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Calciumisotope

Neuer Ansatz zur Osteoporose-Diagnostik

Statt über eine Messung der Knochendichte könnte Osteoporose womöglich auch über die Bestimmung der Calciumisotope in Blut und Urin nachgewiesen werden. Das Verfahren ist originell und hat sich in einer Studie bewährt, eignet sich aber noch nicht für den breiten Einsatz.
Manfred Schubert-Zsilavecz
Mario Wurglics
10.02.2022  09:00 Uhr

Die Bestimmung des Verhältnisses der beiden Calciumisotope 44Ca/42Ca mittels thermischer Ionisations-Massenspektrometrie (TIMS) ist ein junges und noch nicht in die leitliniengerechte Diagnostik der Osteoporose aufgenommenes Verfahren aus der Weltraumforschung. Es nutzt die Tatsache, dass sich im Knochen leichtere Calciumisotope anreichern, die bei verstärktem Knochenabbau vermehrt im Blut und im Urin nachweisbar sind.

Das Element Calcium (20Ca) hat 26 bekannte Isotope, darunter fünf stabile (nicht radioaktive): 40Ca, 42Ca, 43Ca, 44Ca und 46Ca. 40Ca hat mit Abstand die höchste natürliche Häufigkeit (96,941 Prozent); 44Ca und 42Ca sind mit 2,086 beziehungsweise 0,647 Prozent deutlich seltener.

Im Organismus folgt die Umsetzung natürlicher Calciumisotope dem Prinzip der kinetischen Isotopenfraktionierung, die stabile Isotope in Abhängigkeit von ihrer Masse während biochemischer Prozesse voneinander trennt. Demnach durchlaufen leichtere Isotope chemische und biochemische Prozesse rascher als schwere Isotope. In der Folge wird in einer Kette chemischer Reaktionen immer das leichtere Isotop im Gewebe angereichert.

Dies zeigt sich eindrucksvoll entlang der Nahrungskette, wo leichtere Isotope von der Pflanze auf den Menschen angereichert werden, und äußert sich in abnehmenden 44Ca/42Ca-Verhältnissen von Gemüse über Fleisch bis hin zum Menschen, wobei die Muttermilch das am stärksten angereicherte Reservoir für leichte Calciumisotope ist. Innerhalb des menschlichen Körpers nimmt das 44Ca/42Ca-Isopotenverhältnis in Abhängigkeit von biochemischen Prozessen ab, wenn Calcium aus der Nahrung über das Blut in das Skelett gelangt.

Tatsächlich besteht ein Isotopenunterschied von -1,3 Promille zwischen Weichgewebe und Knochen: Der Knochen ist isotopisch leichter (angereichert mit 40Ca) als das Weichgewebe (angereichert mit 44Ca). Der Calciumisotopen-»Fingerabdruck« in verschiedenen Geweben ist gut charakterisiert und kann für diagnostische Zwecke verwendet werden. Eine relative Anreicherung des leichten Isotops im Urin wäre dann ein Hinweis auf einen Nettoverlust an Calcium des Körpers (der Abbau von mineralisiertem Gewebe überwiegt), wie er bei Erkrankungen wie Osteoporose zu erwarten ist, während eine relative Anreicherung des schweren Isotops im Urin ein Hinweis auf eine Calcium-Anreicherung im Skelett während des Knochenaufbaus wäre.

Dass sich das 44Ca/42Ca-Verhältnis tatsächlich für die Osteoporose-Diagnostik eignet, konnte in einer kleinen Studie mit 100 postmenopausalen Frauen gezeigt werden (»Bone Reports« 2019, DOI: 10.1016/j.bonr.2019.100200). Bei den Probandinnen wurde nicht nur das 44Ca/42Ca-Verhältnis in Blut und Urin per TIMS bestimmt, sondern auch die Knochendichte per Dual-Energy-Röntgenabsorptiometrie (DXA) und beides miteinander verglichen. Bei 14 Frauen wurde mittels DXA eine Osteoporose diagnostiziert. Diese Frauen wiesen auch im Blut und im Urin signifikant niedrigere 44Ca/42Ca-Werte auf als Frauen mit negativem Osteoporose-Befund. Die DXA-Werte und die 44Ca/42Ca-Isotopenverhältnisse im Blutserum und im Urin waren darüber hinaus statistisch signifikant positiv korreliert.

Die Autoren um Professor Dr. Anton Eisenhauer vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel schlagen Schwellenwerte vor, die anhand des 44Ca/42Ca-Verhältnisses eine Klassifizierung von Probandinnen mit und ohne Osteoporose erlauben. Aus ihrer Sicht ergänzen sich die DXA- und Calciumisotopen-Methode: Während das letztere Verfahren den osteoporotischen Zustand des Gesamtskeletts widerspiegele, reflektiere die DXA-Methode den Zustand ausgewählter Skelettabschnitte und deren Frakturrisiko. Die Methode könne sich auch eignen, um Therapieverläufe zu überwachen.

Zwischenzeitlich wird die Bestimmung des Calciumisotopen-Verhältnisses bereits kommerziell angeboten, ohne jedoch laut Leitlinie empfohlen zu sein. Bis eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen wird, bedarf es sicherlich noch größerer Studien mit mehr Probandinnen und Probanden.

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