Nächtliches Kribbeln in Händen und Fingern ernst nehmen |
Der Karpaltunnel ist eine Engstelle am Handgelenk, durch den Nerven und Sehnen ziehen. Herrscht hier dauerhaft zu großer Druck auf den Nervenstrang, kann es zu irreparablen Schäden wie Lähmungen kommen. / Foto: Adobe Stock/tong2530
Der sogenannte Karpaltunnel als anatomische Engstelle am Handgelenk ist ein aus Knochen und Bindegewebe bestehender Kanal im Bereich des Handwurzelknochens, der von Nerven und Sehnen durchzogen wird. Durch Verengung des Tunnels unter anderem infolge von Schwellungen des Sehnengleitgewebes bei degenerativen, rheumatischen, hormonellen oder stoffwechselbedingten Erkrankungen, überlastenden Tätigkeiten, Traumata oder auch Handgelenksarthrosen kann es zu einer Reizung und Schädigung des sogenannten Mittelarmnerven (Nervus medianus) kommen.
Ein »Einschlafen der Hände« mit oft schmerzhaften Kribbelparästhesien und hier vor allem an Daumen, Zeige- und Mittelfinger sowie der daumenzugewandten Hälfte des Ringfingers wird als typisches Erstsymptom des Engpass-Syndroms beschrieben. Dabei handelt es sich keinesfalls um eine Bagatelle. Im Gegenteil: Handchirurgen des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus, Dresden, sprechen von einem Problem, das rechtzeitig ernst genommen werden müsse. Auch, wenn sich die Symptome in der Regel schleichend fortentwickeln: Die Konsultation eines Neurologen sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden. Anderenfalls sei mit irreparablen Nervenschädigungen und dauerhafter Muskelatrophie bis hin zu Lähmungserscheinungen und Arbeitsunfähigkeit zu rechnen. Etwa jeder sechste Deutsche ist von der peripheren Neuropathie durch einen erhöhten Gewebedruck im Karpaltunnel betroffen.
Die Nervenstränge werden von Blutgefäßen begleitet. »Sorgt der Gewebedruck im verengten Karpaltunnel für eine Unterbrechung des Blutstroms, besteht die Gefahr, dass die von ihnen versorgten Nervenfasern absterben«, warnt Dr. Martin Schreiber in einer aktuellen Medien-Mitteilung des Dresdner Universitätsklinikums. Lediglich bei früher (elektrophysiologischer) Differenzialdiagnose seien Behandlungserfolge durch konservative Therapieoptionen zu erzielen.
So hätten sich in ersten Stadien der Erkrankung nachts anzulegende spezifische Schienen zur Fixierung des Handgelenks in Mittelstellung bewährt. Bei Entzündungen komme neben der oralen Corticoid-Therapie auch die lokale Corticoid-Injektion in den Karpaltunnel in Betracht. Sind die Beschwerden auf übermäßige Belastung etwa durch Arbeit am Bau oder in der Gastronomie durch häufiges Tragen schwerer Lasten zurückzuführen, müsse die Hand gleichermaßen ruhig gestellt und somit geschont werden, um eine weitere Überbeanspruchung zu vermeiden.
Sollten konservative Therapiemethoden nicht den gewünschten Erfolg haben, könne ein chirurgischer Eingriff unumgänglich werden. „Bei Nervenkompressionen gilt es, den richtigen Zeitpunkt für eine Operation zu erkennen“, betont Schreiber. Bei dem zumeist ambulant unter örtlicher oder regionaler Betäubung sowie häufig nicht länger als 20 Minuten dauernden chirurgischen Eingriff werde zur Druckentlastung des Nervus medianus das sogenannte Karpalband, also der Gewebestrang um die zur Hand führenden Nerven, durchtrennt.
Nach der OP müsse diese zwei Wochen geschont werden. Es käme in der Regel zu keinerlei Komplikationen und weiteren Einschränkungen, sofern sich die Patienten nicht zu spät operieren lassen und die betroffenen Nerven somit ohne irreversible Schäden geblieben sind.
Ob offen oder minimalinvasiv: „Unabhängig vom Operationsverfahren ist die Prognose bei rechtzeitiger Indikation und professioneller handchirurgischer Durchführung des Eingriffs gut“, unterstreichen auch die Autoren der derzeit geltenden, seit geraumer Zeit in Überarbeitung befindlichen Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Karpaltunnelsyndroms“. Ein längeres Intervall (> 3 Jahre) zwischen Symptombeginn und Operation verschlechtere die Prognose.
„Bei früher Diagnose können 35 bis 40 Prozent der Erwachsenen konservativ therapiert werden“, unterstreicht die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie (DGH). Sie berichtet von 200 000 Operationen des Karpaltunnelsyndroms in Deutschland pro Jahr. In 90 Prozent aller Fälle werde Beschwerdefreiheit erreicht.