Mutter sucht Medikament per Facebook |
| Cornelia Dölger |
| 27.02.2024 14:38 Uhr |
Leere Schubladen in der Apotheke sollten mit dem ALBVVG eigentlich der Vergangenheit angehören. Bei wichtigen Arzneimitteln ist die Lage aber weiterhin angespannt. / Foto: IMAGO/Eibner Europa
Im ausklingenden Winter mehren sich die Bilanzen zur Versorgunglage bei Kinderarzneimitteln. Zuletzt gab das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Entwarnung. Es ließ verlauten, die Versorgung mit Kinderarzneimitteln sei gesichert, auch dank der politischen Maßnahmen. »Die Einkaufs- und Abverkaufszahlen in den Apotheken haben sich ausbalanciert«, sagte eine Sprecherin am Montag in Berlin.
Die Versorgung mit Kinderarzneimitteln der beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführten »Dringlichkeitsliste« habe sich positiv entwickelt und sei gesichert. Nur bei Einzelfällen von Wirkstoffen gebe es noch Engpässe.
Das BfArM hatte die »Dringlichkeitsliste« im September veröffentlicht. Darauf sind gut 30 Kinderpräparate zu finden, die mit höchster Priorität beschafft werden sollten, etwa Antibiotika, Nasentropfen, fiebersenkende und schmerzlindernde Säfte und Zäpfchen. Die Liste wird regelmäßig angepasst.
Ja, es stimme, dass sich die Lage diesbezüglich entspannt habe, teilt aktuell der Herstellerverband Pro Generika mit. Die Versorgungslage bei vielen Kinderarzneimitteln sei besser als in der vergangenen Erkältungssaison. Dies habe aber nichts mit dem Lieferengpassgesetz (ALBVVG) zu tun, dessen erklärtes Ziel ja ist, die Engpässe zu bekämpfen.
Laut Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer ist der Grund für die verbesserte Situation der, dass die Pharmahersteller ihre Produktion so weit wie möglich hochgeschraubt haben. Hinzu komme, dass der Winter bislang mild verlaufen sei. Das ALBVVG zeige hingegen (noch) keine Auswirkungen.
»Unsere Unternehmen haben – lange vor Inkrafttreten des ALBVVG – die Produktion von Fiebersaft und anderen Arzneimitteln erhöht«, so Bretthauer. Dies hätten die Hersteller auf eigene Kosten und ohne die gesetzlichen Vorgaben des ALBVVG getan.
Von einer strukturellen Entspannung könne bislang keine Rede sein. Dafür seien die Probleme, die Großhandel, Apothekenteams und Kinderärztinnen und -ärzte schilderten, zu groß und der Mangel an essenziellen Arzneimitteln wie Antibiotika V zu drastisch, betonte Bretthauer.
Das Lieferengpassgesetz erfasse den allergrößten Teil der Arzneimittel – satte 99 Prozent – nicht, kritisierte Bretthauer. Selbst wenn die ALBVVG-Maßnahmen bei Kinderarzneimitteln griffen und die Lage entspannten, ändere das nichts an der Knappheit von wichtigen anderen Präparaten wie Krebsmitteln, Antidepressiva oder HIV-Medikamenten. »Hier stolpern wie weiter von Engpass zu Engpass und es fehlt eine Versorgungsstrategie«, so Bretthauer.
An einem offenbar akuten Engpass haben eine Mutter und ihr dreijähriger Sohn aktuell zu leiden. Wie einem Apotheker-Chat bei Facebook zu entnehmen ist, sucht die Mutter nach einem bestimmten Antiepileptikum. »Mein Sohn (3 Jahre) muss ein Medikament nehmen (Glenmark, Levetirazetam 100 mg/ml; PZN 11323195)«, schreibt die Mutter anonym. Von diesem Hersteller sei das Präparat derzeit nirgendwo zu bekommen, es sei erst ab Juni wieder lieferbar. »Ich suche händeringend nach dem Medikament, da ich ungern den Hersteller wechseln möchte.«
Falls es noch Lagerbestände in Apotheken gebe, mögen diejenigen Bescheid geben, sie komme dann auf sie zu, bittet die Mutter. Sie habe »schon so viele Apotheken« angerufen, bislang ohne Erfolg.
Eine Apothekerin aus Mühlheim antwortet ihr, kann aber leider auch nicht helfen. »Als Apothekerin und Mutter machen mich solche Fälle sehr traurig«, schreibt sie. Den Medikamentenmangel zu managen, sei frustrierend. Die Regierung habe die Rufe der Apothekerschaft nicht erhört. Als Tipp gibt sie der Mutter mit auf den Weg, sich per Mail ans Bundesgesundheitsministerium oder an die Grünen-Berichterstatterin für Apothekenthemen, Paula Piechotta, zu wenden. Und sie hoffe, dass sich noch Restbestände des gesuchten Medikaments finden ließen.
Die ABDA hatte zuletzt weiter vor einer angespannten Versorgungslage gewarnt, auch bei lebenswichtigen Medikamenten. Es sei ein täglicher Kampf für die Apotheken, die Patientinnen und Patienten zu versorgen und falls nötig Ersatzpräparate zu finden oder diese vor Ort herzustellen, kritisiert ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold.