Neue Leitlinie mit Stufenschema |
Brigitte M. Gensthaler |
04.08.2023 09:00 Uhr |
Wer ständig mit Feuchtigkeit und Reinigungsmitteln umgeht, riskiert Hautschäden bis hin zum Handekzem. Die Meidung dieser Noxen ist dann oberstes Gebot. / Foto: Getty Images/bernie_photo
Fast jeder Zehnte in der Gesamtbevölkerung leidet an einem Handekzem (Ein-Jahres-Prävalenz: 9,1 Prozent). Betroffen sind oft jüngere Frauen; hier liegt der Altersgipfel zwischen 19 und 29 Jahren und die Inzidenzrate sinkt im Laufe des Lebens. Dagegen nimmt sie bei Männern mit dem Alter zu. Als akutes Handekzem bezeichnet man an den Händen lokalisierte Ekzeme, die kürzer als drei Monate andauern und einmal pro Jahr auftreten. Hält die Erkrankung länger an oder tritt sie innerhalb eines Jahres mindestens zweimal auf, sprechen Ärzte vom chronischen Handekzem.
Die Haut an Händen und Handgelenken ist dabei gerötet, juckt und schmerzt. Hautrisse (Rhagaden), Bläschen und Entzündungen mit nässenden Läsionen, die dann Krusten bilden, belasten die Menschen in Beruf und Freizeit. »Das Handekzem ist eine der am weitesten verbreiteten Berufskrankheiten; es führt die Statistik der gesetzlichen Unfallversicherung an«, erklärt Professor Dr. Andrea Bauer vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden in einer Pressemeldung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG).
Die Dermatologin hat die Arbeit an der aktualisierten S2k-Leitlinie »Diagnostik, Prävention und Therapie des Handekzems« koordiniert. Im Fokus stehen die Schweregradeinteilung und das Stufenschema zur Therapie.
Zu den wichtigsten Risikofaktoren gehören Umwelteinflüsse wie hautreizende und allergene Stoffe, die in die Haut eindringen und die Hautbarriere wiederholt schädigen, sowie Tätigkeiten mit viel »Feuchtarbeit«. Zu den besonders risikoreichen Branchen zählen unter anderem das Gesundheitswesen, Friseur- und Reinigungsbetriebe sowie Berufe in der Metallindustrie, der Nahrungsmittelindustrie und der Gastronomie.
Es gibt auch eine genetische Komponente. Patienten mit atopischer Hautdiathese, manifester atopischer Dermatitis (Neurodermitis) oder Kontaktallergien haben ein erhöhtes Risiko. Rauchen, niedriger Bildungsstand und Stress gelten laut Leitlinie ebenfalls als Risikofaktoren.
Die Identifizierung und konsequente Meidung der auslösenden Noxen, allen voran Feuchtarbeit, Hautirritanzien und Kontaktallergene, sind essenziell. Die Leitlinie nennt Strategien der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention.
Zur Behandlung des Handekzems stehen topische, physikalische und systemische Optionen zur Verfügung. Sie werden gemäß dem Schweregrad der Hautläsionen eingesetzt und sind in der Leitlinie in einem Stufenschema eingeordnet.
Zur Prävention und Basistherapie werden Hautpflegemittel eingesetzt, obwohl es laut Leitlinie nur wenige Belege für deren therapeutische Wirksamkeit gibt. Dennoch empfehlen die Autoren ausdrücklich ihren Einsatz, um die Barrierefunktion der Haut zu erhalten oder zu stärken. Es gebe aber keine Belege, die für die Anwendung eines bestimmten Hautpflegemittels sprechen.
Hautpflege gilt als Basis, topische Glucocorticoide sind Therapeutika der ersten Wahl. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
Topische Glucocorticoide mit niedrigem atrophogenen Potenzial, zum Beispiel Prednicarbat, Methylprednisolonaceponat oder Mometasonfuroat, sind laut Leitlinie Mittel der ersten Wahl beim leichten bis schweren Handekzem. Eine einmal tägliche Behandlung ist ausreichend und möglicherweise sogar einem zweimal täglichen Auftragen überlegen. Um den Therapieerfolg zu erhalten, können Glucocorticoide (bevorzugt Klassen II oder III) intermittierend angewendet werden.
