Nach zwei Tagen am Limit |
Lukas Brockfeld |
06.05.2025 09:00 Uhr |
Sanitäter der Bundeswehr üben die Versorgung von Verwundeten. / © Imago/photothek
Die sicherheitspolitische Lage in Europa ist so schwierig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. US-Präsident Donald Trump stellt das NATO-Bündnis öffentlich infrage. Deutschland rüstet daher massiv auf und gab 2024 erstmals seit Jahrzehnten wieder mehr als 2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung aus. Doch im Kriegsfall ist neben Panzern und Drohnen auch die zivile Infrastruktur entscheidend. Das betrifft besonders die medizinische Versorgung.
Deutschland hat aktuell fünf Bundeswehrkrankenhäuser, die gemeinsam über 1800 Betten verfügen. 1991 betrieben die Streitkräfte noch 14 Kliniken. Zusätzlich gibt es neun berufsgenossenschaftliche Unfallkliniken, die ähnliche Leistungen anbieten und noch einmal über etwa 2200 Betten verfügen. Im Fall eines großen Krieges an der NATO-Ostflanke dürften diese Kapazitäten schnell erschöpft sein.
»Wir erwarten nach NATO-Simulationen 1000 Verletzte pro Tag. Nach 48 Stunden sind diese 14 Krankenhäuser voll«, warnte Dietmar Pennig, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, schon im Oktober. Auch die zivilen Krankenhäuser müssten dringend auf den Kriegsfall vorbereitet werden. »Im Konfliktfall kann man nicht anfangen, so etwas zu planen. Das muss geübt werden und laufen«, betonte Pennig.
Da Deutschland im Kriegsfall aufgrund seiner Lage eine wichtige logistische Drehscheibe der NATO wäre, müssten in deutschen Kliniken nicht nur Soldaten der Bundeswehr, sondern auch Angehörige alliierter Streitkräfte versorgt werden. Die Behandlung von Kriegsverletzungen ist oft langwierig und komplex. Der Bedarf an entsprechenden Kapazitäten ist also groß. Und natürlich müssten die Krankenhäuser weiterhin die alltäglichen Verletzungen und Krankheiten behandeln.
»Das deutsche Gesundheitswesen muss sich auf einige Herausforderungen einstellen, wenn es auf Bedrohungen wie kriegerische Auseinandersetzungen und Versorgung von Schwerstverletzten auch hierzulande vorbereitet sein will. Zur Vorbereitung gehören beispielsweise die Ausweitung und adäquate Ausstattung von Intensiv- und OP-Kapazitäten, für Schwerbrandverletzte, zusätzliche Isolierstationen oder Telemedizin, um über Distanzen hinweg versorgen zu können«, erklärte Jens Scholz, erster Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), im Februar in einer Pressemitteilung.
Scholz wünschte sich vor allem eine adäquate Stärkung der hochspezialisierten Universitätsklinika, damit auch sie im Ernstfall eine große Zahl an Verwundeten behandeln können. »Investitionen in Sicherheit heißt auch, funktionierende, abwehrbereite Versorgungsinfrastrukturen für den Krisenfall bereitzuhalten. Verteidigungsfähigkeit bedeutet auch, dass Verletzte bestmöglich versorgt werden können«, so Scholz.
Doch es fehlt nicht nur an Geld und Kapazitäten. Im Dezember betonte der von der Bundesregierung eingerichtete »ExpertInnenrat Gesundheit und Resilienz« in einer Stellungnahme, dass das deutsche Gesundheitswesen im Krisenfall nur bestehen könne, wenn die zivilen und militärischen Akteure früh und eng miteinander kooperieren. Im Augenblick fehle es an Regeln und Zuständigkeiten. Hier müsse der Gesetzgeber dringend für Klarheit sorgen.
Der Rat empfiehlt zusätzlich eine ganze Reihe an Maßnahmen: So müsse beispielsweise die Bevorratung bestimmter Arzneimittel und Medizinprodukte gesetzlich geregelt werden. Außerdem sollte eine fachlich breit aufgestellte personelle Reserve für den Ernstfall geschaffen werden. In Notfallübungen sollen sich die Bundeswehr und die Krankenhäuser gemeinsam auf den Ernstfall vorbereiten. Außerdem sei es sinnvoll, die Bevölkerung in die Maßnahmen mit einzubeziehen und Krisenszenarien klar zu kommunizieren.
Die neue Bundesregierung scheint sich des Problems zumindest bewusst zu sein. So sollen die Mittel des 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens Infrastruktur auch in die Krankenhäuser fließen. Außerdem hat es der folgende Satz in den Koalitionsvertrag geschafft: »Wir schaffen gesetzliche Rahmenbedingen für den Gesundheitssektor und den Rettungsdienst im Zivilschutz- sowie Verteidigungs- und Bündnisfall mit abgestimmter Koordinierung und eindeutigen Zuständigkeiten.«