Neue Antibiotika-Klasse zielt auf den Lipopolysaccharid-Transporter |
Theo Dingermann |
05.01.2024 10:30 Uhr |
Acinetobacter baumannii gehört zu den sogenannten Problemkeimen. Seit mehr als 50 Jahren kam kein neues Antibiotikum auf den Markt, das diesen Bakterien etwas anhaben kann. / Foto: Adobe Stock/ag visuell
Carbapenem-resistente Acinetobacter baumannii-Stämme bereiten zunehmend Probleme. Seit über 50 Jahren hat keine neue Antibiotika-Klasse die Klinik erreicht, die zur Behandlung von A. baumannii eingesetzt werden kann. Jetzt berichten Forschende um Dr. Claudia Zampaloni vom Roche Innovation Center Basel im Wissenschaftsmagazin »Nature« über die Identifizierung und Optimierung von gekoppelten makrozyklischen Peptiden (MCP), die eine potente antibakterielle Aktivität gegen Carbapenem-resistente A. baumannii (CRAB) zeigen.
Ausgangspunkt für diese neue Klasse von niedermolekularen Antibiotika war ein phänotypisches Ganzzellenscreening von 44.985 makrozyklischen Peptiden gegen eine Sammlung verschiedener Acinetobacter-Stämme. Eine Gruppe der antibakteriell wirksamen Verbindungen wies eine Tripeptid-Untereinheit und ein Diphenylsulfid-Tether zum Schließen des Rings auf.
Die MCP inhibieren den Transport des Lipopolysaccharids (LPS) der gramnegativen Bakterien von der inneren zur äußeren Membran. Genauer gesagt blockieren die neuen MCP den LptB2FGC-Komplex, der Teil des LPS-Transportsystems in gramnegativen Bakterien ist.
LptB2FGC ist ein ABC-Transporter. Er besteht aus zwei LptB-Untereinheiten, die als Nukleotid-bindende Domänen (NBD) fungieren, und aus den Transmembran-Helices von LptF und LptG, die den Durchtritt von LPS durch die Membran ermöglichen.
Der ATP-bindende Kassettentransporter LptB2FG ist eng mit LptC assoziiert und bildet so den LptB2FGC-Komplex, der von den makrozyklischen Peptiden inhibiert wird. Bisher existieren noch keine Antibiotika, die dieses wichtige Ziel in gramnegativen Bakterien inhibieren.
Die Forschenden charakterisierten den Hemmmechanismus in vitro. Dabei identifizierten sie auch mehrere Mutationen in den Genen für LptF und LptG, die dann zu einer verringerten Empfindlichkeit gegenüber den MCP führen.
Der frühe Entwicklungskandidat RO7075573 erwies sich zwar gegenüber einem Panel von A. baumannii hinsichtlich Wirksamkeit und Selektivität als sehr potent, zeigte aber bei intravenöser Verabreichung von 6 mg pro kg und Tag bei Ratten ein erhebliches Verträglichkeitsproblem, einschließlich Mortalität und dem Tode naher Tiere.
Der Wirkstoff induzierte eine rasche Abnahme der Lipidparameter (Cholesterin, Triglyceride und High-Density-Lipoprotein) um mehr als 40 Prozent, die mit einer In-vitro-Plasmaunverträglichkeit korrelierte. Insbesondere verursachte RO7075573 durch einen unbekannten Mechanismus die Bildung von aggregierten LDL/HDL-Vesikeln.
Demgegenüber zeigten zwitterionische, gebundene MCP eine geringere Plasmapräzipitation im Vergleich zu basischen Verbindungen. Auf der Grundlage dieser Beobachtung wurde das zwitterionische Benzoesäurederivat Zosurabalpin (RG6006), das eine starke In-vitro-Aktivität gegen MDR-A. baumannii und eine stark verringerte Plasmapräzipitation (Schwellenkonzentration von 1,76 mg/mL) aufwies, für eine eingehende Profilerstellung ausgewählt und erwies sich bei intravenöser Infusion in Ratten als besser verträglich.
Zosurabalpin zeigte eine robuste In-vivo-Wirksamkeit in Mausmodellen von Infektionen, die durch CRAB-Stämme induziert wurden, einschließlich Sepsis, Oberschenkel- und Lungeninfektion. Mechanistische Studien zeigten, dass Zosurabalpin den LPS-Transport in vitro durch Wildtyp-LptB2FGC zu LptA hemmt, während die strukturell verwandte inaktive Kontrollverbindung RO7055137 bei vergleichbaren Dosen keine LPS-Transporthemmung zeigt.
Zudem zeigt Zosurabalpin keine Off-Target-Aktivitäten in einem 50-Rezeptoren-Panel-Assay. Biotransformationsstudien ergaben keine wesentlichen Wechselwirkungen mit dem Cytochrom-P450-System, weder als Inhibitor noch als Induktor.
Die Autoren schließen, dass Zosurabalpin ein vielversprechendes Behandlungsparadigma für Patienten mit invasiven Infektionen durch CRAB darstellt, für die die aktuellen Behandlungsoptionen unzureichend sind.