Nebennierenschwäche oft unerkannt |
PZ |
24.05.2023 09:00 Uhr |
Eine sekundäre Nebenniereninsuffizienz beginnt meist schleichend mit Symptomen wie Müdigkeit, Leistungsabfall und Muskelschmerzen. / Foto: Adobe Stock/goodluz
Das von den Nebennieren gebildete Hormon Cortisol trägt dazu bei, den Kreislauf und den Blutzucker zu stabilisieren und an die jeweiligen Belastungen anzupassen. Zudem hat es einen entzündungshemmenden Effekt. Normalerweise wird es bei körperlichem Stress vermehrt gebildet. Liegt aber eine Schwäche der Nebennieren vor und fehlt deshalb das Cortisol, kann es zu niedrigem Blutdruck, niedrigem Blutzucker und zu einer ungehemmt ablaufenden, überschießenden Entzündungsreaktion kommen. Im schlimmsten Fall droht ein Schock. »Aufgrund der teils unspezifischen Symptome einer Nebennierenschwäche und der gleichzeitig dramatischen Konsequenzen kann eine rechtzeitige Diagnose lebensrettend sein.« Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) im Vorfeld des 66. Deutschen Kongresses für Endokrinologie vom 5. bis 7. Juni 2023 im Kongresszentrum Baden-Baden hin.
»Es gibt verschiedene Ursachen für eine Schwäche der Nebennieren«, erläutert DGE-Mediensprecher Professor Dr. Stephan Petersenn von der ENDOC Praxis für Endokrinologie und Androloge in Hamburg in der Mitteilung. Nach einer hochdosierten Langzeittherapie mit synthetischen Glucocorticoiden etwa könnten die Nebennieren »verlernen«, selbst ausreichend Cortisol zu produzieren. Wird das Medikament rasch abgesetzt, fehlt das Hormon. »Dies ist auch der Grund, warum man eine Cortisontherapie immer langsam ausschleichen muss. Dann hat der Körper Zeit, die eigene Produktion wieder aufzunehmen«, so der Endokrinologe.
Die häufigste Ursache für den Ausfall der Cortisolproduktion im Erwachsenenalter ist jedoch eine Erkrankung der Nebennieren (Morbus Addison) etwa durch autoimmun bedingte Entzündungen oder auch Infektionen. »Es gibt darüber hinaus auch eine sogenannte sekundäre Form, bei der Erkrankungen von Hypothalamus und Hypophyse die Ursache sind – etwa gutartige Hypophysenadenome«, so Petersenn weiter. Durch die Hormonregelkreise strahlen diese Erkrankungen auch auf die Nebennieren aus.
Die Entwicklung einer sekundären Nebenniereninsuffizienz beginnt laut DGE eher schleichend mit unspezifischen Symptomen wie Leistungsverlust und Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie psychiatrischen Auffälligkeiten. Seltener werden Übelkeit, Bauchschmerzen sowie Unterzuckerung beschrieben. Daher werde die Diagnose häufig erst spät gestellt.
Liegt sie vor, lässt sich das fehlende Cortisol gut ersetzen und die Symptome bilden sich zurück. Eine Schwachstelle der Therapie bilden jedoch plötzliche Belastungssituationen: dann müssen Betroffene mehr Cortison erhalten, um stabil zu bleiben. »Patientinnen und Patienten mit einer Nebennierenschwäche sollten deshalb gut geschult sein und immer einen Notfallausweis mit sich tragen, in dem die Diagnose Nebenniereninsuffizienz vermerkt ist.«
Untersuchungen zufolge würden sowohl die Diagnostik als auch die Therapie der Nebennierenschwäche bisher in der Ärzteschaft uneinheitlich gehandhabt. Die DGE habe daher spezielle Schulungen entwickelt, um die Situation zu verbessern.
»Wir wissen zudem, dass es oft nur mit Verzögerung zur Einleitung einer Notfalltherapie kommt«, so Petersenn weiter. Wie eine Untersuchung aus dem Jahr 2015 zeigt, stellt sich die Mehrzahl der Patienten zeitnah bei einer vermuteten beginnenden Nebennierenkrise im Krankenhaus vor, aber nur etwa die Hälfte von ihnen erhält auch fristgerecht die Cortison-Notfallmedikation. Bei Fragen zur richtigen Dosierung solle im Zweifel die höhere Cortison-Stressdosis verabreicht werden. »Eine eventuelle einmalige Überdosierung ist weniger schlimm als das Risiko, an einem Schock aufgrund einer Unterversorgung zu sterben«, so Petersenn.