Neuer Ansatz gegen chronische Bauchschmerzen |
Die bisherige Therapie chronischer Bauchschmerzen mit NSAR oder Opioiden ist nicht optimal und wenig spezifisch. / © Getty Images/PeopleImages
Gegen chronische Bauchschmerzen stehen derzeit nur wenige Medikamente zur Verfügung, die darüber hinaus mit zahlreichen Nebenwirkungen behaftet sind. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Professor Dr. Markus Muttenthaler von der Universität Wien hat nun Peptiden entwickelt, die als Schmerzmittel eingesetzt werden könnten. Sie sind vom Peptid Oxytocin abgeleitet. Neu ist der Aspekt, dass diese Peptide in der Verdauung stabil sind, also oral verabreichbar wären.
Oxytocin ist als Bindungshormon bekannt, das nicht nur bei der Mutter-Kind-Bindung, sondern allgemein in sozialen Interaktionen sowie Berührung der Haut ausgeschüttet wird. Es bewirkt Bindung und Vertrauen, wirkt aber auch Schmerz und Stress entgegen, senkt den Blutdruck sowie den Cortisol-Spiegel. Der Signalweg ist außerdem an der Darmbewegung, Darmentzündung sowie der Darmbarriere involviert.
Oxytocin bindet an die Oxytocin-Rezeptoren der nozizeptiven Nerven (Schmerzsensoren) und wirkt über einen Nicht-Opioid-Mechanismus schmerzlindernd. Beim Tier und Mensch spielt der Oxytocin-Rezeptor beim Empfinden von Bauchschmerzen eine Rolle. Eine Injektion des Peptids erhöhte die Reizschwelle bei Reizdarm, wie Vorversuche an menschlichen Probanden zeigten. Damit ist das Peptid als neuartige Strategie zu Schmerzbekämpfung interessant. Schmerz ist ein schwer behandelbares Problem bei allen chronischen Darmerkrankungen. Statistisch gesehen sind davon etwa 15 Prozent aller Erwachsenen einmal im Leben betroffen.
Vorstudien konnten zeigen, dass der Oxytocin-Rezeptor von der luminalen Seite des Darms aus prinzipiell erreichbar ist. Ein Einsatz des Peptids bei Bauchschmerzen war bisher aber nicht möglich, da Oxytocin – wie nahezu alle Peptide – im Darm schnell abgebaut wird.
Bisher hat man therapeutisch wirksame Peptide (wie Insulin oder GLP-1-Analoga) in der Regel injiziert. Der Ansatz aus Wien ist daher sehr bedeutend, da die Aminosäuresequenz des Peptids so verändert werden konnte, dass das Peptid nicht verdaut wird und gleichzeitig weiter selektiv den Oxytocin-Rezeptor aktiviert. Das neue Peptid wirkt stärker als das natürliche Oxytocin und ist dabei laut der Forschungsgruppe sehr spezifisch und verträglich. Im Mausmodell für chronische Bauchschmerzen konnte ein analgetischer Effekt belegt werden.
»Unsere Forschung zeigt das therapeutische Potenzial darmspezifischer Peptide auf und bietet eine neue, sichere Alternative zu bestehenden Schmerzmitteln für jene, die unter chronischen Darmerkrankungen leiden«, erklärte Muttenthaler.
Insbesondere die traditionellen Schmerzmittel wie nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) und Opioide sind bei chronischen Bauchschmerzen wenig wirksam und mit Nebenwirkungen verbunden. Sie können unter Umständen das Fortschreiten der Darmerkrankung begünstigen. Bei den darmspezifischen Peptiden seien weniger systemische Nebenwirkungen zu erwarten.
Die Arbeitsgruppe sucht aktuell nach Investoren, um die präklinischen Studien zu beschleunigen und den Ansatz schnell in die Klinik zu bringen. Die neue Technik eigne sich außerdem, um weitere darmstabile Peptide gegen andere Darmerkrankungen zu entwickeln.