Neuentwicklungen bei Impfstoffen und Antibiotika |
Rund 180 Apothekerinnen und Apotheker aus Nordrhein bildeten sich am Wochenende zu mikrobiellen Themen fort. / Foto: Adobe Stock/nobeastsofierce
Auf dem Programm standen Themen rund um mikrobielle Erkrankungen: die Prophylaxe viraler Erkrankungen durch Impfungen, Probleme bei der antibakteriellen Therapie durch Antibiotika-Resistenzen und die Leitlinien-gerechte Antibiotika-Therapie sowie Medikationsanalysen bei multimorbiden Patienten unter Antibiose (Bericht zu letzteren Themen folgt).
»Die Impfstoffentwicklung ist nach wie vor hochdynamisch«, sagte Dr. Ralf Wagner, Leiter des Fachgebiets Virusimpfstoffe am Paul-Ehrlich-Institut (PEI), mit Blick auf 200 Jahre Geschichte in diesem Bereich und auf inzwischen eine ganze Reihe verschiedener Impfstoff-Typen, die heute zur Verfügung stehen. Neben inaktivierten und lebend-attenuierten Impfstoffen sind dies Impfstoffe mit rekombinant exprimierten Proteinen beziehungsweisen antigenen Epitopen, Impfstoffe mit Virus-like Particles (VLP), virale Vektorimpfstoffe und RNA-Impfstoffe.
Vier dieser Varianten finden sich bei den Covid-19-Impfstoffen: mRNA-Impfstoffe (wie Comirnaty®), (Adenovirus-)Vektorimpfstoffe (wie Vaxzevria®), Protein plus Adjuvanz (wie in Nuvaxovid®) und inaktiviertes Ganzvirus mit Adjuvanz (Covid-19-Vaccine Valneva). Dennoch bleibt der Bedarf hoch, unter anderem an Booster-Impfungen und an Impfstoffen, die an neue Virusvarianten angepasst sind.
Dass auch bei Erkrankungen, für die es bereits Impfungen gibt, ein Bedarf für neue Impfstoffe besteht, erläuterte er am Beispiel der Hepatitis B. So zeigten bereits zugelassene Impfstoffe eine teils eingeschränkte Wirkung, etwa bei Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion. Zudem gebe es eine gewisse Zahl an Non-Respondern.
Seit vergangenem Jahr steht mit Heplisav® B ein adjuvantierter Impfstoff zur Verfügung (höhere Seroprotektionsraten) und seit diesem Jahr mit PreHevBri® ein Impfstoff der dritten Generation, der neben dem üblichen HB-S-Antigen noch Prä-S1- und Prä-S2-Antigene enthält (Ziel: bessere Wirksamkeit bei Non-Respondern).
Grundsätzlich stellten Adjuvanzien ein wichtiges Hilfsmittel zur Erhöhung der Wirksamkeit von Impfstoffen dar, so Wagner weiter. Sie kommen bei ansonsten nur schwach immunogenen oder bei hochgereinigten oder exprimierten (Einzel-)Antigenen zum Einsatz. Sie können aber auch die Steuerung der Art der Immunantwort beeinflussen oder zur Einsparung von Antigenen beitragen, wenn nur begrenzt Impfstoff zur Verfügung steht.
Weitere, neue Adjuvanzien seien daher ebenso Gegenstand der aktuellen Forschung wie neuartige Impfstoffe gegen neue Erreger, zum Beispiel RSV oder MPV, aber auch therapeutische Hepatitis-B-Impfstoffe, schloss Wagner. Darüber hinaus werden neue Impfstoffe auf Basis der mRNA-Technologie erwartet sowie neue Applikationswege wie nasale Impfstoffe oder Impfstoff-Pflaster.
Antibiotika-Resistenzen sind ein ebenso altes wie aktuelles Problem, erläuterte Dr. Christiane Cuny, Robert-Koch-Institut in Wernigerode. Bereits in 30.000 Jahre alter Bakterien-DNA aus Permafrostboden habe man Resistenzen gegen β-Lactam-Antibiotika, Tetracycline und Vancomycin gefunden. Heute rechnet man damit, dass im Jahr 2050 die Zahl der Todesfälle wegen Antibiotika-Resistenzen andere Todesursachen deutlich überwiegt. Denn die »Wunderwaffe« Antibiotika ist stumpf geworden: Je jünger ein Wirkstoff ist, umso rascher ließen sich Resistenzen nachweisen, so Cuny weiter.
Das Resistenzproblem resultiert dabei aus der Existenz von »Resistenzgenen« plus einem Selektionsdruck durch den Einsatz von Antibiotika. Dieser beschränkt sich nicht auf die Anwendung in der Humanmedizin, sondern findet auch in Tiermast und Tiermedizin sowie der Umwelt generell statt. Es handle sich damit um ein vielschichtiges Problem, das interdisziplinär angegangen werden müsse, so Cuny.
Das zeigt unter anderem das Beispiel EBSL (Extended Spectrum β-Lactamasen). Diese hydrolysieren neben Penicillinen auch Cephalosporine der dritten und vierten Generation. Sie gehen aus den Genen der »klassischen« Enzyme plus dem Erwerb von ESBL-Genen durch horizontalen Gentransfer von Umweltbakterien hervor.
ESBL-Enterobacteriaceae zeigen dabei eine interessante Verbreitung: So machten nosokomialen Infektionen nur rund 10 Prozent von ESBL-E. coli. Rund 9 Prozent stammten von Patienten, die bereits bei Aufnahme ins Krankenhaus (kolorektal) besiedelt waren, 8 bis 10 Prozent aus Harnwegsinfektionen. Bei Menschen außerhalb von Krankenhäusern handelte es bei 30 Prozent der Fälle um »Reisemitbringsel«. Der Anteil aus der Tiermast betrug weniger als 25 Prozent.