Nachwuchsförderung, Katastrophenschutz und Imagepflege |
Melanie Höhn |
26.06.2025 16:10 Uhr |
Der Präsident der Apothekerkammer Hamburg Holger Gnekow bei der Delegiertenversammlung am 25. Juni 2025. / © PZ/Melanie Höhn
Beim jüngsten Zusammentreffen der Apothekerkammer Hamburg legte Präsident Holger Gnekow in seinem Vorstandsbericht einen umfassenden Überblick über aktuelle berufspolitische Entwicklungen vor. Dabei nahm die Einschätzung der neuen Bundesregierung und insbesondere der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) breiten Raum ein. Zwar sei die Apothekenreform im Koalitionsvertrag verankert, allerdings nicht prioritär, so Gnekow. »Wir können glücklich sein, dass es die Reform zumindest so dezidiert in den Koalitionsvertrag geschafft hat«, sagte er.
Ein weiteres Thema war die Anerkennung ausländischer Abschlüsse im Apothekenumfeld. Laut Gnekow ist das Verfahren »extrem bürokratisch«. Die Bundesapothekerkammer (BAK) habe hierzu kürzlich eine neue Richtlinie verabschiedet, die nicht nur auf approbierte Apotheker, sondern auch auf weitere Berufe im Apothekenumfeld ziele.
Die Nachwuchsförderung bleibt ein zentrales Anliegen der Kammer. Vorgestellt wurden verschiedene Maßnahmen wie die Teilnahme an der Berufemesse Vocatium, am »Berufe-Karussell« der Freien Berufe sowie die Hamburger Praktikumswoche. Ziel sei es, junge Menschen frühzeitig für Berufe rund um die Apotheke zu interessieren.
Mit Blick auf die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) in Weimar hob Gnekow hervor, dass dort ein klares Bekenntnis zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken formuliert worden sei – ein Schritt, den er als »bemerkenswert« bezeichnete. In diesem Zusammenhang forderte er die konsequente Umsetzung der Koalitionsvereinbarungen im Apothekenbereich, auch im Vergleich zum zurückliegenden Entwurf des Apothekenreformgesetzes unter dem ehemaligen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Gnekow betonte außerdem die Bedeutung der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) und ist froh darüber, dass dieses Thema von der GMK gesehen werde. Es sei entscheidend, dass die finanzielle Förderung dieser Angebote nicht eingeschränkt werde. Dies sei eine »Aufgabe für die Gesellschaft, die die Apotheken nach vorne treibt«, so der Kammerpräsident.
Scharfe Kritik übte Gnekow an der zunehmenden Praxis, Cannabis ohne vorherige persönliche ärztliche Konsultation online zu verschreiben. »So bekommen wir Kiffen auf Rezept«, warnte er. Diese Entwicklung sei »katastrophal«. Die Bundesapothekerkammer (BAK) hat dazu bereits eine Resolution verabschiedet.
Weiterhin berichtete Gnekow, dass sich auf der jüngsten BAK-Klausurtagung in Berlin mehrere Arbeitsgruppen mit Themen wie der Rolle der BAK, deren Rechtsstruktur, Kommunikationsprozessen mit der ABDA sowie der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung befasst haben. »Wir haben uns Ziele gesetzt, bis wann welche Themen in den Arbeitsgruppen bearbeitet werden. Da sind teilweise extrem dicke Bretter dabei«, so Gnekow.
Ein weiterer Punkt auf der Agenda war ein Ad-hoc-Antrag für den Deutschen Apothekertag (DAT) zur besseren Einbindung von Apotheken in die Ersteinschätzungssysteme der Notfallversorgung. Ziel sei es, dass die Ersteinschätzungssysteme der Hotline 116117 Apotheken als wichtige Option bei der Versorgung von Bagatellerkrankungen nennen und Patientinnen und Patienten an diese verweisen. Der Antrag wurde von den Delegierten angenommen.
Angesichts zunehmender Herausforderungen durch Krisenszenarien wurde zudem der Katastrophenschutz thematisiert. »Wenn es um kritische Infrastruktur geht, sind öffentliche Apotheken keine kritische Infrastruktur im übergeordneten Sinne«, sagte Gnekow. Diese kritische Infrastruktur müsse eine eigene Strom- und Wasserversorgung haben. Die Kammer wolle hierzu den Dialog mit der Innenbehörde suchen, betone aber auch die Notwendigkeit einer übergeordneten Koordination durch den Bund. Gnekow: »Das Thema wird auf uns zurollen, ob wir wollen oder nicht«.
Darüber hinaus informierte Gnekow, dass in der kommenden Woche ein sogenanntes Städtekammertreffen zwischen den Apothekerkammern Berlin, Bremen und Hamburg stattfinden werde. Ziel sei es, Gemeinsamkeiten zu identifizieren und eine engere organisatorische Zusammenarbeit der Kammern zu prüfen.
