| Christina Hohmann-Jeddi |
| 10.01.2025 09:00 Uhr |
Beim Stillen geht der Mutter viel Calcium verloren. Das hätte Folgen für die Knochengesundheit, wenn es nicht einen schützenden Mechanismus gäbe, den kalifornische Forschende entdeckt haben. / © Adobe Stock/HillLander
Stillen stellt hohe Anforderungen an den Körper der Mutter. Er muss die essenziellen Nährstoffe für das Neugeborene bereitstellen, darunter große Mengen an Calcium für die Entwicklung des kindlichen Skeletts. Das belastet den Knochenstoffwechsel der Mutter: Während einer sechsmonatigen Stillzeit verliert sie etwa 60 g Calcium – zusätzlich zu einer »Calciumschuld« von 30 g, die sich bereits in der Schwangerschaft aufgebaut hat. Ohne Gegenmaßnahmen hätte dieser Verlust langfristig Folgen für die Knochengesundheit, insbesondere bei mehrfachen Schwangerschaften und längeren Stillzeiten.
Forschende um Dr. Muriel Babey von der University of California San Francisco entdeckten nun im Mausmodell einen Mechanismus, der es laktierenden Weibchen ermöglicht, diese Verluste zu kompensieren. Spezielle Nervenzellen im Hypothalamus – sogenannte ARCKiss1-Neurone – produzieren das Hormon CCN3, das die Knochenbildung während der Laktation stark ankurbelt. Die erhöhte Konzentration des Hormons fördert die Aktivität und Teilung von Skelettstammzellen, was zu einer gesteigerten Knochendichte und verbesserten Heilungsprozessen führt. Das berichtete das Team 2024 im Fachjournal »Nature«.
Professor Dr. Lorenz Hofbauer von der TU Dresden ordnet in einem Artikel im »New England Journal of Medicine« die Bedeutung der Ergebnisse ein. »Abgesehen vom evolutionären Aspekt eröffnen sich neue Perspektiven für ein besseres Verständnis von Knochenerkrankungen, vor allem bei Frauen mit Osteoporose nach mehreren Schwangerschaften und längeren Stillzeiten, aber auch bei der postmenopausalen Osteoporose.«
Da in der Hirnregion, in der die CCN3-Bildung erfolgt, auch die Energiebalance und die Freisetzung des Gonadotropin-Releasing-Hormons und somit die weibliche Reproduktion und Pubertät kontrolliert werden, könnten auch andere Krankheiten ihren Ursprung in einer gestörten CCN3-Produktion haben. »Vor allem bei Frauen mit verspäteter Pubertät, Anorexia nervosa oder relativer Energiedefizienz bei Sport treten Fragilitätsfrakturen sehr häufig auf«, wird Hofbauer in einer Mitteilung der TU Dresden zitiert.
Angesichts seiner Funktion könnten die Förderung der endogenen Produktion des Hormons oder die Entwicklung synthetischer CCN3-Analoga neue Therapieoptionen zur Verbesserung der Knochengesundheit darstellen. »Wenn diese Ergebnisse in klinischen Studien am Menschen bestätigt werden, könnten wir einen entscheidenden Fortschritt in der Behandlung von Osteoporose und der Heilung von Knochenbrüchen erleben, insbesondere bei älteren Patienten, bei denen die aktuellen Therapien nur begrenzte Wirksamkeit zeigen«, so Hofbauer.