (Involution), die durch Veränderungen in der Architektur begleitet von einer Abnahme der Gewebemasse gekennzeichnet ist. Dadurch nimmt die Immunfunktion mit zunehmendem Alter und nach Therapien wie Stammzelltransplantation deutlich ab.
Die immunologischen Folgen – eine erhöhte Infektanfälligkeit bis hin zu einer vermehrten Tumorentstehung – sind medizinisch hoch relevant, weshalb an Möglichkeiten zur Regeneration des Thymus geforscht wird. Bisher lag der Fokus dabei auf den thymischen Epithelzellen (TEC). Neuere Entwicklungen lenken jedoch die Aufmerksamkeit zunehmend auf die Vielfalt mesenchymaler Nischenzellen (ThyMC).
Dies ist auch der Ansatz eines Forscherteams um Dr. Karin Gustafsson vom Center for Regenerative Medicine am Massachusetts General Hospital in Boston. Diese Forschenden berichten nun im Wissenschaftsmagazin »Nature Biotechnology«, dass sogenannten Periostin-exprimierende (POSTN+) mesenchymale Thymuszellen (ThyMC) im adulten Thymus entscheidend sind, um frühe T-Zell-Vorläufer zu rekrutieren und den Thymus zu regenerieren.
Durch Einzell-Zell-RNA-Sequenzanalysen konnten die Forschenden verschiedene ThyMC-Subtypen in Maus und Mensch identifiziert, wobei POSTN+ Zellen unter anderem dadurch charakterisiert sind, dass sie den Chemokin-Liganden 19 (CCL19) exprimieren, ein essenzielles Chemokin für die Migration von CCR7-exprimierenden T-Zell-Vorläuferzellen.
Die Bedeutung der POSTN+ ThyMCs konnten die Forschenden auch dadurch belegen, dass der Verlust dieser Zellen, beispielsweise durch CRISPR/Cas induzierte Mutagenese, die Zahl früher Thymozyten senkt, was wiederum die Bildung neuer T-Zellen reduziert. Andererseits fördert die Injektion von POSTN+ ThyMCs in den Thymus die Rekrutierung von frühen Vorläuferzellen und steigert die Diversität des T-Zellrezeptor-Repertoires und damit die Vakzin-spezifische Immunantwort im Mausmodell nachhaltig.
Auch mesenchymale Zellen aus dem Knochenmark, in denen CCL19 überexprimiert war, zeigten ein verbessertes Regenerationspotenzial, wenn sie intrathymisch transplantiert wurden. Allerdings war diese Maßnahme weniger effektiv als die Transplantation von thymischen POSTN+ Zellen.
Letztlich weisen die Forschenden einen Weg auf, die adulte Thymusfunktion, die T-Zell-Diversität und die Immunreaktivität mithilfe selektierter ThyMC-Subtypen, insbesondere POSTN+ -Zellen zu regenerieren. Das eröffnet neue, rationale und differenzierte Therapieansätze nicht nur zur Behandlung der altersbedingten Immuninsuffizienz, sondern auch zur Regeneration der Thymusfunktion nach transplantationsassoziierten und genetischen Schäden.
Dies kann als Paradigmenwechsel gewertet werden, der klinisch Einsatz finden könnte, um gezielt mithilfe einer Nischenkomponente für die T-Lymphopoese die endliche Thymusfunktion wiederherzustellen oder zu verlängern. Dies könnte sich als eine vielversprechende Strategie zur Verbesserung der Thymusfunktion erweisen und möglicherweise die Morbidität und Mortalität bei älteren Menschen und Patienten verringern, die von den immunologischen Folgen einer Thymusinsuffizienz aufgrund genetischer Faktoren, Chemotherapie, Strahlentherapie oder Infektionen betroffen sind.