Um unerwünschte Wirkungen zu verringern, ist die abwechselnde oder kombinierte Behandlung mit einem topischen Calcineurin-Inhibitor möglich. Dabei ist zu beachten, dass Tacrolimus und Pimecrolimus für die Behandlung des atopischen Handekzems zugelassen sind, nicht jedoch für andere Ekzeme.
Je nach Symptomen und Stadium der Erkrankung können ergänzende Topika hinzukommen. Zur unterstützenden Lokaltherapie eignen sich zum Beispiel Salicylsäure- oder Harnstoff-haltige Salben bei Hyperkeratosen oder (fett-)feuchte Umschläge sowie Zubereitungen mit Chlorhexidin, Polyhexanid, Octenidin oder Clioquinol bei nässenden und/oder superinfizierten Ekzemen.
Bei therapierefraktären (erwachsenen) Patienten sollte eine Phototherapie (topische PUVA, Schmalband-UVB, UVA1) der Hände erfolgen. Wenn auch potente topische Corticoide und/oder PUVA nicht ausreichen, soll Alitretinoin bei Patienten mit mittelschwerem bis schwerem chronischen Handekzem eingesetzt werden. Andere Systemtherapien wie orale Glucocorticoide, Ciclosporin, Azathioprin, Methotrexat oder Acitretin sind Einzelfällen vorbehalten und stellen unter Umständen einen Off-Label-Use dar.
Alitretinoin und Acitretin sind Retinoide, die teratogen wirken. Sie sind daher bei Frauen im gebärfähigen Alter streng kontraindiziert, es sei denn, dass ein Programm zur Schwangerschaftsverhütung strikt eingehalten wird. Dazu gehören laut Fachinformation die konsequente sichere Empfängnisverhütung einen Monat vor, während und für einen Monat nach Ende der Behandlung sowie monatliche Kontrolluntersuchungen einschließlich Schwangerschaftstests. Bei Acitretin (off Label) muss die Verhütung drei Jahre über das Behandlungsende hinaus fortgesetzt werden. Die Frau muss verstehen, dass ihr Medikament teratogen wirkt und dass eine monatliche Überwachung nötig ist.
Die Leitlinienautoren geben zudem einen Ausblick auf neue Medikamente, die sich gegen Interleukine (IL) oder den JAK-STAT-Signalweg richten. »Die ersten Ergebnisse aus Phase-III-Studien mit Anti-IL-4/IL-13-Antikörpern bei atopischem Hand- und Fußekzem sowie mit topischen JAK-Inhibitoren in der Indikation chronisches Handekzem sind vielversprechend«, so Dermatologin Bauer.
Der Antikörper Dupilumab, der den IL-4- und -13-Signalweg hemmt, wird aktuell bei atopischer Dermatitis eingesetzt, ist aber nicht für das Handekzem zugelassen. Ein Phase-III-Studienprogramm laufe, heißt es in der Leitlinie. Eine Wirksamkeit von Anti-IL-13-Antikörpern wie Tralokinumab beim atopischen Handekzem und von systemischen JAK-Inhibitoren (Abrocitinib, Baricitinib oder Upadacitinib) beim atopischen und chronischen Handekzem sei aufgrund der Wirkprinzipien ebenfalls zu erwarten, so Bauer. Dies sei aber bisher nicht mit ausreichender Evidenz belegt.
Diese Wirkstoffe sind bei atopischer Dermatitis zugelassen und in der kürzlich erschienenen S3-Leitlinie »Atopische Dermatitis« aufgeführt. In Phase-II-Studien war auch der topische Pan-JAK-Inhibitor Delgocitinib beim chronischen Handekzem wirksam und sehr gut verträglich. Auch hier laufe ein Phase-III-Studienprogramm.