Neue Enzymersatztherapie im Handel |
Kerstin A. Gräfe |
26.09.2024 07:00 Uhr |
Der Nutzen von Adzynma als präventive Behandlung wurde in einer randomisierten, kontrollierten, offenen Phase‐III‐Crossover‐Studie sowie in einer Fortsetzungsstudie gezeigt. Die Phase‐III‐Studie war in drei aufeinanderfolgende Abschnitte von jeweils sechs Monaten unterteilt. Im ersten Abschnitt erhielten die Patienten in der Regel alle zwei Wochen entweder 40 I.E./kg Körpergewicht Adzynma intravenös oder eine plasmabasierte Therapie. Im zweiten Abschnitt wurden die Patienten auf die jeweilige andere Behandlung umgestellt. Im dritten Abschnitt bekamen alle Patienten die Enzymersatztherapie. Der primäre Endpunkt waren akute TTP-Ereignisse.
Keiner der Patienten mit der Enzymersatztherapie erlitt während der Abschnitte 1 und 2 ein akutes TTP‐Ereignis (n = 45), während bei einem Betroffenen mit plasmabasierter Therapie (n = 46) ein akutes TTP-Ereignis auftrat. Ein subakutes TTP‐Ereignis trat bei einem Patienten in der Adzynma-Gruppe auf, im Vergleich zu sieben subakuten TTP‐Ereignissen bei sechs Betroffenen in der Standardtherapie-Gruppe. Die Inzidenzraten akuter und subakuter TTP‐ Ereignisse waren im Abschnitt 3 mit den Ergebnissen aus den beiden vorherigen Abschnitten konsistent. Zudem zeigte die Studie, dass unter der Enzymersatztherapie andere Symptome der Erkrankung wie Thrombozytopenie und mikroangiopathische hämolytische Anämie bei Patienten weniger häufig als unter Standardtherapie beobachtet wurden.
An der Fortsetzungsstudie nahmen 40 Probanden der Phase-III-Studie sowie 25 behandlungsnaive Patienten teil. Alle wurden mit Adzynma behandelt. Die mittlere und maximale Dauer der prophylaktischen Behandlung betrug 0,98 Jahre beziehungsweise 2,17 Jahre. Die Inzidenzraten von akuten und subakuten TTP-Ereignissen waren mit den Ergebnissen der Phase-III-Studie konsistent.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerz, Durchfall, Schwindel, Infektionen der oberen Atemwege, Übelkeit und Migräne.
Adzynma wird im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C und im Umkarton gelagert. Ungeöffnete Durchstechflaschen können bei Raumtemperatur (bis zu 30 °C) für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten aufbewahrt werden. Nach der Aufbewahrung bei Raumtemperatur darf das Präparat nicht wieder im Kühlschrank gelagert werden. Auf der Packung sollte daher das Datum der Entnahme aus dem Kühlschrank vermerkt werden.
Die kongenitale thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (cTTP) führt unbehandelt langfristig zu Organschäden und akut sind lebensbedrohliche Ereignisse wie Schlaganfall und Herzinfarkt möglich. Verfügbare plasmabasierte Therapien lösten bislang längst nicht alle Probleme. Ferner können sie allergische Reaktionen auslösen und sind belastend für den Körper. Insofern ist die Markteinführung von Adzynma® als Fortschritt zu sehen und das Präparat kann vorläufig als Sprunginnovation eingeordnet werden. Denn es handelt sich um die erste Enzymersatztherapie, die einen ADAMTS13-Mangel bei Kindern und Erwachsenen mit cTTP ausgleichen kann.
Die Studiendaten zeigten laut der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zwar keine ausreichende Evidenz dafür, dass das Arzneimittel bei der Vorbeugung akuter TTP-Episoden wirksam ist, aber es gibt einen Trend zu weniger akuten (und auch subakuten) Ereignissen im Vergleich zu einer plasmabasierten Therapie. Zudem konnte gezeigt werden, dass andere Symptome der Erkrankung, etwa Thrombozytopenie und mikroangiopathische hämolytische Anämie, unter Adzynma seltener auftreten als unter plasmabasierter Therapie. Als Pluspunkt ist auch die gute Verträglichkeit des rekombinanten ADAMTS13 zu werten.
Für die erworbene Form der Erkrankung (aTTP), bei der sich Autoantikörper gegen ADAMTS13 bilden, kommt Adzynma derzeit übrigens noch nicht infrage. Eine Phase-II-Studie läuft allerdings. Hier könnte es also in der Zukunft eine Konkurrenz für den Antikörper Caplacizumab geben, der 2018 auf den deutschen Markt kam. Er ist bei aTTP, nicht aber bei cTTP zugelassen.
Sven Siebenand, Chefredakteur