Neue Möglichkeiten verändern Märkte |
Neue unternehmerische Möglichkeiten: Die Apothekenbranche wird sich in den nächsten Jahren fundamental verändern, so die Prognose. / Foto: Imago/Ralph Peters
Für das Ausmaß der zu erwartenden Folgen können die Branchenänderungen nach dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz seit 2004, mit dem der Arzneimittelversand erlaubt, die Filialisierung ermöglicht, die OTC-Preise freigegeben und die Rx-Vergütung verändert wurden, durchaus ein Indikator sein.
Beim diesjährigen Treuhand-Dialog, der in der Hamburger Elbphilharmonie stattfand, lag deshalb ein besonderer Fokus auf den unternehmerischen Konsequenzen, die sich aus Spahns Reformagenda für die Inhaber der Apotheken abzeichnen. Die zentralen Fragen sind: Was zeichnet sich ab? Wie kann ich mich aktiv vorbereiten? Wann soll ich damit anfangen?
Man kann Spahns Apothekenpaket in zwei Teile zerlegen, in systemstabilisierende Bausteine und solche Bausteine, die das Potenzial haben, das System zu verändern und »game changer« zu werden:
Der neue Kundentypus Fernbesteller, der Botendienst als Regelleistung, die telepharmazeutische Beratung, eine Vergütung beim elektronischen Medikationsplan und variablere Öffnungszeiten durch Vor-Ort-Abholfächer verändern den Möglichkeitsbereich von 15.000 Apothekeninhabern. Wir haben eine veränderte unternehmerische Situation mit Chancen und Risiken.
Die Antwort des Ökonomen ist eindeutig: Ja! Wenn 15.000 Inhaber einen erweiterten unternehmerischen Möglichkeitsbereich erhalten, werden die zusätzlichen Bewegungsspielräume auch genutzt. Nicht von jedem, aber von einer signifikanten Anzahl. Die Erfahrungen mit den erweiterten unternehmerischen Möglichkeiten nach dem GMG 2004 zeigen: Nicht jeder der damals noch über 20.000 Apothekeninhaber hat aktives OTC-Pricing betrieben, Versandlizenzen erworben oder Filialen gegründet – aber eine signifikante Zahl. Die seither stattgefundene Branchenwandlung ist deutlich. Die Zahl der Betriebsstätten hat sich um über 2.000 reduziert, 8.000 der 19.000 Apotheken sind in Filialverbünden. Etwa 30 Prozent der Apotheken befinden sich mit einer Umsatzrendite von weniger als 4 Prozent im betriebswirtschaftlich kritischen Bereich, 20 Prozent liegen oberhalb von 8 Prozent, die restlichen 50 Prozent dazwischen. Die »Marktspreizung« hat seit 2004 zugenommen. Marktanteile wurden umverteilt, es gibt gleichzeitig Gewinner und Verlierer, wie die Abbildung der Nettoumsatzverteilungskurve überdeutlich zeigt: Links vom Durchschnitt wird verloren, rechts davon praktisch durchgehend gewonnen.
Wie nach 2004 wird es auch dieses Mal vermutlich so sein, dass so manche Gestaltungsversuche keinen rechtlichen Bestand haben und nur ein temporäres mediales Ereignis werden. Auch hier wird nach einigen Jahren die Jurisprudenz die Spreu vom Weizen getrennt haben.
Nettoumsatzverteilung: Die Düne wandert weiter.
Quelle: Treuhand Hannover. Daten für „alle Betriebe Deutschland“. Nettoumsatz / Foto: PZ Grafik
Per Stand heute ist praktisch keine Offizinapotheke schon auf die neue Situation vorbereitet. Es ist nicht damit getan, beim IT-Dienstleister die TI-Komponenten zu ordern und bis 2021 abzuwarten. Was jede Apotheke – wenn sie wirtschaftlich erfolgreich sein will – bis 2021 braucht, ist eine virtuelle Erweiterung ihrer Aufbau- und Ablauforganisation:
Jetzt. Denn bis Anfang 2021 sind es nur noch 13 Monate. Auch wenn dann die Umstellung auf das E-Rezept noch ins Jahr 2022 hinein- oder sogar darüber hinaus reichen wird, sollte doch schon zu diesem Zeitpunkt die »virtuelle« Erweiterung der Apotheken kundenreif und nach oben skalierungsfähig sein.