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Familiäre Demenzerkrankung

Mutation schützt vor Alzheimer-Symptomatik

Träger einer seltenen Mutation in dem Gen RELN, das für das Signalprotein Reelin kodiert, könnten massiv von dieser Mutation profitieren. Sind diese Patienten nämlich von einer autosomal-dominanten Alzheimer-Krankheit (ADAD) betroffen, scheint sich der Beginn der Krankheit um bis zu zwei Jahrzehnte zu verzögern.
Theo Dingermann
15.05.2023  18:00 Uhr

Die »Autosomal-dominante Alzheimer-Krankheit (ADAD)« ist eine seltene vererbte Form der Alzheimer-Krankheit, die in den meisten Fällen durch spezifische Mutationen im PSEN1-Gen, das für das Transmembranprotein Presenilin 1 kodiert, verursacht wird. Die ADAD zeichnet sich durch einen frühen Krankheitsbeginn aus, sodass die für die Alzheimer-Krankheit typischen kognitiven Beeinträchtigungen bei den Betroffenen bereits in relativ jungen Jahren, typischerweise im Alter von 40 bis 50 Jahren, einsetzen.

Ein internationales Forscherkonsortium um Professor Dr. Francisco Lopera, Mitglied der neurowissenschaftlichen Arbeitsgruppe an der Medizinische Fakultät der Universität von Antioquia in Medellín, Kolumbien, analysierten die klinischen und genetischen Daten von 1200 Personen aus Kolumbien, die alle Träger der PSEN1-Mutation waren. Im Rahmen dieser Arbeit identifizierten sie einen Patienten, der anders als alle anderen Patienten bis zum Alter von 67 Jahren kognitiv unauffällig geblieben war.

Dies veranlasste die Autoren diesen Fall mit einem ähnlichen, in der Literatur beschriebenen Fall einer Patientin zu vergleichen. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden aktuell im Fachjournal »Nature Medicine« publiziert.

Zwei ähnliche Krankheitsgeschichten trotz unterschiedlicher genetischer Basis

Die Forschenden hatten bereits im Jahr 2019 über einen ähnlichen Fall berichtet, bei dem sich bei einer Patientin die Alzheimer-Symptomatik trotz Vorliegen der PSEN1-Mutation erst stark verzögert ausprägte. Bei dieser Patientin wurde neben der PSEN1-Mutation, eine seltene Variante des Gens für Apolipoprotein E (APOE) identifiziert. Diese APOE-R154S-Mutation, die auch als »Christchurch« bezeichnet wird, schien der Grund dafür zu sein, dass diese Frau trotz der PSEN1-Mutation erst im Alter von 72 Jahren nur einen leichten Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und mit 75 Jahren eine leichte Demenz entwickelt hatte.

Die Forschenden konnten zeigen, dass bei beiden Patienten eine ausgedehnte und beträchtliche Amyloid-Pathologie im Gehirn als ein typisches pathologisches Merkmal der Alzheimer-Krankheit nachweisbar war. Im sogenannten entorhinalen Kortex, einer Hirnregion, die eine wichtige Rolle bei der Gedächtnisbildung spielt und die typischerweise bereits in den frühen klinischen Stadien der Alzheimer-Krankheit betroffen ist, wurde jedoch nur eine begrenzte Aggregation von τ-Protein, das Mikrotubuli stabilisiert, in den Gehirnen der beiden Patienten festgestellt.

Im Rahmen der Genomsequenzierung des hier beschriebenen zweiten Falls fanden die Forschenden heraus, dass dieser Patient zwar nicht die APOE-R154S-Variante, wohl aber eine andere Mutation aufwies. Er war Träger einer neuen Variante des RELN-Gens, das für das Glykoprotein Reelin, einem Protein der extrazellulären Matrix, kodiert. Dieses ist im Zentralnervensystem der Säugetiere an der Differenzierung und Migration von Neuronen beteiligt. Die Mutation führt zu einem Aminosäure-Austausch von Histidin nach Arginin (H3447R).

Durch Mutation beeinträchtige Rezeptorbindung könnte die Alzheimer-Symptomatik verzögern

Wie APOE fungiert auch Reelin als Ligand an den Rezeptoren für das Very-Low-Density-Lipoprotein (VLDL) und für APOE2. Die Autoren vermuten nun, dass die H3447R-Mutation im RELN-Gen zu einem Liganden führt, der die τ-Aggregation wirksam einschränken kann. Um dies jedoch zu beweisen, sind noch weitere Untersuchungen erforderlich.

Allerdings wird die Hypothese der Forschenden dadurch gestützt, dass sich die RELN-H3447R-Variante als eine Gain-of-Function-Variante erweist, die Dab1 (Disabled-1), dem eigentlichen Zielprotein des Reelins und einem Schlüsselregulator der Reelin-Signalgebung, stärker zu aktivieren vermag als das Wildtyp-Protein. Die führt in einer Knockin-Maus zu Verringerung der menschlichen τ-Phosphorylierung.

Die Studie ist insofern bemerkenswert, da sie möglicherweise einen bisher unbekannten molekularen Weg aufzeigt, der Menschen mit erhöhtem Alzheimer-Risiko eine Resilienz gegenüber kognitiven Beeinträchtigungen verleihen könnte. Vielleicht haben die Forschenden neue Zielstrukturen für die Behandlung der Alzheimer-Krankheit aufgedeckt. Allerdings warnen die Forschenden selbst davor, die Ergebnisse überzubewerten, da sich die hier angedeutete Hypothese bisher nur auf zwei ähnliche Fälle stützt.

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