Abschließend wurde über eine personelle Veränderung informiert: Rechtsanwalt Niklas Kohmüller wird künftig die bisherige Justiziarin Janine Burgdorf in ihrer Funktion ersetzen.
Im Rahmen eines Gastvortrags stellte ABDA-Pressesprecher Benjamin Rohrer zentrale Elemente der aktuellen Kommunikationsstrategie der Bundesvereinigung vor. Die Strategie verfolgt mehrere parallele Ziele: politische Kommunikation, die Nachwuchskampagne sowie eine Image- und Dachkampagne in der Öffentlichkeit.
In öffentlichen Kampagnen wolle die ABDA darauf hinweisen, was passiert, wenn die Apotheke vor Ort mit dem vollen Leistungsspektrum wegfällt, sagte Rohrer. Gleichzeitig könne nicht nur dieses »dunkle Szenario« gezeichnet werden, sondern es müsse auch herausgestellt werden, was Apotheken eigentlich leisten und welche Bedeutung sie für die Gesellschaft haben. Deshalb sei die ABDA in eine »Kompetenzkommunikation« eingestiegen.
Ein wesentlicher Bestandteil der Strategie sei die politische Kommunikation, insbesondere in der Zeit rund um die Bundestagswahl 2025. Mit gezielten Maßnahmen – etwa mit Geotargeting-Kampagnen rund um den Bundestag oder an Parteitagen – werde die Aufmerksamkeit von Entscheidungsträgern auf die Leistungen und Herausforderungen der Apotheken gelenkt. Kampagnenmotive werden dabei für verschiedene Endgeräte ausgespielt.
Zur strukturierten Nachverfolgung politischer Gespräche sei zudem ein Lobby-Tool auf apothekenkampagne.de implementiert worden. Hier können Apothekerinnen und Apotheker dokumentieren, mit welchen Politikerinnen oder Politikern sie Gespräche geführt haben. Ergänzt werde dies durch digitale Materialien zur Gesprächsunterstützung, etwa Musteranschreiben und Leitfäden.
Die Imagearbeit erfolge schwerpunktmäßig über die sogenannte »Gesichterkampagne«, in der Apothekenteams selbst zu Wort kommen. Ziel sei es, die gesellschaftliche Wahrnehmung der Apotheken zu erweitern und gängigen Klischees entgegenzuwirken. Nachdem die Kampagne 2024 unter dem Motto »Gesundheit sichern« startete, wurde der Slogan inzwischen weiterentwickelt – zunächst zu »Weil es um Menschen geht«, aktuell lautet er: »Für dich«. »Wir wollen das Denken der Menschen dahingehend sensibilisieren, dass nicht mehr gesagt wird: Apothekerinnen sind ›Schubladenzieher‹ oder ›Pfennigfuchser‹. Sondern dass die Menschen in Deutschland erfahren, was Sie können, wofür Sie da sind und welche Aufgaben Sie haben in der Versorgung. Das ist die Aufgabe der Image- und Dachkampagne«, fasste Rohrer zusammen.
Ein großer Schwerpunkt im Jahr 2024 sei die Aktion »Whatsapo« gewesen, bei der über 280 Statements aus allen Bundesländern gesammelt wurden. Die Resonanz: über 60.000 Seitenaufrufe.
Auch ohne konkreten politischen Anlass – wie zuletzt das Apothekengesetz – werde die Kampagne 2025 weitergeführt. Es gehe darum, das berufliche Profil der Apotheken in der öffentlichen Wahrnehmung zu schärfen und ihre Rolle in der Versorgung langfristig zu verdeutlichen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Nachwuchsgewinnung. Laut Rohrer droht bis 2029 eine Lücke von rund 10.000 Fachkräften im Apothekenbereich. Um junge Zielgruppen zu erreichen, setzt die ABDA auf aufmerksamkeitsstarke Formate. Insbesondere TikTok wird aktiv bespielt – mit mittlerweile rund 12.000 Followern. Auf diesem Kanal werden ausschließlich Themen der Nachwuchskampagne behandelt, politische Inhalte bleiben ausgeklammert.
Nicht alle Maßnahmen stießen auf einheitliche Zustimmung in der Berufsgruppe. So habe etwa die Anlehnung an die Serie »How to Sell Drugs Online (Fast)« für kontroverse Reaktionen gesorgt. Dennoch verteidigte Rohrer den kreativen Ansatz: Man müsse neue Wege gehen, um überhaupt noch Gehör bei der jungen Zielgruppe zu finden.
Die nächste Mitgliederversammlung der Apothekerkammer Hamburg wird am 10. September mit ABDA-Vizepräsidentin Ina Lucas und der Apothekerversorgung Niedersachsen stattfinden.