Nelivaptan nimmt Vasopressin ins Visier |
Sven Siebenand |
12.08.2025 14:30 Uhr |
Die Vasopressin-Modulation wird als Behandlungsansatz bei Depression geprüft. Nelivaptan hat in einer Phase-II-Studie gute Ergebnisse hervorgebracht. / © Adobe Stock/Photographee.eu
Dem Hormon Vasopressin wird eine wichtige Rolle bei der Stressreaktion zugeschrieben, da es die Ausschüttung von Stresshormonen über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) reguliert. Dabei spielt offenbar der Rezeptorsubtyp V1b, der auf Zellen der Hypophyse zu finden ist, eine Schlüsselrolle. Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine erhöhte Aktivität des V1b-Rezeptors, möglicherweise durch erhöhte Vasopressin-Spiegel, zu einer übermäßigen Aktivierung der HPA-Achse und somit zu depressiven Symptomen beitragen kann.
Verschiedene zentral wirksame V1b-Rezeptorantagonisten wurden in der Vergangenheit entwickelt. Einer davon ist Nelivaptan, das ursprünglich von Sanofi bei Depressionen getestet wurde, dann aber wegen fehlender Wirksamkeit in der Entwicklung eingestellt wurde.
Möglicherweise war dies ein Fehler. Denn das biopharmazeutische Unternehmen HMNC Brain Health hat Nelivaptan mittlerweile unter die Fittiche genommen und neue Studien durchgeführt. In einer Pressemitteilung gibt die Firma aktuelle Ergebnisse der OLIVE-Studie bekannt. Dabei handelt es sich um eine doppelblinde, placebokontrollierte Phase-IIb-Studie zur Bewertung von Nelivaptan bei 338 Patienten mit Major Depression (Major Depressive Disorder, MDD).
Die Patienten wurden im Verhältnis 2:1 randomisiert, um entweder zweimal täglich 250 mg Nelivaptan oder Placebo für acht Wochen zu erhalten. Der primäre Endpunkt war die mittlere Veränderung des HAM-D17-Gesamtscores, eines gängigen Instruments zur Messung des Schweregrads einer Depression, vom Ausgangswert bis Woche 8. Je höher der Wert auf dieser Skala, umso stärker die Depression. Der durchschnittliche Score lag zu Beginn der Studie bei 22. Das entspricht laut der aktuellen S3-Leitlinie zur unipolaren Depression einem mittelgradigen depressiven Syndrom.
Während der HAM-D17-Gesamtscore unter Placebo nach acht Wochen um circa 6 Punkte reduziert wurde, waren es unter Nelivaptan etwa 9 Punkte. Die Differenz zwischen Nelivaptan und Placebo betrug also in etwa 3 Punkte. HMNC Brain Health weist darauf hin, dass in einer vorab definierten Subgruppe noch bessere Ergebnisse erzielt wurden.
Um Patienten mit einer Deregulierung der Stressachse zu identifizieren, hat die Firma den sogenannten V1b-Polygen-Score (V1bPGS) entwickelt, einen blutbasierten, genetischen Biomarker-Test. Damit sollen Patienten identifiziert werden, die vermutlich besonders gut auf die Therapie mit Nelivaptan ansprechen. Insgesamt 89 Patienten wurden einer entsprechenden Subgruppe zugeordnet. Bis Woche 8 betrug die mittlere Differenz gegenüber Placebo in dieser Gruppe –4,47 Punkte. Zudem sei in dieser Gruppe auch ein schnellerer Effekt zu beobachten gewesen.
Nelivaptan war in der Studie insgesamt gut verträglich. Die häufigste behandlungsbedingte Nebenwirkung war Kopfschmerz.
HMNC Brain Health kündigt an, nun regulatorische Gespräche zur Phase-III-Entwicklung von Nelivaptan einzuleiten. Das genannte genetische Auswahltool will man weiter nutzen, um die »Präzisionspsychiatrie in die klinische Praxis zu bringen«.